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ttr 60.

Ueber Denkmale der Kunst

in Karlsruhe, Freiburg im Breisgau und Konstanz
von Prof. <&. £. Waagen.

(Fortsetzung.)

Freiburg im Vrcisgau.

Die zwei in der Universitätskapelle des dasigen Münsters
befindlichen Altarflügel von Hans Holbein dem jünger» gehö-
ren zu dem Ausgezeichnetsten, welches wir noch von diesem großen
Meister besitzen. Der eine, die Anbetung der HirtcN», bei dem
das Hauptlicht von dem Kinde ausgeht, Leive», welches tiefe
Studium der junge Holbein bereits von der ALkung des Lichts
gemacht hatte, und ist das vollkommenste Effektffück, welches mir
aus so früher Zeit von deutscher Kunst bekannt geworden. Dabei
zeigen die Köpfe, zumal der fünf Engel, in ungewöhnlichem
Maße das Schönheitögcfühl, wodurch sich Holbein vor allen an-
dern Realisten seiner Zeit so vortheilhaft auszeichnet. Dennoch
werden diese an Feinheit noch wieder von dem Kopfe der Maria
auf der Anbetung der Könige übertroffen, welche auch als Kom-
position im edelsten historischen Styl ein Meisterstück ist. Höchst
lebendig ist der zuni Stern aufblickende Diener des Mohrenkönigs.
Dasselbe gilt auch von den Bildnissen der zur Zeit der Ausfüh-
rung des Gemäldes in Basel ansäßi^en Familie Oberriedt, welche
dieses Bild bestellt und auch später in das hiesige Münster ge-
stiftet hat. Auf deni ersten Flügel sieht man den Familienvater
mit seiner Frau und vier Knaben, auf dem andern eine Frau
und vier Mädchen. Ungeachtet der hohei^ Vortrefflichkeit des
Bildes stimme ich indeß ganz dem Or. Burkhardt bei, welcher sie
von 1518 bis 1529 setzt, ja nach der minder freien Auffassung
der Bildnisse, als des mit 1519 bezeichneten des Amerbach zu
Basel, sowie nach dem gelblichen, für die frühesten Arbeiten
Holbeins eigenthümlichen Lokalton des Fleisches, welches hier noch
in den entschieden bräunlichen, worin der Amerbach gehalten ist,
hineinspielt, möchte ich mich für das Jahr 1518 entscheiden,
wonach cs daher mit 21 Jahren gemalt worden. Ungeachtet der
verschiedenen Wanderungen, welche das schon früh bewunderte
Werk hat machen müssen, ist es wesentlich „och wohl erhalten
zu nennen.

In der Kapelle hinter dem Hochaltar fielen mir zwei Flügel-
bilder eines Altars aus, deren das eine die Taufe Christi, das
andere Johannes auf Patmos, welchem die Maria mit dem Kind
erscheint, darstellt. Sie werden irrig dem A. Dürer beigemesscn,
sind aber meines Erachtens höchst vorzügliche Arbeiten des Hans
Baldung Grien, worin sich Dürer's Einfluß auf ihn beson-
ders deutlich ausspricht, und er sich an Feinheit und Geschmack
selbst übertroffen hat.

Die Sammlung des liebenswürdigen und hochgebildeten
Domherr» v. Hirscher muß jedem ächten Kunstfreunde einen
großen Genuß gewähren. Dieselbe enthält treffliche Werke von
Hauptmeistern der schwäbischen Schule, wie Zeitblom, Hans
Burgkmair, Hans Holbein dem jüngern und Schaffner, Bilder
von verschiedenen, zum Theil sehr interessanten schwäbischen

Donnerstag den 7. Dezember 1848.

