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Kunstblatt.

w- 9.

Dienstag den 22. Februar 1848.

Der Hochzeit,norgen und die Rose,

Oelgemälde von M. v. Schwind.

Vor Kurzem war im Kunstverein zu München ein Gemälde
von dem Professor M. v. Schwind ausgestellt, das eine unge-
wöhnliche Bewegung in der Künstlerwelt veranlaßt«. Es ist von
mäßigen Dimensionen, etwa 31/, Fuß breit und 6 Fuß hoch,
hat etwa 8 ganze und ungefähr so viel halbe Figuren in ver-
schiedene Stockwerke des Bildes vertheilt und blieb ungeachtet
der hier in der Ueberschrift genannten Beischrift, die auf ein
Gedicht zu verweisen schien, das aber Niemand kannte, den
Meisten ein Räthfel. Das Recht des Künstlers, selbst ein Ge-
dicht zu denken und zu malen, wird selten vorausgesetzt, noch
seltener zugestanden. Wollen wir dem Beschauer cs nicht zum
Vorwurf machen, wenn er eine mühelose Kunstbetrachtung ver-
langt, so soll uns gegenüber einem Werke, dem der Genius aus
den Augen blickt, die Mühe nicht verdrießen, in die Gcdanken-
gänge einzudringen, aus denen es hervorgegangen. Wir kennen
Schwind als einen an Gedanken fruchtbaren Künstler, der in
der Wahl des Stoffes sich durch die Ergiebigkeit desselben an
poetischen Beziehungen leiten läßt und der selbst aus dem klein-
sten Kiesel Funken zu schlagen versteht; auch kennen wir seine
vorherrschende Richtung, bestimmt durch die in ihm vorwaltende
Kraft des Humors, und so wollen wir uns au die Lösung des
Räthsels wagen.

Wir befinden uns (mit den Hauptfiguren) auf dem steilen
Felspfad zu einer hochgelegenen Ritterburg, deren Thor mit
Kränzen geschmückt in der Mitte des Bildes offen uns entgegen-
steht; wartende Diener im gleichgültigen Gespräch stehen und
lehnen unter dem Thorweg; vom Thurnie oben wehen Fahnen
rn die frische Morgenluft, und die Hände einiger Schloßbewohuer
Winken ins Thal hinab, aus dessen Waldung ein Trupp geschmück-
ter Reiter vorkommt, und über dem die Welt in blaue Fernen
mit Bergen und Burgen sich hinzieht und verliert. Vor uns,
oder eigentlich über uns auf dem Gemäuer des Burggartens
sitzt und steht eine Gruppe festlich geputzter Mädchen, mit sicht-
barer Spannung auf die nahenden Reiter gerichtet, denen zu
Ehren noch rasch an der Toilette der Einen, an einer Schleife
im Haar gearbeitet wird, damit sie, als die Königin des Tags,
die Braut, makellos erscheine und des auf seinem Roß stolz
ansprengenden glänzenden Bräutigams würdig seh.

Von diesen Beziehungen völlig unberührt gehen des Weges
unmittelbar vor uns Leute, die, wie ärmlich im Ganzen sie
aus sehen und wie fern, ihrem leicht erkennbaren Gewerbe nach,
der hohen Ritterburg, sich doch als die Hauptpersonen des Bil-
des, als die Träger der poetischen Idee des Ganzen darstellen,
ohne welche das sonst so reizende Fest der Liebe uns heute wenig
kümmerte. Es sind Musikanten, arme Dorfmusikanten, geladen
zur Burg, mit Dudelsack und Geige, Fagot, Zither und Brumm-
baß, der etwa stockenden oder strauchelnden Lust aufzuhelfen.

