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Der rüstige Künstler, dem nichts ferner liegt als moderne Sen-
timentalität, wirkt stets erfreulich. Besonders anziehend waren
mir dicßmal ein paar kleinere Bilder. Das eine von diesen,
„stumme Liebe," stellt ein junges Paar vor, das in der Küche
oder beim Kamin einander gegenübersitzt und vor lauter nach-
drücklicher Verlegenheit das Wort zur gegenseitigen Erklärung
gar nicht finden kann. Das andere, „Vaterfreudcn," führt uns
in die Wochenstube eines Schifferhauses. Bei beiden Bildern
ist, was ich ihnen nicht zum kleinsten Verdienst anrechne, das
gemüthlich Beschränkte der Wohnungen sammi all ihrem Zubehör
vortrefflich durchgeführt und in gediegener malerischer Haltung
zu einer acht künstlerischen Wirkung gesteigert. — Ebers, in
Breslau wohnend, aber in Düsseldorf gebildet, gibt uns eben-
falls Bilder des Seelebens, die durch ihre gehaltene Energie
ihren Eindruck nicht verfehlen. Ein größeres Bild stellt eine
Emeute auf einer Brigg dar. Es ist eine Darstellung voll
rüstigen, sprechenden Lebens, den trefflichsten Kapiteln in den
Erzählungen eines Cooper vergleichbar. Fehlt es dem Bilde in
Etwas an künstlerischer Totalität, so entschädigt es uns dafür
doch durch die anschauliche Bestimmtheit, mit der der Gegenstand
vorgetragen ist, und durch die glückliche Wahl des Momentes,
der, als Gipfelpunkt des bedrohlichen Ereignisses, zugleich das
Vorher und Nachher klar überschauen läßt. Zwei andere Bilder,
„hohe See" und „stille Sec," sind Gegenstücke. In dem einen
sehen wir den alten Schiffer mit seinem Sohn in der Barke,
die Sturzwellen mit sichrer Kraft durchschneidend, in dem andern
die Schifferin mit den spielenden Kindern am Ufer.

Auch andere, bisher noch minder bekannte Talente, wie
z. B. I. G. Meyer und Fr. Richter, haben Ansprechendes
im einfachen Genre geliefert. Eins von diesen Talenten aber
erhebt sich in dem einen seiner Bilder Plötzlich wiederum zu einer
ungewöhnlichen, glänzenden Höhe. Dieß ist A. Tidemand, ein
Norweger von Geburt. Das Bild, von dem ich sprechen will,
heißt im Katalog: „die Zangianer, norwegische Sektirer." Es
hat ziemlich ansehnliche Dimensionen. Wir sehen das Innere
eines norwegischen Blockhauses vor uns, das statt Fensters nur
eine Oeffnung im Dache hat, durch welche zugleich der Rauch
des Herdes abzieht. Eine Anzahl von Landleuten ist versammelt,
Männer verschiedenen Alters, Frauen und Kinder, sitzend und
stehend; in ihrer Mitte steht einer auf einem Stuhle, ein Buch
in der Hand, der, wie es scheint, das Amt des Predigers über-
nommen hat; seitwärts liegt ein Kranker im Bett, Andere treten
im Hintergründe ein. Wir fühlen uns hier zunächst in durchaus
abgeschlossene volksthümliche Verhältnisse versetzt. Die dargestellte
Lokalität, die innere Einrichtung und Ausstattung des Raumes
mit ihrem naiven Comfort spricht dieß entschieden aus, noch
mehr die Tracht, die Körperbildung, die Physiognomie dieser
Personen. Wir sehen es ihnen an, daß sie ihr Leben im Kampf
mit einer eisernen Natur zubringen und sich selbst dadurch ge-
stählt haben. Es sind Gestalten, wie die des großen nordischen
Meisters, die unsrer Erinnerung unvergeßlich vorschwebcn wird,
ich meine B. Thorwaldsen. Hier aber vereint sie ein tiefes
geistiges Bedürfniß, sie haben sich in gemeinsamer ernster Samm-
lung die Geheimnisse des Daseyns, soweit die Tragkraft ihrer
Gedanken reicht, klar zu machen. Der Ernst ist all diesen Ge-
sichtern aufgedrückt; seine schönste Läuterung aber findet er in
dem Gesichte des jungen bäuerlichen Mannes, der den Stuhl
bestiegen hat. Ein Anflug von Schwärmerei gibt diesem Kopse
das Gepräge einer höheren Erweckung; wir glauben an den
Beruf, der ihm hier unter den Genossen zu Theil geworden.
Die Komposition dc§ Bildes ordnet sich schlicht, in verständlichster
Weise. Für die malerische Gesammthaltung wirkt das von oben
voll hereinfallende Licht, das sich zunächst dem emporziehenden
Rauche mittheilt und durch ihn eine eigene silberne Färbung

, annimmt, in ungemein glücklicher Weise. Die Köpfe erscheinen
in dieser Beleuchtung doppelt prägnant und ausdrucksvoll, das
Ganze gewinnt dadurch ungesucht die entschiedenste Wirkung.

