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mr- 53.

Sonnabend den 30. Oktober 1847

Nachträge zur Kenntnis

der altniederländischen Malcrsrhulen des 15tcn und
16tcn Jahrhunderts.

Vnn Prof. G. F. Waagen.

(Fortsetzung.)

Jan Gossart gen. Johann Mabuse.

Vei den Forschungen über die altniederländische Malerei,
welche seit einiger Zeit mit so vielem Eifer betrieben werden,
hat inan meines Erachtens bisher eine höchst wichtige und in-
teressante Gattung von Bildern zu wenig beachtet. Es sind
dieses nämlich solche, welche zwischen dem Charakter der Meister,
die den Eindruck der Eyck'schen Knnstweise noch ganz ungetrübt
und in hoher Ausbildung wiedergeben, wie z. B. Hans Mem-
ling, und denen, welche sich cirtschieden der Nachahmung der
italienischen Kunst hingeben, wie Mabuse in seiner späteren
Zeit, eine m-Wz're Stellung einnahmen. Indem diese das vclt-
giöfc dci^Ehck'schen Schule noch in großer Reinheit und

Wahrheit festhalten, verbinden sic damit ein Bestreben nach
größerer formeller Schönheit in den erwachsenen Personen, nach
mehr Gefälligkeit in den Kindern, sowie nach einer natur-
gemäßeren Fülle der Körperformen. Obgleich in der liebevollen
DnrchbiltznM aller Einzelheiten ihren Vorgängern nacheifernd,
suchen siA^damit eine feinere Beobachtung der Lnftperspektive
zu vereinigen. Nur in dem Nebenwerk, z. B. in Baulichkeiten,
findet sich schon öfter eine Nachahmung des italienischen Ge-
schmacks vor. In den besten Bildern dieser Gattung erreicht
die Malerei in den Niederlanden die in allen Th ei len
völlig ans gebildete Form der Kunst, welche man in
Ätalicn an den großen Meistern aus dem ersten Drittel des
löten Jahrhunderts bewundert. Die ältesten Bilder dieser Art
gehören dem letzten Jahrzehnt des täten Jahrhunderts, die spä-
testen der Mitte des löten Jahrhunderts an. Die Urheber so
uiancher und zuni Theil sehr ausgezeichneter Bilder dieser Gat-
tung dürften wohl nie mit Sicherheit zu ermitteln sehn, da wir
durch den Bildersturm im löten Jahrhundert für mehrere von
van Mander sehr gerühmte Maler jeden sicheren Ausgangspunkt
verloren haben. Die beiden uns bekannten Hauptvertreter der-
selben sind Jan Mabuse, in seiner früheren Zeit, und
Jan M o s t a e r t.

Jene früheren Werke des Mabuse haben bisher keineswegs
die Berücksichtigung erfahren, welche sie mir in einem sehr
hohen Grade zu verdienen scheinen. Theils mag man sie nicht
für hinlänglich beglaubigt gehalten, theils mag die höchst
widrige Form der späteren, in der verkehrten Nachahmung der
Italiener befangenen Bilder desselben von dem ganzen Meister
abgeschreckt haben.

Noch immer wird in allen Kunstbüchern und Katalogen dem
Fiorillo, welcher wieder auf den oberflächlichen Deseamps fußt,
gedankenlos nachgeschrieben, daß Mabuse zwischen 1496 und
1500 geboren und im Jahr 1563 gestorben sep, während sich

doch bis zur Evidenz beweisen läßt, daß Geburt und Tod un-
gleich früher fallen müssen. In Hamptonconrt in England zeigt
sein berühmtes, schon von Dallaway und Hvrace Walpole ge-
priesenes und nie bezweifeltes Porträtbild der Kinder König
Heinrichs VII. von England, ' den im Jahr 1493 gebornen
Prinzen Heinrich, nachmaligen König Heinrich VIII., in einem
Alter von höchstens sieben Jahren, so daß das Bild mithin
nicht später als im Jahr 1499 gemalt sepn kann. Hier erscheint
Mabuse aber als ein.durchaus vollendeter Meister, so daß man
gewiß nicht viel von der Wahrheit abweicht, wenn man ihm
ein Alter von 30 Jahren gibt, wonach er mithin schon im Jahr
1469 geboren wäre. Es ist ferner eine beglaubigte Thatsache,
daß er mit Philipp von Burgund, cineni natürlichen Sohn des
Herzogs Philipp des Guten, der von Kaiser Marimilian an
den Papst Julius II. geschickt wurde, gleichzeitig in Rom war;'
dieses fällt nothwendig zwischen den Jahren 1503 und 1513,
als der Regierungszeit jenes Papstes, wahrscheinlich aber nicht
vor dem Jahr 1510, indem das früheste Datum, welches sich
! auf den verschiedenen von ihm in jener italienischen Weise gc-
- malten Bildern vorsindct, 1513 ist.3 Von demselben Freher
und von van Mander wissen wir, daß derselbe Philipp von
Burgund, welcher im Jahr 1518 Bischof von Utrecht wurde,
j den Mabuse zur Ausführung von Malereien in seinem Schlosse
Suptburg beschäftigte, und daß er damals so berühmt war, daß
Jan Schorccl zu ihm in die Lehre ging. Bald darauf führte
er ein großes Altarwerk, dessen Hanptbild eine Abnahme vom
Kreuz war, im Auftrag des Abts Marimilian von Burgund in
der Abteikirche der Stadt Middelburg in Seeland aus, welches
im Jahr 1531 schon beendigt sehn mußte, da Dürer bei seiner
Reise in den Niederlanden darüber folgendes Urtheil fällt: „Nit
so gut im Hauptstreichen als im gemähl." Unter Hauptstreichen
versteht hier Dürer wohl ohne Zweifel die Komposition und die
Zeichnung, welche, in jener verzerrten italienischen Weise ge-
! halten, ihm nicht Zusagen mochte. Das späteste Dat, welches
ich auf Bildern von ihm angetroffen, ist das Jahr 1539. * Nach
allem Vorstehenden verdient daher die Inschrift auf seinem von
I. H. Wierir gestochenen und von Theodor Galle verlegten
Bildniß, in der oben angeführten Reihefolge von Malerbild-
nissen, daß er den 1. Oktober des Jahrs 1533 zu Antwerpen
gestorben und in der dortigen Kathedrale begraben worden sch, *
unbedingten Glauben und zwar um so mehr als diese Bildnisse
in Antwerpen selbst heransgekommen sind.

Aus der obigen Auseinandersetzung erhellt, daß Mabuse,

' S. die nähere Würdigung des Bildes in: Kunstwerke re. in
England. Th. 1. S. 387.

' S. die schon bei Fiorillo abgcdrucktc Stelle ans dem Leben
jenes Philipp in Freher N. G. S. 224 der Straßburger Ausgabe.

3 Mit diesem Dat ist sein Neptun und Amphitritc im Museum
zu Berlin bezeichnet.

4 Auf der Danatz in der kvnigl. Galerie zu München. Kabi-
! nette Nr. 41 nnd der Maria mit dem Kinde ebenda Nr. 115.

5 Jene Inschrift lautet: Fuit Hanno, patria Malbodiensis

et floruit an. 1524. Obyt Antwerpiae 1. Octob. a° 1432 in
Cathedrali aede sepultus. ,
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Prof. G. F. Waagen.: Nachträge zur Kenntniß der altniederländischen Malerschulen. (Forts.)
 
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