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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 28.1847

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https://doi.org/10.11588/diglit.3221#0217
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bevor er nach Italien gegangen ist, in seinem Vaterlande eine
ansehnliche Zahl von Bildern ausgeführt haben muß. Von
diesen sind uns nun noch verschiedene erhalten worden, an wel-
chen ich außer dem oben geschilderten allgemeinen Charakter
dieser ganzen Gattung folgende Eigenschaften als besonders be-
zeichnend beobachtet habe. Eine sehr einsichtsvolle Anordnung,
Köpfe von mannigfachem Charakter, in denen sich öfters ein
lebhafter Sinn für Schönheit ansspricht, schlanke Verhältnisse
mit wohl gezeichneten und bewegten Händen, deren Finger indeß
meist etwas lang und mager sind, weiche und schöne Falten-
motive, in denen sich aber bisweilen scharfe Brüche mischen,
eine sehr bestimmte und starte Modellirnng, welche im Fleisch
in den Schatten von tief bräunlichem, in den Lichtern von
warm gelblichem Ton sind, sehr harmonische Zusammenstellung
der meist etwas gebrochenen Farben, eine ungemein fleißige
Durchführung, welche nur in der Behandlung des Goldstoffs
etwas breiter ist, ein zarter Silbcrton in den entfernteren,
auch noch mit höchst feiner Angabe vieler Einzelheiten ausgc-
führteu Plätten. Da jener warme, bräunliche Ton deö Fleisches,
wie in der Regel bei den Niederländern, selbst noch
bei Rubens, durch einen braunen Lack hervorgebracht worden,
welcher beim Putzen der Bilder, leicht fortgeht, so sind verschie-
dene restanrirte Bilder des Mabuse desselben beraubt und haben
daher im Fleisch jetzt ein kaltes Ansehen.

Unter den Bildern führe ich zuerst die am meisten beglau-
bigten auf.

Zn Brüssel, im Museum unter Nr. 329 aufgestellt, vor-
mals schon unter beut Namen des Mabnse in der Abtei von
Dieleghem, ein Altar mit Flügeln. Mitte: Christus bei Simon
dein Pharisäer, und Magdalena, welche ihm die Füße wäscht,
Petrus, Johannes, andere Apostel und der stehende Judas,
welcher das Thun der Magdalena tadelt. Rechter Flügel: die
Himmelfahrt der Magdalena, vorn St. Bernhard im Gebet,
ein treffliches Bitdtiiß, von warmbrännlichem Ton. Linker
Flügel: die Auferweckung des Lazarus. Nach der Architektur,
welche den schoit sehr ausgebildeten italienischen Geschmack zeigt,
halte ich dieses übrigens in den oben näher angegebenen Eigen-
schaften vortreffliche Bild für das späteste unter den mir be-
kannten Bildern des Mabnse., welche er vor der Reise nach
Italien gemalt hat.

In England in Castle Howard, dem Landsitz des Grafen
Carlisle in Uorlshire, die Anbetung der Könige. Da dieses
Gemälde schon in der alten Galerie Orleans als Mabnse galt,
mithin zu einer Zeit, in welcher man noch kein Interesse hatte,
einem Bilde, um cs zu empfehlen, fälschlich den Namen deö
Mabnse bcizulegen, und da es in allen Theilen mit beut vorigen
übereinstimmt, so dürfte wohl nicht an der Richtigkeit der Be-
nennung zu zweifeln sehn. Indem ich wegen einer näheren
Würdigung auf meine Briefe über England verweise, 1 bemerke
ich hier nur, daß dasselbe in Umfang, Reichthum der Kompo-
sition, wie in allen Theilen eins der vorzüglichsten Werke des
Mabnse ist, und nach der größeren Gediegenheit der Durch-
führung im.Sinne der van Eyck'fchen,Schute, nachdem tieferen
und satteren Ton der Färbung früher gemalt seyn möchte, als
das vorige. Endlich ist es von allen am besten erhalte».

Im Haag in der Privatsammlnng des Königs der Nieder-
lande, unter Nr. 34 mit dem richtigen Namen des Mabnse
ausgestellt, die Abnahme von, Kreuz. Mit.Ausnahme des nicht
glücklichen Motivs in dem Leichnam Christi sehr schön gedacht,
von tiefer Empfindung in.den Köpfen utid .sehr liebevoller
Durchführung. Der warme Ton ist hier noch gut erhalten.

