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"'v^e® 166


wenn man die durch Prange inv Deutsche übertragene und viel-
fach benutzte französische Anweisung zur Oelmalerei von Bouvicr
betrachtet, in welcher vorgeschrieben ist, jedesmal, wenn nur
ein Porträt gemalt werden soll, über 120 Tinten (!!) ans
die Palette zu setzen, und diese Mischungen nun, so wie
der Mosaieist seine Farbenstifte nach der Schattirung
wählt und zusammensetzt, mit dem Pinsel, wie es Licht
Und Schatten fordern, neben einander hinzustreichen
und nur sehr wenig mit dem Borstpinsel selbst zu verbinden;
dasselbe saubere Verfahren auch bei der liebermalung zu wieder-
holen tt. s. w., oder wenn man nun gar die Acußernng eines
andern einflußreichen Künstlers vernimmt: der junge Künstler
brauche bloß seine Materialien kennen zu lernen, in allem
klebrigen aber müsse er sich selbst überlassen blei-
ben; jeder Anfänger, der zum Malen übergehe, male
(aber!!) lange kalt, trübe, grau und undurchsichtig,
bis er nach und nach zu einer besseren Ueberzeugung gelange u. s. w.

Bouvier's Anweisung und ein vom Herrn ». Quandt ge-
fälltes Nrtheil, in welchem gleichfalls auf das weit einfachere und
erfolgreichere Verfahren der Alten zurückgewiesen wurde, ver-
anlaßten mich zur Aufsuchung eines ungleich bequemeren, weniger
zeitraubenden und sichereren Weges als der von Bouvier be-
zeichnet!! ist, und bei diesem Suchen haben mir Goethe's Farben-
lehre und der Artikel über dieselbe in Nr. 5 des Kunstblatts von
1820 die besten Dienste geleistet.

Das begonnene Unternehmen weit mehr als bisher zu for-
dern bin ich jedoch erst alsdann im Stande, wann zuvor mein
heißester Lebenswünsch, den Rest meines Lebens ausschließlich
der Malerei widmen zu können, endlich in Erfüllung gegan-
gen seyn wird; zu welcher Erfüllung ich übrigens nunmehr
alle Hoffnung habe, nachdem durch die jüngsten großen Zeit-
ereignisse auch meinem Vaterlande Kürheffen ein neuer Tag
angebrochen ist, der gewiß auch die einheimische Kunst zur fröh-
lichsten Blüthe treiben wird.

Was ich über meine, nach Goethe -c. bereits im Allge-
meinen gebildete, aber von mir selber auch erst noch im
Einzelnen weiter auszubildende Malweise zur Zeit vorerst
nur beiläufig sagen konnte, das habe ich in meinen beiden
herausgcgebcncn Schriften ' mitgethcilt, und schon von dem in
der ersten (von 1839) darüber einstweilen Mitgethcilten hat n. A.
Herr Stein ko Pf in Stuttgart bei einem ausgezeichneten Ge-
mälde für die Erbprinzessin von Oranten einen rühmlichen ver-
suchsweisen Gebrauch gemacht, wie aus folgenden Worten im
Kunstblatte vom 10. Sept. 1839 hervorgeht: „Der Künstler hat
sich dabei der Harzmalcrei nach dem Werke von Knirim bedient.
Der Versuch ist meisterhaft gelungen. Das Bild hat
eine Kraft, Klarheit und Wärme, die zur besten
Rechtfertigung des neuen Verfahrens gereichen."

In der Einleitung, S. 1 und 2, behauptet Herr Hundert-
pfund: alle Diejenigen, welche vor ihm über Malerei geschrie-
ben, hätten, was die Hauptsache sey, den richtigen Grund-
stein dazu (das Naturgesetz der Farbenforderung) gar nicht *

* Die nämlich hauptsächlich erst nur das Farben bindc-
mittel betrafen, als mit welchem man, nm ganz frei und sicher
malen zu können, vor alle» Dingen im Reinen seyn mußte,
besonders bei der vortheilhafkcsten Behandlung mit Gegensatz- und
Lasurfarben nach dem Borgang der beste» alten Meister. Die
Titel beider Schriften sind: A. Die Harzmalcrei der Alten. Leipzig,
<839, bei Friedrich Fleischer. ir. Die endlich entdeckte wahre
Malertechnik des klassischen Altcrthnms und des Mittelalters, sowie
die neu erfundene Valsamwachsmalerci oder wesentlich verbesserte
LucanuS-Kniriin'sche Harzmalerei. Nebst einer vollständigen Lösung
des Problems der alten Enkanstik und der angeblich alten Fresko-
malerei. Leipzig, 1815, bei Fr. Fleischer.

gefunden. Hierauf entgegne ich: Goethe ist und bleibt wenigstens
unter den Neuern der erste Erfinder desselben.

