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Kunstblatt.

Htr 22

Kunstnachrichten aus Paris.

Dem Bericht eines Augenzeugen im Journal Art-Union
entnehmen wir folgende Schilderung, die über die Stellung der
Kunst zur Revolution einigen Aufschluß geben kann.

„Wir befanden uns unter den Ersten," sagt er, „in den
Tuilerien nach der Flucht des Königs. Im Vorzimmer der Her-
zogin von Orleans stand ein angcfangenes Bildniß in Lebens-
große von ihr, dabei ein Fauteuil, als ob eine Sitzung anberaumt
gewesen. Ein Bürgersoldat hatte sich als Schutzwehr daneben
gestellt, das vorüberziehende Volk zog den Hut und rief: »Vive
la Duchesse d’Oiieans!« Auch in den Zimmern von Aumale
und Montpensier wurde den Kunstwerken volle Achtung erwiesen.
Selbst in den Staatszimmern und im Thronsaal, wo bereits
der Aufruhr tobte und die Marseillaise wie ein Orkan brauste,
schonte man die Werke der Kunst, mit Ausnahme von zweien,
die der politischen Leidenschaft verfielen. Das Bildniß des Mar-
schalls Bugeaud wurde von seinem Platz genommen und die
Büste Guizot's zum Fenster hinausgeworfen. Zn den Privat-
zimmern des Königs, wo eine Anzahl Leute aus dem Volk mit
dem für die Majestät bereiteten Frühstück beschäftigt war, wollten
wir ein Bildniß Louis Philipps von der Wand nehmen, als ein
donnerndes „Halt!" uns entgegengerufen und mit: „das ist
jetzt Eigenthum der Nation!" das Bild geschützt wurde. —
Die Thüre zur großen Galerie des Louvre war offen; die Menge
wälzte sich hinein; keinerlei Beschädigung fiel vor; nur ein kleines
holländisches Gemälde kam durch ein Weib abhanden. Im Palais
royal hingegen wurde vieles verwüstet, namentlich die Gemälde
aus dem Leben Louis Philipps; in Neuilly und in Versailles
ward kein Kunstwerk verletzt.

„Die Interessen der Kunst zu wahren, wurde am 29. Febr.
eine Deputation an die provisorische Regierung geschickt mit dem
Anliegen, daß eine Generalversammlung der Künstler zur Bil-
dung einer Kommission festgesetzt werde. Die Generalversamm-
lung kam zn Stande und gewann, obschon unter babylonischer
Sprachverwirrung, Ingres zum Präsidenten, Delacroir zum Vice-
prafidenten eines neuzubildenden Künstlerklubs, der unter dem
Namen »Lociele des arls« an die Stelle der mit der Monarchie
gefallenen Jury trat. Das erste Gebot der Regierung der „Gleich-
heit und Brüderlichkeit" ist, daß kein Werk der Kunst, das zur
Ausstellung eingesendet wird, zurückgewiesen werden darf, und es
bleibt somit der Kommission fürs Erste nur übrig, Mittel, und
Raum zu schaffen, fünftausend dreihundert Gemälde an
den Nagel zu bringen. (Ob Herr Louis Blanc sich der Künstler,
als Arbeiter, annehmen und ihnen den Absatz ihrer Arbeit
garantiren wird, ist nicht bekannt.) Der Louvre heißt wieder
einmal: Musee National; die hölzerne Galerie für die Ausstel-
lungen ist zerstört; dennoch soll die Ausstellung sogleich eröffnet
werden. Die Kartons von Ingres für die Glasfenster der Kapelle
zu Dreur sind aus dem Lnrembourg entfernt worden, weil Bild-
nisse der königlichen Familie darin Vorkommen. Die Statue des
Herzogs von Orleans von Marochetti im Hofe des Louvre
wurde weggenommen und in Sicherheit gebracht. Bereits am

Donnerstag den 4. Mai 1848.

18. März brachte der Bildhauer Clesinger eine kolossale Büste
der „Freiheit" ins Stadthaus, welche angenommen wurde. Am
10. März gab Lehmann ein lithographirtes Bildniß Lamar-
tine's heraus.

„Bei der Kommission der Künstler sind eine große Anzahl
Skizzen cingereicht worden zur würdigen symbolischen Darstellung
der neuen Republik. Drei davon werden durch eine Jury zur
Ausführung gebracht. Auch eine Medaille zum Gedächtniß des
großen Ereignisses ist im Werke. Ein Gemälde von Delacroir:
„die Freiheit auf den Barrikaden" und die römische Orgie Von
Couture sind im Lurembourg aufgestellt worden. Im Garten
hinter dem Palast der Deputirtenkammer wird eine Statue der
Freiheit aufgerichtet, auf dem Postament, das Vor 1830 Ludwig
XVIII. und seitdem nichts zn tragen hatte.

„Die Ausstellung ist eröffnet. Sie ist ein unbeschreibliches
Gemisch von reinem und unreinem Gethier, ohne ihres Gleichen
in der Geschichte der Kunst, und das sprechendste Denkmal der
Pariser Revolution von 1848." cf.

Literatur.

Geschichte der bildenden Künste bei den
christlichen Völkern, vom Anfang unserer
Zeitrechnung bis zur Gegenwart. Von Gott-
fried Kinkel. Mit 28 auf Stein gravirten Tafeln.
Erste Lieferung. Die altchristliche Kunst. Mit 8 Tafeln.
Bonn, Verlag von Henry und Cohen. 1845. 240 S.

(Schluß.)

Wie Kinkel die Entstehung der Basiliken zu äußerlich an-
nimmt und sie nicht dem schöpferischen Geiste des Christenthums,
nur dem mechanisch verändernden Bedürfnisse zuschreibt, so ist
er auch gegen den ausgebildeten Styl ungerecht. Wenn Maria
Maggiore im Zauber der jährlichen Weihnachtsbeleuchtuug keinen
religiösen Eindruck, .sondern den eines festlichen Gesellschaftssaalcs
in wonniger Lebenslust klassischen Götterdienstes macht (S.70, 71),
so wird daran nicht der Bau selbst, sondern seine Neberfüllung
mit Blumengewinden, Teppichen und Lichtern schuld seyn, und
gewiß ist durch solche äußerlich blendende Schmückung auch eine
gothische Kirche so zu mißhandeln, daß sie einem weltlichen Fest-
orte ähnlicher ist, als einem geistlichen. Wir können nicht zu-
geben, daß „wie die ursprüngliche Form des ganzen Gebäudes
heidnischer Erfindung angehvrte, so auch die Christen mit ihm
noch nicht über das Heidnische herauskamen, und die Basilika
in ihrer zur Pracht erhobenen Zweckmäßigkeit vollkommen befrie-
digt auf ein Höheres, Unendliches so wenig hindeute, wie der
hellenische Tempel" (S. 71). Solche Unterschätzung kommt von
der gebräuchlichen Ucberschätzung der später« christlichen Style,
besonders des gothischen. Man mag letzter» die höchste Leistung
des mittelalterlichen Kirchenbaus nennen, die höchste des christ-
lichen ist er mit seiner einseitigen Richtung nach oben, mit seiner
asketischen Uebervergeistigung nicht. Oder sollen wir zugeben,
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