I» Berlin im tönigl. Museum unter Nr. 573 aufgestellt

1 Kunstwerke ». s. w. Th. 2 S. 41t f.

10 M---—

> die Kreuzigung Christi. Dieses schöne Kunstwerk, welches in
Charakteren, Gefühlsweise, Landschaft und Machwerk durchaus
mit den beiden vorigen übereinstimmt, befand sich früher in
einer Kirche zu Brügge, kam dann aber in den Besitz des ver-
storbenen Sammlers, Herrn Jmbert daselbst, welcher, wie er mir
selbst erzählte, es restaurirt und bei dieser Gelegenheit den
warmen Ton ganz heruntergewaschen hat. Nur bei dem Kriegs-
kiiecht, ganz am Rande des Bildes, hat er sich noch ziemlich,
in dem daneben theilweise erhalten.

Zn München in der Pinakothek Nr. .66. Der tobte Chri-
stus von Maria, Johannes und drei heiligen Frauen beweint.
Für Hugo van der Goes ansgegeben.

Zu Antwerpen im van Ertboru'schen Vermächtnißl Maria
in ihrem Schmerz von Johannes unterstützt und von drei andern
heiligen Frauen begleitet; das Gegenstück, einige Reiter. Von
tiefer Einpfindnng, sehr edlent Geschtnack in den Gewändern
und der ganzen warmen Gluth der sehr harmonischen Färbung.
Die Verhältnisse der Figuren sind hier etwas kürzer als ge-
wöhnlich, beide Bilder wahrscheinlich Fragmente einer Kreuz-
tragung.

Zn Tournay in dem erst seit einigen Jahren angelegten
städtischen Museum. Der h. Donatianus, Schutzpatron von
Brügge, ein Rad mit Lichtern haltend. Bezeichnet: »J. Ha-
bens« i'ccit.« Kopf mit Händen. Höchst lebendig und so
meisterhaft in einem tiefen, satten Ton modellirt, daß man ein
glückliches Stndinm nach Hubert van Eyck darin erkennt.

Zu Paris in der Galerie des Louvre unter Nr. 483 als
H. Holbein aufgestellt. Die Anbetung der Könige, ein tüch-
tiges, doch minder feines Bild.

Zn Rouen im dortigen städtischen Museum, in der Mitte
thronend Maria mit dem Kinde, zunächst auf jeder Sistte ein
männlicher Heiliger, darauf je ein stehend mnsizirender Engel,
beide, zumal der rechts, von wahrhaft hinreißender Schönheit;
auf derselben Seite vier weibliche Heilige und der Stifter, ein
Bildniß eben so schlicht und einfach aufgefaßt als fleißig aus-
gesührt. Auf der andern Seite fünf weibliche Heilige., Kie meist
porträtartigen Köpfe dieser Heiligen sind von einem galkz eigen-
thümlichen und wunderbaren Reiz. Die Stoffe der Kleider sind
sehr fleißig, obwohl in einer andern Art als bei den Meistern
der rein van Eyck'scheu Schule behandelt. An den Aermeln der
einen ist ein Schillcrstoff gebraucht. Die Farben stehen ebenso
harmonisch zusammen, wie der warmbränuliche und hier beson-
ders klare Fleischten, der in den Engeln eine seltene Sättigung
und Tiefe erreicht, lleberd.em macht sich dieses wunderschöne
Bild auch durch seinen Umfang geltend, denn es dürfte etwa
7 Fuß lang und gegen 4 Fitß hoch seyn.

Die zwei höchst ausgezeichneten Flügel eines Altars in der
Jakobikirche zu Lübeck, von welchen ich in diesen Blättern aus-
führlich gehandelt habe, zeigen in jedem Betracht am meisten
Uebereinstimmung nett dem Bilde in Rouen. 1

Zu Florenz in der Galerie der Ussizi unter dem Namen
Lambert Snavio, also des Hauptschülcrs von Mabuse. Die
Kreuzabnahme, in den Charakteren am nächsten mit der Kreu-
zigung in Berlin stimmend, doch etwas später. Ein Bild von
großer Feinheit!

Zn München in der Pinakothek unter Nr. 99 der Säle
ausgestellt, der Erzengel Michael, Flügel eines Altars. Dieses
Bild möchte eins der spätesten seyn, welche Mabnse vor seiner
italienischen Reise ansgeführt hat. In dem schönen Kopf, in
der Färbung findet sich noch Verwandtschaft zu dem Bilde in
Castle Howard, weint schon letztere minder warnt ist. Ist den
überreichen Vcrziernugeu des prächtigen golduen Harnisches

1 S. den Jahrgang 1846 S. 114.
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