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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 22.1841

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https://doi.org/10.11588/diglit.3203#0133
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Kunstblatt.

Donnerstag, den 22. Llpril 1841.

Aaukunst.

Gothifchos ABC Buch, das ist: Grundregeln
des gothischen Stpls für Künstler und Werk-
leute von Friedrich H off stad t. Mit 42
Vorlegeblättcrn, und einer Abhandlung über
Geschichte und Ncstauratiou der deutschen Bau-
kunst, nebst einem Wortverzeichnis' über deren
Kunst- undHandwcrksausdrücke. Frankfurt a. M.
Verlag von Siegmund Schmerber. 1840.

Referent erinnert sich seit lange keines in Deutsch-
land erschienenen Werkes, das ihn mit solcher Freude er-
füllt hatte, als die erste Lieferung des gothischen ABC
Buchs; und das nähere Eingehen in die Darstellungs-
weisc des Verfassers hat sein Behagen daran nur noch
vermehrt. Das hier entwickelte Princip, die gewaltigen
Schöpfungen des Mittelalters auf den einfachen Kry-
stallisationsproccß der geometrischen Grundlage zurück-
zuführen, ist für die Erkenntniß derselben sowohl, als
für deren künftige Jnswerkrichtnng gewiß heilbringender,
wie alle überschwengliche Phrasen, welche durch bloße
Gefühlsanschauung entstehen. Diese Bahn ist bisher wenig
betreten worden, und cs hat doch historisch mit ihr
wenigstens in so fern seine Richtigkeit, als gegen Ende
des 15tcn Jahrhunderts bei den Werkmeister» ein ähn-
licher Canon in Anwendung gebracht worden ist, welcher
dagegen in früheren Aeitcn wohl nicht mir io völligem
Bewußtseyn durchgewirkt hatte. — So gar erquicklich i|t
es zu sehen, mit welcher Meisterschaft der -Ltoss behan-
delt, und wie die ganze Art der Herausgabe davon durch-
drungen ist, woneben der Verleger, höchit schähenswerth,
mit dein Seinigen nicht gekargt hat. Von Hrn. Hoffnadt
aber ist der Eindruck besonders dadurch erhöht, daß er
seine umfassende Keuntniß der deutschen Kunst, feine
Begeisterung dafür, mehr ahnen als zu Tage treten

läßt. Ich glaube und hoffe, die Wirkung, welche er zu
erwarten berechtigt ist, wird nicht ausblcibcn!

Wenn man nun in der Hauptsache mit den hier
dargelegten Grundsätzen nur zu gern übereinstimmt; so
ist dieses dem Referenten bei manchem Nebensächlichen
! nicht so unbedingt möglich. Letzteres scheint indeß weniger
durch die individuelle Ansicht des Verfassers bedingt,
als den vielmehr ziemlich allgemein verbreiteten Mei-
nungen unter Künstlern und Kennern in Deutschland
anzugehören. Deßhalb sey eine nähere Besprechung darüber
gestattet.

Der Vers, hebt es entschieden heraus, daß der Geist
der gothischen Bauweise uicht in der Form der Bögen,
sondern vielmehr in der Abfaserung der Oeffnungen, in
dem Gußartigcn bestehe. — Es wurde einst unter Freunden
behauptet, daß cs möglich sey, einen großen Thcil der
gothischen Bildungsmeise für Entwürfe im antiken Style
sich aneignen zu können, mau müsse nur, wurde scherzend
' hinzugesetzt, folgenden Spruch dabei nicht außer Acht
lassen:

Wenn »ur der Oeffnungen Kante im rechte» Winkel sich bricht.
Mag sogar des Bogens Gewand bis zur Schwelle sich senken!
Bei wölbender Kunst aber beherrsche der Diagonale Gewalt.

Das ist dasselbe, nur von der entgegengesetzten Seite
her ausgesprochen. Stimmen wir demnach in der Haupt-
charakteristik des Gothischen überein, so wird man auch
gewiß der Folgerung beipflichten, daß dieser Charakter,
vom Beginn der christlichen Architektur in Europa, im
Keime in derselben vorhanden war, und daß schon die
Uranfänge davon in den ersten christlichen Basiliken im
fast verborgenen Schvoßc ruhen.

Der sogenannte Vorgothische Styl, vielleicht besser
Frühgothische, nur nicht Byzantinische,1 ist deshalb die

1 Mit dem Ende des ste» Jahrhunderts beginnen die
auf uns gekommenen Bauten in Frankreich und Deutschland.
Auch in Italien zeigt sich erst uni diese Zeit eine mit dem
Namen Styl zu bezeichnende Bauweise. War denn bis dahin
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