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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 29.1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.3220#0090
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•^*22® 84

kürzlich aufs Glücklichste gereinigt worden, in einer Weise, daß
dem Beschatter die volle Frische der Originalität, unverletzt und
ohne irgend eine störende Retouche, entgegentritt.

Durch Herrn Direktor Reindel zu Nürnberg, der sich
schon vor einigen Jahren durch seinen Stich nach den vier Apo-
steln Dürer's den Dank aller Freunde deutscher Kunst erworben
hat, ist neuerlich ein Stich nach dem Bilde Karls des Großen
gearbeitet und so eben vollendet worden. Der Stich ist etwas
über 17 Zoll hoch und 9*/, Zoll breit. Er führt uns, soweit
das überhaupt ohne Farbe thunlich ist, das majestätische Bild in
seiner ganzen wundersamen Wirkung gegenüber. Der Kaiser,
etwas mehr als halbe Figur (die, wie unterwärts, so auch zu
den Seiten durch die Einrahmung abgeschnitten wird), steht auf-
recht vor deni Beschauer da, freilich aber nicht, um irgendwie
die Fülle einer mächtigen körperlichen Organisation zur Anschauung
zu bringen, sondern zunächst offenbar, um durch den mystischen
Schimmer jenes altgeheiligten Ornates die Sinne des Beschauers
gefangen zu nehmen. Die schweren Stoffe der Gewandung fallen
kaum in Falten nieder; dazu sind sie fast über und über, ebenso
wie das anderweitige Schmuckgeräth, mit Steinen, Perlen und
Stickerei bedeckt. Von der leichter stofflichen Alba wird fast
nichts, als nur ein wenig von den weißen Aermeln sichtbar.
Mehr schon von der mäßig gestickten Dalmatica und von dem
Gürtel, der dieselbe umschließt. Doch auch sie ist bedeckt von
der breiten glänzenden Stola, die sich über der Brust kreuzt und
voll niederwärts fällt, und von dem schweren Mantel, den die
Spange am Halse zusammenhält. Die Hände, mit reich verzier-
ten Handschuhen bedeckt, halten das alte Schwert und den Reichs-
apfel. Ilm das Haupt zieht sich die Krone, deren einzelne Schilder
mit kleinen Reliefdarstellungen oder mit Steinen geschmückt sind.
Den phantastischen Eindruck zu erhöhen, neigen sich oberwärts
in dem schwarzen Grunde des Bildes, zu beiden Seiten des
Hauptes, noch zwei Wappenschild« gegeneinander, mit dem Adler
Deutschlands und den drei Lilien Frankreichs. Nur das Gesicht
des Kaisers zeigt uns die naive Bildung der natürlichen Form.
Es ist nichts von dem darin, was man mit dem Worte „ideal"
zu bezeichnen pflegt, vielmehr eine gewisse genrchaft realistische
Auffassung. Wohl aber gibt ihm der zugleich breite und gestreckte
Knochenbau des Kopfes, das entschieden feste Vorwärtsblicken des
Auges, der Trotz der Unterlippe, verbunden mit der majestäti-
schen Eleganz in Haupthaar und Bart einen sehr eigenthümlichen
und charakteristischen Reiz. Dürer hat die Poesie des alten Kaiser-
ornates in diesem Kopfe vortrefflich zu konzentriren, ihn meister-
haft zum Träger der Gcsammtidce des Bildes zu machen gewußt.

Auf der einfachen Einrahmung, die der Kupferstecher eben-
falls gestochen hat, lesen wir, mit mittelalterlichen Buchstaben,
die Inschrift:

Dis ist der gestalt vnd hillnus gleich
Kaiser Karins der das Kemiseli reich
Den teitschen vndcr tenig macht
Sein krön vnd klaidung hoch geacht
Zaigt man zu Nurenberg alle Jar
Mit andern hallum (HeiligtHmn) offenbar.

