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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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des zunehmenden Mondes in falbem hartem Glanze, »m-
geben von einem weiten grünlichen Hof. Jn der Mitte
verschmelzen sich die beiden Theile in schnellen und doch
sanften Uebergängen nmneiklich und wmiderbar mit ein
ander, und im ruhigeu Wasser wiederholt sich in abgetön-
ter Pracht das Farbenspiel der Atmosphäre. Am dies-
seitigen Ufer kauert ein brauner Aiann, in's Anschaucn
des hehren Natnrschauspieles versunken. Bor allen Bildcrn
Hildebrandt's, die seit langer Zeit bekannt geworden
sind, gebührt diesem der Vorzng. Wemi man dennoch
dem Bilde gegenüber nicht zu wirklichem Kunstgenuß
durchdringt, so liegt der Grund offenbar in dem Gegen-
stande selbst. Diese unvermittelte Theilung des Himmels
zwischen Sonne und Mond ist als Naturphänonien gewiß
iiiteressant; als Kunstobjekt aber ermangelt sie der künst-
lerischen Einheit. So wenig die vollkommenste Abbildung
in einem anatomischen Atlas ein erfreulichcs Kunstwerk
wird, so wenig wird jede bloß interessaute Naturerscheinung
selbst durck bewundernswerthe Virluosität des Dar-
stellers zu einem Kunstwerk. Das Feuerwerk über-
rascht, blendet, und — wird vergefsen. — Ferner
sind zwei interessante englische Bilder ausgestellt, ein
älteres und ein neues. Jenes ist der Trunkenbold
von Wilkie und Kidd. Die englische Kritik war
ihrer Zcit galant genng, Wilkie dem Ostade zu ver-
gleichen. Man wird jetzt an dem Bergleich die allge-
ineine Eigenschaft solcher Vergleiche wahrnehmen, näm-
lich, daß er hinkt. Der Humor ist der echt englische,
gezwungene, trockene Hogarth's, von der Sucht ange-
kränkelt, durch die Kunst direkt moralisch zu wirken. Dic
sorgfältige Ausführung ist jedenfalls das Löblichste an dem
Bilde. — Als eine höchst achtbare Leistung muß dagegen die
Verhaftung des Reformers John Brown von Alex. John-
son verzeichnet werden. Die Handlung tritt klar und mit
bedeutendem Gewicht dem Beschauer entgegen. Auch in
koloristischer Hinsicht empfichlt sich das Bild trotz eincr
gewissen Sprödigkeit dcr Farben durch Kraft und Har-
monie, besonders in der linken Hälfte, wo der Konstable
Chilton den Reformer gefangen nimmt, während auf der
andern Seite die im weißen Gewandc von ihrem Kirch-
gange heimgekehrte Gattin des Brown einen zu großen
harten Farbcnfleck bildet. Bewegnng und Ausdruck aller
Figuren ist wohl abgewogen, nur schade, daß die gleich-
falls echt englische übcrall, bis zur Pcdanterie getriebcuc
Vorlicbe für gemessenc Würde wahre dramatische Leiden-
schaft nicht aufkommen läßt, und in den für englische Kunst
charakteristischen weit aufgerissenen, aber im Ausdruck
unlebendigcn Augcn eincn nnr sehr ungeuügenden Ersatz
dafür findet. Jn den meisten Köpfen erscheinen überdies
die Umrisse zu hart und die Modellirnng nicht plastisch
genug. Doch ist die Totalwirkung auch nach längerer
und wiederholtcr Betrachtung eine würdige und wohl-
thuende. — Zu den Lcistungen dcr heimischen Künstlcr

übergehend, habe ich von einem allerdings trockenen, aber
sonst reckt guten Bilde des Herrn Borsig von Oskar
Begas zu berichten. Ferd. Schanß hat cin gutes
Herrenporträt und zwei noch viel bessere Studienköpfe
ausgestellt. A. Jebens, der sich bisher nur im Porträt-
fach und oft recht vortheilhaft gezeigt, nnd dessen soeben
bekannt -wwordenes Porträt des Prinzen Angust von
Würtembelg seinen Rnf nach dicscr Seite hin voll-
ständig anfrecht erhält, hat sich eimnal in das histo-
rische Genre gewagt, nnd malt Katharina v. Bora
in Lucas Kranach's Werkstatt vor dem Bildc Luther's
sitzend; Reichenbach hintcr ihrem Stuhl, im Hinter-
grunde rechts der eintrclendc Luther, links der Far
benreiber vervollständigen die Komposition. Dieselbe
ist offenbar geschickt abgewogen, besonders in den drei
Personen der Mittcl- nnd Hauptgruppe. Doch vcrlengnet
sich in dem Ganzen der Porträtmaler nicht, der gcwohnt
ist, die Scenerie als Nebcnsache zu behandeln, nnd die
Gestalten im ruhigcn Moment möglichster Koncentration
ihres geistigen Wesens zu erfassen. Es gelingt ihm nicht,
die Personen in das specisische Leben des Momentes ein-
gehen zu lassen: alle Figuren posiren, jede in ihrer klng
ersonnenen Stellung, wie in leidlichen Familienpor-
trätbildern. Doch ist das Bild jedenfalls dadnrch erfreu-
lich, daß es bei dem Künstler ein gutes Streben nnd doch
immerhin erfolgrciches Bemühen auf einem andern Ge-
biete bekundet, wo es gilt, noch mannichfaltigeres inneres
und äußeres Könneu zu bethäligen, als im bloßen Por-
trät. — Hermann Kretzschmer endlich hat, wie vor drei
Jahren die Hauptaffäre des Däncnkrieges, so jetzt die
des österreichischen in cinem größeren zwischen Historie
und Genre mitteii inne stehendcn Bilde behandelt: der
Prinz Albrecht (Vater) von Preußen wird von seinem
Stabe begrüßt nach dem großen Neiterkampf am Schluß
der Schlacht von Königgrätz. Das Bild steht dem be-
i kannten Düppelsturm weit nach. Weder ist die Gesammt-
anordnung so klar und malerisch, noch sind so viele und
^ so anziehende Einzelmotive eingeflochten; noch ist die
Farbe, wic dvrt, ohne schreiendc Buntheit freudig hell. Die
bluttriefenden Sarrasse der Hcrren Generale neben den
blanken Uiiiformen und dem parademäßjgen Eindruck des
Ganzen wirken hochkomisch. Auch die Porträts waren auf
dem Düppelsturm pikanter und treffendcr. Vielleicht thut
man Unrecht, also vergleichende Kritik zu üben, und viel-
leicht besser, anzuerkennen, daß aus diesem Momente
schwerlich sehr viel mehr gemacht werden könnte; aber
Aehnlichkcit des Motivs und der Anffassung, gleichc
Größe und gleiche Hand drängen fast nnwillkürlich den-
jenigcn, der das frnhere Bild im frischcn Gedächtnisse be-
wahrt, auf den hier betretenen Wcg; nnd selbst auf dem
dcr Eiuzelbetrachtung würde man es übcr das obige,
immerhin sehr bedingte Lob hinaus nicht füglich bringen
können.
 
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