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79 ©STS'~

@6eit so wenig Witt ich bei der sogenannten Basilika von
Vicenza verweilen, die der Vers, als sein Muster einer römischen
Basilika hinstellt, die aber sicherlich ein mittelalterliches Gebäude
ist. Weiter konnte sich wahrlich der Vers, nicht verirren. Denn
das Gebäude ist zweistöckig, hat in dem untern Stocke offene
Hallen, in dem Saale des ober» aber keine Säulenreihen oder
Schiffe, so daß sich durchaus nichts findet, was nur entfernt zu
dem Namen einer Basilika hercchtigt.

Somit ist denn dem ganzen System des Vers, die Haupt-
stütze entzogen. Denn der größte Theil seiner übrigen abweichen-
den Ansichten ist durch diese Voraussetzung des Mangels der
Absis bedingt. Im engsten Zusammenhang damit steht die Mei-
nung über die Verschiedenheit der christlichen Basilika von der
römischen. Denn obwohl der Vers, die Aehnlichkcit mancher
Theile, die Uebercinstimmnng dcö Namens nicht längnen kann,
so will er doch beweisen, daß die Christen nicht die Römer nach-
geahmt, sondern ihre Basilika aus ihrem eignen Geiste geschaffen
haben. Betrachten wir diese Unterschiede: »Die Säulenhallen
umschließen in der römischen Basilika den ganzen Mittlern Raum
auf allen vier Seiten; die Christen haben Säulen nur auf zwei
Seiten." So ist es freilich in den meisten Fällen; doch haben
wir zwei sehr alte Beispiele, tvo der Porticus sich auf drei
Seiten findet: S. Agnese und den altern Theil von S. Lorenzo
fuori le mura. Die vierte Seite ist allerdings stets durchbrochen,
und hierin erkenne auch ich einen Unterschied, der dem eigcu-
thümlichen Geiste des Christcnthumö verdankt wird. Die römische
Basilika hatte den doppelten Zweck, für Handel und Gericht zu
dienen. Auch die Christen hatten zwei gesonderte Räume, für
die Gemeinde und für die Geistlichkeit; allein der Kultus for-
derte, daß zwischen beiden ein Vercinigungöpunkt sey, der Altar.
Wo konnte dieser schicklicher sehn, als wo früher die Gränze, die
Scheidung war? Das Wegfallen der Säulen an der vierten Seite
also ist der wesentliche Unterschied des christlichen und römischen
Baues, geistig gewiß von größter Bedeutung; für die Architektur
aber von so geringem Gewicht, daß alles Uebrige dadurch so gut
wie gar nicht beeinträchtigt wurde. Denn ob das Dach der
Nebenschiffe sich rings um das Mittelschiff hcrumzog, oder nur
auf zwei oder drei Seiten, ist eine Aeußcrlichkeit ohne Bedeu-
tung. — „Bei der römischen Basilika lag der Haupteingang ge-
meiniglich an einer der langen Seiten, die einem öffentlichen
Platz zugewandt war; bei der christlichen an der schmalen Seite."
Allerdings lag der Eingang der Basilika Ulpia an der Längen-
seite, vielleicht noch tust mehreren andern. Aber daß dieß die
Regel war, wird der Verf. nimmer zu beweisen im Stande
sehn. — „Chalcidiken sind nur den Römern eigen, Atrium, Ve-
stibulum, Cantharus nur den Christen." Chalcidiken, loggien-
artige Vorhallen, haben noch mehrere der christlichen Basiliken
in Rom, wenn auch vielleicht in etwas anderer Gestalt als die
Alten; Atrium und Vcstibuluni aber gehören gar nicht zur Ba-
silika im architektonischen Sinne, sic sind selbstständige Vorbaue;
der Cantharus nun gar ist etwas rein dem Kultus angehöriges.
— Das Querschiff ferner ist der christlichen Basilika nicht so
eigenthümlich, daß es sich nicht schon bei der Basilika Ulpia fände.
Was nun endlich gar die Proportionen anlangt, so wäre es
thöricht in den Zeiten tiefen Verfalls zu erwarten, daß man
die Regeln beobachtet, welche die Blüthezeit anfgestellt.