Es ist das Wesen der Phantasie und ihrer Untergebenen,
der Künstler, die ganze Welt auf sich zu beziehen, als ans deren
Mittel- und Höhenpunkt, und wie bei Eichendorfs „Dichtern und

ihren Gesellen" die Schauspiclcrtruppe mit Kordelchen auf dem
Wege zum Schlosse des Fürsten, der die Langeweilevertreiber cin-
geladen, von nichts träumt und spricht als von der gespannten
Erwartung des Hofes auf sie (worin sie sich so bitter täuschten),
so sehen wir auch hier unsere Künstler im Besitz der ersten
Rollen, und nicht allein nach des Malers, sondern auch nach
ihrer eignen Meinung.

Woraus geht ein ziemlich Wohlbeleibter, gebückt unter der
Last seiner Baßgeige; wir sehen ihn nur von hinten, errathen
aber doch an seinem Eifer seine Sorge, nichts zu versäumen,
vor Allem keinen Vortheil; denn große musikalische Sorgen
scheint er nicht zu haben. Ihm folgt sein Kollege mit dem
Dudelsack, ein redendes Abbild der theucrn Zeit und schweren
Noth. „Daß man nicht leben kann ohne die verwünschte Musik,
und selber mit ihr nur so kümmerlich, daß Frau und Kinder
daheim Brodrinden kauen mochten, wenn sic sic nur hätten, das
ist eben der Jammer," und man sicht es dem Manne an, daß
Tag und Nacht Alles an ihm piept und knurrt, wie sein Dudclsack.

Nun kommen zwei. Der rechts mit der Zither über der
Schulter, mit der rothen Nase, den glänzenden Augen, dem
versoffenen Maul, kennt keine Sorge, gar keine, weder künst-
lerische noch bürgerliche; so lange es noch volle Krüge in der
Welt gibt, hat er keinen leeren, einen Schatz wird cö sonst auch
noch für ihn geben im Schloß, wenn er die Zither zur Hand
nimmt. Lustig leben ist ihm allein Leben, und da ihm die
Musik dazu verhilft und selber lustig ist, so ist sie sein Fach.
Dieser Standpunkt ist seinem Nachbar, einem kleinen buckligen
Violinisten offenbar zu niedrig und er sucht den langen Zither-
spieler zu sich emporzuheben. Zwar ist es sehr die Frage, ob
er auf seiner Geige das leistet, was Bruder Liederlich auf der
Zither, aber sein Standpunkt ist ein höherer, reinerer, idealischerer;
er spricht von der Würde der Kunst, von der moralischen Gewalt
der Töne, von Beethoven, Mozart, Händel, für was Alles der
Zitherspieler freilich nur ein unzugängliches Lächeln bereit hat.

Aber ist denn nichts Ordentliches.in der Gesellschaft? Lauter
Gesindel? Endlich kommt ein Künstler, ein wahrer, ein Genie!
Gewiß nicht ohne Absicht geht er am Schluß, abgesondert von
den wilden und rohen Gesellen, die ihn doch nicht verstehen.
Das ist die dichterische Seele, an der kein Vogel vorüberfliegt,
ohne ihm einen Gruß aus Hesperiens Fluren zuznflüstern, die
kein Posthorn hört, das ihr nicht einen Fürsten zuführt, welcher
sich nach einem wahren Künstler sehnt, und die nicht zwei La-
ternen neben einander brennen sehen kann, ohne die Harmonie
der Sphären zu hören. Stilles inniges Entzücken hat sich seiner
bemächtigt, wie er gesenkten Blickes voll Träume des Weges
geht. Eine Rose, die eine der Mädchen auf der Mauer beim
Kranzsiechten hat hernnterfallen, oder vielleicht auch muthwillig
herunterstiegen lassen, und über welche die Andern gleichgültig
oder blind hinübergeschritten, sieht er. Das ist keine Rose mehr,
das ist ein Zeichen des Glücks und der Liebe, von der Schönsten
und Reizendsten ihres Geschlechts für ihn auf den Weg gelegt, der
Willkommgruß, die ausgebreiteten Arme, das klopfende Herz,
! die Seligkeit, zu der er sich in stummer Wonne herabläßt. So
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