Wirklich hat schon vor 37 Jahren Goethe in seinem, „dem
Maler zu Liebe" geschriebenen Werke „Zur Farbenlehre" (von
1810) wissenschaftlich gründlich gezeigt, daß auch bei den
Farben ein Hüben und Drüben, ein Oben und Unten, ein Zuvor
und Hernach, eine Vertheilung, eine Vereinigung, kurz, ein
Gegensatz statthabe, und zwar in einem hohen, mannigfaltigen,
entschiedenen, belehrenden und fordernden Sinne.' Insbesondere
hat er, unter Mittheilung eines illuminirten Farbenkreises, in
der sechsten Abtheilung deutlichst hingewiesen auf die natur-
gemäße Harmonie der sich einander fordernden, der
sich gegenseitig entsprechenden Farben, die sich zuletzt
auf drei einfache Gegensätze zurückführen lassen:

Gelb fordert Rothblau,

Blau fordert Rvthgelb,

Purpur fordert Grün,

und umgekehrt; wobei man drei Stamm-, Ur-, Grund- oder
Hauptfarben anzunehmen genöthigt wird. (Farben!. §809 u. 810.)

Und der ungenannte Verfasser der vortrefflichen „Be-
merkungen über das Kolorit in Bezug auf Goethe's Farbenlehre"
in Nr. 5 des Kunstblatts von 1820 hat die von Goethe im § 885
geäußerte individuelle unpraktische Ansicht, 2 daß das harmonische
Kolorit oder die eigentliche harmonische Wirkung nur alsdann
entstehe, wenn alle Farben neben einander im Gleichgewicht
angebracht sehen, stillschweigend berichtigend durch ein über-
zeugendes, auf jenen großen Fund Goethe's theoretisch gegrün-
detes, meisterhaft-praktisches Beispiel gleichfalls längst dargethan,
daß diejenigen Farbcngegensäße, woraus immer eine Totali-
tät der Farben oder die allgemeine völlige Harmonie
des Kolorits (zu welchem letzteren ja höchst wesentlich auch die
Schatten gehören) entsteht, ^ ganz einfach, leicht, sicher und
vollständig in die zu impastirende oder undurchsichtige hellere
Untermalung und in die lasirend oder durchsichtig auszuführcnde
dunklere Ucbermalung der Schatten gelegt werden können;' * 2 3

‘ Bergt, den deßhalbigen Lobspinch in Prof. Joh. Tobias
Ma I) er'S Nakurlehbe, unter der Uebcrschrift: „Theorie der Farben"
und Falk's „Erstes Settdschreibeti über die Gorthc'schc Farbenlehre"
vom 20. August 1810 in dem Kunstblatte, sowie im Allgemeinen
auch Ur. Clemens' Lobrede tu den Neu. 209 bis 213 des Morgen-
blalts von 1817.

2 'Mit welcher das von ihm erforschte und obeti angeführte,
feststehende Naturgesetz — der Farbenforderung zur Harmonie —
aber ja nicht zu verwechseln ist.

3 Es gibt auch solche Farbcngegcnüberstellnngen (Gegensätze),
woraus gewöhnlich keine, tttid selbst bei freien Kompositionen nur
höchst selten oder nie eine Totalität oder Versammlung aller
Farben im genauesten Gleichgewicht entsteht, nämlich die, nur
neben einander Vorkommen könnenden Lokal färben,
welche, weil sic dem Orte und den Gegenständen ange-
hörc», nicht beliebig abznändcrn stehen und doch unendlich ver-
schieden Vorkommen; die übrigens aber auch schon vollkom-
men befriedigen, tut utt si e nur natürlich, den Formen
angemessen sind, und welche, falls sic auch einander ganz wider-
streiten, durch eine künstliche Beleuchtung oder thcilweife
Beschattung dennoch in H a rmo n i e zu br i ngcn oder erträg-
lich zu machcn sind.

' Die Möglichkeit einer v ol I st ä iidi g e tt Schattcnbil-
dnng mit eigentlichen Farben (ohne Schwarz) erklärt Goethe,
die Farben Halblichter, Halbschatten nennend, im § 559 so:
„Die znsamincngksetztcn Farben tragen ihr Dunkles in die Milchling
über. Je dunkler die Farben sind, ^desto dunkler wird das entstehende
Gran, welches zuletzt sich dem Schwarzen nähert. Zc heller die
Farben sind, desto heller wird das Gran, welches zuletzt sich dem
Weißen nähert." Bei der Znsainmensctznng der Farben znm Schatten-
dnnkel macht es aber noch einen gewaltigen Unterschied, ob dieselbe
durchsichtig oder undurchsichtig geschieht. Gegen das ans einer durch-
sichtigen Mischung derselben hervvrgehende kraftvolle, tiefe, klare
Dunkel erscheint das ans einer undurchsichtigen Mischling er-
langte Schwarz oder Gran nur wie ein Schmutz.
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