Die Aufgabe, diese ganze phantastische Pracht, dabei in der
Haltung Dürerffcher Malerei, im Kupferstich wiederzugebe», war
eine sehr eigenthümliche; es genügt aber, Reiudel's Namen zu
nennen, um damit zugleich ihre meisterhafte Losung zu bezeich-
nen. In all den reichen Details aufs Genaueste durchgeführt,
hat das Blatt eine malerisch-harmonische Gesammtwirkung, die
das Auge in wohlgefälligster Weise berührt. Der Charakter des
Kopfes ist mit dem vollen Verständniß Dürer'scher Ausdrucks-

Weise wiedergegeben, die Eleganz des Haarwuchses aufs Sorg-
fältigste nachgebildet. Das Blatt vermehrt in überaus schätzbarer
Weise den immer noch kleinen Kreis von Publikationen aus der
Blüthezeit unserer alten vaterländischen Kunst, und wie Herr
Reindel sich hiemit aufs Neue die Freunde der letzteren zu leb-
haftestem Danke verpflichtet hat, so wird ihn auch schon in der
Stille der Arbeit selbst der Dank des alten Meisters umschwebt
haben.

F. Kugler.

Nachrichten vom März.

Persönliches.

Hofrath Dr. Schulz in Dresden ist der von ihm, nach seiner
Beförderung zum Vorstand der Erpedition der königl. Sammlungen
für Kunst und Wissenschaft, seither noch beibehaltenen Direktion des
königl. Münzkabinets enthoben und der bisherige Collaborator an
der Kreuzschule daselbst, Dr. I. G. Th. Graste, zum Inspektor
dieses Kabincts ernannt worden.

Dombaumeister Zwirner in Köln ist von dem königl. Institut
der Architekten in London zu seinem Ehrenmitglied ernannt worden.

Der Maler F. Krumpholz von Hof in Mähren hat das
Ritterkreuz des königl. portugiesischen Christusordens erhalten.

Der bekannte neapolitanische Archäolog, Abate Jorio, hat den
preußischen Rothen Adlerordcn zweiter Klaffe erhalten.

In die von dem jetzigen Ministerium errichtete Oberbehörde
j für Hebung der Nationalmannfakturen der Gobelins, zu Beanvais
> und SevreS, sind der Historienmaler Paul Dclarochc, der Btld-
I Hauer Klagmann, der Archttcktnrmaler Sähan und der Architekt
! Fcuchöre berufen worden.

Eine von einer großen Zahl von Schülern des Malers David
j nnterzeichticte Petition ist bei dem Ministerium der auswärtigen
Angelegenheiten zu Paris cingercicht worden und fordert die Zurtick-
fnhrung der sterblichen Ucbcrreste des großen Meisters, die im Eril
| zu Brüssel bestattet worden sind, nach Frankreich. Unter den Unter-
zeichnern finden sich die Namen von Ingres, David von Angers,
Abel de Pnjol, Couder, Dumont, Drolling re.

j_

Bei mir ist erschienen und in allen Buch- und Kuusthand--
lungeu zu erhalten:

Nürnberger BiLdhauerwerke

des Mittelalters.

In drei Abtheilungen: t. Marienbilder. II. Christus-
bilder. III. Skulpturen von Schouhofer und Fischer.

Für Bildhauer, Maler und alle Freunde
deutscher Kunst

gezeichnet, gestochen und mit kurzen Notizen heranSgegcbe» von

Friedrich Wagnerl

Tcrt in deutscher, srnnzöstsch er und englischer Sprache.

Mt 30 Kupfertafeln.

Groß-Quart-Format. Geh. Preis für die 3 Abtheilnngcn:
Abdrücke auf weißem Papier 8 st. Abdrücke auf chinesischem Papier
j tO fl. 48 kr.

Es kann dieses Werk, das mit dem dritten Hefte geschlossen
ist und über dessen Werth Kritiken und die größten Meister der
Bildhauerkunst, wie dicProfeffvrenRauch und Schwanthaler,
auf das rühmlichste entschieden haben, allen Künstlern und Kunst-
freunden mit vollem Rechte empfohlen werden.

Nürnberg, im Dezember 1847.

Konrad Geiger.

Unter Mitwirkung von Dr. Ern st Förster in München und Dr. Franz Kugler in Berlin, und unter Verantwortlichkeit der

I. G. Cotta'schen Buchhandlung.
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