So lösen sich die Differenzen und cs bleibt eine unzweifel-
hafte Ucbercinstimmung der Konstruktion, zu der sich endlich noch
die Uebereinstimmung der Benennung gesellt. Auch hier sucht
der Verf. Ausflüchte. Denn da er die Absis der römischen
Basilika geläugnet, so bleibt ihm kein Ausweg, als das Eigen-
thümliche und Unterscheidende dieses Baues nur allein in der
Ueberdachung des Mittelschiffes zu finden. Da nun die christliche
Basilika hierin mit der römischen übereinstimme, so könne wohl

| der Name übertragen seyn, ohne daß damit das Ganze als ab-
geleitet zu betrachten sey. Hierzu komme, daß auch bei den
Christen sich der Name Basilika im engern Sinne nur auf das
Mittelschiff zu beziehen scheine. Allein dieß beruht wiederum auf
einer falschen Interpretation. Konstantin schreibt in einem Briefe
an Macarins über den Ban der Kirche zu Jerusalem (Lusc-li.
Vit. Lon8l. III, 30), er möge dafür Sorge tragen: ov iiüvov

ßaöiliy.rjv rav dvravrayov ße/.riova, d/J.ä y.a'i rd Xourd roir-
avrn ynkoOai, cog rrta ra tu scp ky.dörr/g y.(x)-)j6rtvovra m'i—
Xeag vHo rov y.riöuarog rovrov vixaiSdai. Dieß erklärt der
Verf., daß hier rd Xoicrd dem Worte ßaad.ixrj, die übrigen
Theile dem Mittelschiff entgegengesetzt seyen, während es nicht
anders als so verstanden werden kann: daß nicht nur der Bau
als Basilika alle verwandten Bauten, nämlich Basiliken übertreffe,
sondern auch im klebrigen von solcher Pracht werden solle, daß
alle andern Bauwerke, nicht bloß Basiliken, dadurch besiegt wür-
den. Wenn cs aber heißt, nachdem von den Mauern und Säulen
die Rede gewesen ist: rin* Sk rfjg ßatSiXixtjg y.auä<pav..., so
würde hier ßatSiXm} nur dann für Mittelschiff genommen werden
dürfen, wenn dem Dache desselben die der Seitenschiffe entgegen-
gesetzt würden; an und für sich heißt es nur: das Dach, das
große Dach der Basilika. Wie schwankend überhaupt der Aus-
druck ist, sieht man deutlich in der oben angeführten Beschrei-
bung der Kirche von Tyrus, wo die Worte: rov Sk ßaäiXuov
ol/.ov wXovtftarkpaig jjSij y.ai SmptXkth ratg vXatg dyvnov vom
Verf. sowie von Bimsen wiederum bloß auf das Mittelschiff be-
zogen werden. Bald nachher heißt es aber, die Ercdrä seyen
angefügt dg irXevpd ra ßatStXdn, wo offenbar nur das Ganze,
nicht das Mittelschiff verstanden seyn kann. Und so werden wir
auch in der ersten Stelle deil ßaöiXewg olxog bcyer als den ganzen
innern Raum auffassen, der sich durch Reichthnm des Schmuckes
vor den vorher beschriebenen Vorbauten u. s. w. auszeichnete.

Somit wäre das System des Verf. über Grundcharakter und
gegenseitiges Vcrhältniß der römischen und christlichen Basilika
als unhaltbar nachgcwiescn und dadurch die jetzt fast allgemein
gangbare Ansicht wieder in ihr volles Recht eingesetzt. Es bleibt
nun freilich noch eine zweite Aufgabe zu erörtern, nämlich das
Vcrhältniß der römischen zur griechischen Basilika, zwischen denen
der Verf. wiederum allen Zusammenhang läugnet. Doch bekenne
ich hier, den Streit nicht weiter führen zu wollen, indem ich
»»ich einestheils in manchen vom Verf. angeregten Fragen, wie
z. B. der Topographie der athenischen Pnyr, nicht hinlänglich
vorbereitet fühle, andcrntheils, was die architektonischen Punkte
anlangt, aus der Behandlung dcö Verf. sehe, wie die'faktischen
Grundlagen zu gering sind, um aus dem Streite ein gesicher-
tes Resultat hoffen zu können. Ich lasse also diese Fragen für
jetzt ruhen in der Hoffnung, daß auch hier einst Ausgrabungen '
das nöthige Licht gewähren werden. Nur will ich bemerken, daß
der Verf. nach dem von ihm entworfenen Grundplan der atheni-
schen Königshalle den Zusammenhang mit der römischen Basilika
nicht so heftig hätte längnen sollen, indem sich hier der römische
Bau fast in allen Theilen vorgebildet findet, selbst bis auf-di«
Absis, welche an der Stelle der vom Verf. angenommenen Tri-
büne architektonisch nur vortheilhaft und dem Gebrauch völlig
angemessen erscheinen würde.

Endlich was den Namen der römischen Basilika anlangt,
kann ich mich nicht mit-dem Verf. überzeugen, daß die Römer
den Catonischen Bau bloß wegen der Pracht mit einem damals
gebräuchlichen Frcmdworte die königliche, d. h. die Prachthallc
genannt hätten. Denn zunächst bliebe eö unerklärt, wie dieser
Name, der das innere Wesen des Baues nicht entfernt berührt,
auf alle ähnlichen ohne Weiteres übergetragen werden konnte.
Bedenken wir ferner, daß basilica nie bei den Römern als
Adjektiv mit poi'livuZ verbunden, sondern immer substantivisch
Register
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