! Nur der Tiefe des Bildes fehlt es noch etwas an Luft; die hier,
im Helldunkel, befindlichen Gestalten erscheinen noch etwas flach.
Der Künstler, dessen Name uns seither unbekannt war, ist mit
diesen- Bilde, das zu den Glanzpunkten unsrer Ausstellung ge-
hört und sich eines nicht ermüdenden Beifalls erfreut, plötzlich
in die Reihe der Meister unsrer Zeit eingetreten — möge er die
Kraft besitzen, diese Stelle zu behaupten und seine Meisterschaft
immer fester und sicherer zu gründen! Denn nach so vielen
schmerzlichen Erscheinungen schnell verwelkten Ruhmes mag auch
auf dieß schöne Bild noch keine unbedingt gesicherte Zukunft
gegründet werden. Auch erweisen sich ein paar andere kleinere
Genrebilder von der Hand des jungen Norwegers zwar als er-
freuliche, aber doch bei weitem nicht so bedeutende Leistungen.
Möge er sich nach jenem glänzenden Wurfe nicht zu schnell sicher
dünken!

Noch von ein paar andern Genremalcrn Düsseldorfs habe
ich zu sprechen. Der eine ist Hasen clever, der uns wieder
einige von seinen absonderlichen Charakterbildern gesandt hat.
Das bedeutendere von diesen stellt das Innere eines Weinkellers
dar. Eine reiche Gesellschaft von älteren und jüngeren Männern,
sehr würdige Herren, ehrbare Geschäftsmänner und lockere Bon-
vivants durcheinander, hat zwischen den Stückfässern Platz ge-
nommen und ist, ein Jeder auf seine Manier, beschäftigt, irgend
ein besonderes Gewächs zu proben. Das Licht des Küfners erhellt
diese trauliche Runde, während einerseits die Treppe herab, auf
der Einer mit sehr unsichern Schritten emporwankt, andererseits
durch das Kellerfenster, unter dem ein Paar, unbekümmert um
das ernste Studium der Nebrigen, Brüderschaft trinken, ein
Schimmer des Tageslichtes einfällt. Das Bild hat durchweg eine
frappante Lebendigkeit und zugleich, bei jenen verschiedenartigen
Lichteffcktcn, eine interessante und vortrefflich durchgeführte ma-
> lcrische Haltung. Wir sehen dem Geschäft der Versammelten
mit stiller Freude zu, aber — wir halten es bei allen Vorzügen
j des Bildes doch nicht lange aus. All dieß Gesichterschneiden,
rechts und links und vorn und hinten, will gar nicht aufhören;
wir fühlen uns unheimlich; wir meinen zuletzt, wir befänden
uns gar in einem Jrrenhause. Es ist ein eigen Ding mit dem
Humor in der Kunst; ich glaube, er bedarf einer sehr gehalt-
vollen Unterlage. — Auf eine andere Weise unheimlich wirkt
auf mich C. Hübner mit seinen Tendenzbildern. Dießmal haben
wir von ihm ein großes Gemälde, „die Auspfändung." Es ist
das Innere des Hauses einer armen Familie, deren Physiognomie
cs aufs deutlichste erkennen läßt, daß sie ohne Verschulden in
die bitterste Dürftigkeit versunken ist. Schergen der Gerechtigkeit
wühlen die Winkel des Hauses durch, den Armen die letzten
Habseligkeiten abzupfänden; ihr Chef ist ein meisterhaftes Muster-
bild eiskalten mephistophelischen Hohnes. Das Bild ist durchweg
gediegen und mit schlagender Lebendigkeit gemalt; aber gerade
darum ist es doppelt entsetzlich und es kostet mich starke Ueber-
windung, hier nicht schneller darüber hinzugehen, als ich es
thue. Ist das, trotz dieses meisterlichen Pinsels, noch Kunst?
kann ein Werk, das die jammervollste Zerrissenheit menschlichen
Daseyns mit geflissentlicher Vermeidung alles irgendwie tragischen
Konfliktes zum Gegenstände hat, noch den Anspruch machen, uns
zu kräftigen, zu erbauen, uns über das Gemeine zu erheben?
Das war freilich auch wohl nicht die Absicht des Künstlers; er
wollte unö vielleicht unmittelbar die geheimen Abgründe des Elends
darlegen und zur Abhülfe auffordern. Dazu aber genügt ein
einfaches, aus dem Herzen gesprochenes Wort, dazu gehen wir
in die Hütten der Armen, dazu verbinden wir uns in Vereinen,
die kleinen Mittel des Einzelnen zur größeren Gesammtwirkung
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