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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 22.1841

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https://doi.org/10.11588/diglit.3203#0182
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174

die merkwürdigsten Privatsammlungen von Paris bereits
vor dem Druck de-S Waageu'schen Buches aufgelöst worden.

In der äußeren Behandlung sind die Theile des
Waageu'schen WerkeS, welche sich auf England beziehen,
von dem, der es mit Paris zu thun hat, unterschieden,
wie dieS die Beschaffenheit deS Stoffes mit sich bringen
mußte. In den ersten Theilen mußte über eine große
Anzahl von einzelnen, zumeist zwar sehr werthvollen,
doch nicht gerade sehr umfassenden Sammlungen Bericht
erstattet werden. Das Ganze zerfallt hier somit in
viele kleine Theile, die aber durch eine gar anmuthige
Schilderung englischer Sitte und englischen Lebens und
der Umgebungen des letzteren verbunden werden. Das
Buch hat die Form vertraulicher Briefe, und wer den
eigentlichen Kern, die Knnstberichte, überschlagen wollte,
würde auch in jene» Schilderungen eine unterhaltende
und belehrende Lectüre finden. Aus diese näher cinzu-
gehen, ist hier indeß nicht der Ort; nur mag bemerkt
werden, daß auch in ihnen durchweg die feine, künst-
lerisch gebildete Auffassungsweise des Verfassers hervor-
tritt. Im dritten Theil waren zwar ebenfalls verschie-
dene Sammlungen zu besprechen, die aber, als die In-
stitute Einer großen Residenz, nicht durch Zufall, sondern
nach wissenschaftliche» Gesichtspunkten von einander ge-
sondert sind. In diesem Theil herrscht somit eine wis-
senschaftliche Anordnung vor, der reichhaltige Stoff wird
nach seiner selbstständigen Eigenthümlichkeit und nach
dem Gange der historischen Entwickelung in größer»
Massen geordnet, während die Form der Briefe und die
Schilderung anderweitiger Lebensverhältniffe mehr in den
Hintergrund tritt. In der folgenden U> bersicht fassen
wir den Inhalt der drei Theile, ebenfalls nach diesen
wissenschaftlichen (knnsthistorischen) Gesichtspunkten zu-
sammen.

Beide Abschnitte seines Werkes, was dessen wissen-
schaftlichen Inhalt anbetrifft, eröffnet der Verfasser mit
einer ziemlich ausführlichen geschichtlichen Darstellung
des Sammelns, der Kunstliebhaberei, der Knnstbildung
überhaupt in den betreffenden Landern. Hierdurch ge-
winnt der Leser eine sichere Anschauung deS TerrainS,
in welches ihn die folgenden Mittheilungen einführen
sollen; aber auch unabhängig von diesem nächsten Zweck
haben jene Darstellungen ein großes, eigenthümliches
Interesse. Sie stehen den allgemeinen geschichtlichen
Verhältnissen, den glanzvollsten Erscheinungen deS Lebens
wie dem jähen Absturz, in den diese hinabgesnnken, als
sprechende Zeugen zur Seite; sie bilden überhaupt ein
wichtiges kulturgeschichtliches Moment, und es dürfte
zu bedeutsamen Resultaten führen, wenn diese Dar-
stellungen selbstständig und weiter umfassend, auch in
Bezug auf die übrigen europäischen Länder, durchgeführt !
würden. Schon gegenwärtig gibt der Vergleich zwischen j

den französischen und den englischen Kunstinteressen zu
mancherlei Bemerkungen Anlaß. In England kommt
vorzugsweise nur daS eigentliche Sammeln in Betracht;
in Frankreich dagegen greisen die Knnstintereffen vielfach
und oft sehr bedeutend in das Leben ein. Hier sehen
wir bereits in der zweiten Hälfte des täten Jahrhun-
derts, unter König Karl V. und seinem Bruder Jean
von Berrv, Sammlungen entstehen; namentlich für das
Fach der. Miniaturmalerei werden die Künstler verschie-
dener Länder in Anspruch genommen. Ungleich bedeu-
tender ist, was in der ersten Hälfte des igten Jahr-
hunderts unter Franz I. und Heinrich li. geschah;
großartigere Sammlungen wurden angelegt, italienische
Künstler wurden in's Land gezogen, sie führten sehr
umfassende Werke aus und gründeten eine eigenthümliche
Kunstschule, die von Fontainebleau. Wurde auch der
Glanz dieser Zeit durch die unmittelbar darauf folgenden
Revolutionskriege sehr getrübt, so war dem französischen
Kunstleben doch bereits eine eigenthümliche Richtung
eingeimpft. Franz dem Ersten steht in England Hein-
rich Yiu. gegenüber; doch war dessen Kunstliebhaberei
ungleich weniger umfassend, und vornehnilich ist hier
nur, im Gegensatz gegen die in Frankreich arbeitenden
Italiener, Hvlbein und seine Thätigkeit in England zn
nennen. Ungleich bedeutender erscheint die Wirksamkeit
Karl'ö I. im zweiten Viertel des I7ten Jahrhunderts;
durch ihn und durch gleichgesinnte Große kam eine be-
deutende Menge der seltensten Knnstschätze »ach England.
Aber nach seiner Hinrichtung wurden die letzteren wie-
derum in alle Welt zerstreut, und seine Nachfolger ver-
mochten nur Weniges aus dem großen Schiffbruche zu
retten. In derselben Zeit beginnt in Frankreich der
Glanz der Regierung Lndwig's x,v.; auf's Umfassendste
ward wiederum gesammelt und sonst aus mannigfaltige
Weise für die Knust gewirkt; Vieles aus den zerstreuten
englischen Sammlungen kani jetzt, auf größeren oder
kleineren Umwegen, nach Frankreich. Privatpersonen
zeigten ein gleiches Streben wie der König. So auch
seine Nachfolger, zunächst der Herzog von Orleans (Re-
gent während der Minderjährigkeit Lndwig's XV.), dann
die beiden folgenden Könige. Auch in England war man
in dieser Periode nicht mnssig; doch betrachtete man die
Kunstwerke mehr nur als Dekoration für die Schlösser,
als daß man sie um ihres selbstständigen Werthes willen
gesammelt hätte. Nu» aber brach der Sturm der fran-
zösischen Revolution los, und was an den Besitzthümern
der Großen durch dieselben nicht vernichtet ward, kam
auf den Markt und ging nach England; so die berühmte
Galerie Orleans, so unzähliges Andere. Von dieser
Zeit beginnt die erhöhte Kunstliebe von Seiten der Eng-
länder, und fast überall hat das Trefflichste, was käuflich
wurde, dort feine Heimath gefunden. Wiederum jedoch
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