Lokalmeistcrn, wie von einigen Malern der fränkischen und der
niederländischen Schule. Ich fand darüber Folgendes zu bemerken:

Zeitblom. 1) Zwei Engel von edlen Motiven in weiß-
bläulichen Gewändern halten das Schweißtuch mit dem über-
lebensgroßen Antlitz Christi. Die Formen sind hier so großartig
aufgefaßt, der Ausdruck so würdig und edel, der Lokalton so tief
und satt, die Modellirung von so feinem Sfumato, die ganze
Ausführung so fleißig, daß dieses Bild meine schon so große
Verehrung für diesen Meister noch ungemein erhöht hat und ich
nicht anstehe, hierin die würdigste Darstellung Christi zu finden,
welche mir von deutscher Kunst bekannt geworden ist. Das Bild
rührt von demselben Altar von 1473 her, zu welchem die vier
Heiligen in der Sammlung des Obertribunalprokurators Abel in
Stuttgart gehören. 2) Die h. Anna mit Maria und dem Kinde
auf dem Schooße. Leider ist dieses nur noch ein Fragment zu
nennen. Der Kopf der Anna mit gesenkten Augen steht dem
des Christus würdig zur Seite. Eine seltne Schönheit der Form,
eine sehr feine und bestimmte Zeichnung, ist hier mit einem
tiefen Ernst des Ausdrucks gepaatt. Dabei erinnert die zarte
Färbung an den Ton des Moiwtto in seinen Hellen Bildern.
3) Der^hcil. Petrus. Obwohl m diesem kleinen Bilde sich die
spitzen Züge finden, welche so oft bei Zeitblom wiederkehren,
verdient dasselbe doch wegen "er großartigen Gewandung und
der tiefen Gluth der Färbung der rühmlichsten Erwähnung.

Hans Burgkmair. Die Beweinung von Christi Leichnam.
Dabei ein Ritter von besonderer Lebendigkeit und der h. Sigmund
mit dem Schwert. Bezeichnet: »Jo. Burgkmair pingebat.«
Obwohl das Bild in allen Theilen das Gepräge des Meisters
hat, sind Färbung und Modellirung doch ungewöhnlich schwach
für ihn.

Hans Holbein der jüngere. 1) Zwei Flügel, webche in
vier Abtheilungen Vorgänge aus dem Leben Mariä enthalten,
und zwar a) die Heimsuchung; im Hintergründe Loth mit seinen
Töchtern, welche Sodom verlassen, b) die Geburt Mariä. Vorn
die h. Anna im Bette von Frauen umgeben und zwei Frauen,
welche das Kind waschen; im Hintergründe diesellA Anna, welcher
das gewickelte Kind gebracht wird, c) Die Darstellung im Tem-
pel. Vorn Anna von hinten gesehen, in einem rothen Gewände
von trefflichem Wurf, mit Joachim und Andern, Maria im
Hintergründe, ck) Der Tod Mariä. Sie ist im Vorgrunde
kniend und von zwei Aposteln unterstützt dargcstellt. Christus
segnet die Seele ein, welche hier als ein ganz bekleidetes Kind
genommen ist. Im Hintergründe die Krönung Mariä. Das
architektonische Beiwerk ist theilö im gothischen Geschmack, theils
in dem der Renaissance. Der Realismus dieses Bildes ist höchst
wahr und lebendig und hat zugleich etwas Edles, welches an
Domenico Ghirlandajo erinnert. Die Falten haben meist den
feinen Geschmack des älteren Rogier van der Weyde. Die satte,
klare, bräunliche Färbung, die gediegene Malerei stimmen ganz
mit andern Bildern aus der früheren Zeit des Holbein. Dafür
sprechen auch einige Schwächen der Zeichnung, z. B. der Rücken
des h. Petrus auf dem Tode der Maria. Dieser Flügel hat
leider einige starke Retouchen. 2) Vier Bilder mit je zwei
Register
Prof. G. F. Waagen.: Ueber Denkmale der Kunst in Karlsruhe, Freiburg im Breisgau und Konstanz. (Forts.)
 
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