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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0151
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wartungen, die man an ein Werk von so beträchtlichen
Kosten und von solchem Ansprnch machen darf. Von vorn
herein ist bei Standbildern die Anwendung unserer mo-
dernen Tracht, mit Hinweglassung eines Mantels verfehlt;
ist doch die Manteldrapirung fast das einzige Mittel,
derselben ein ideales Gepräge zu geben. Es wäre zu er-
warten gewesen, daß Power's Statue des amerikanischen
Staatsmannes Webster vor dem Kapitol hiesiger Stadt,
die in dieser Weise ausgefnhrt ist, nnt ihrer Geschmack-
losigkeit ein warnendes Beispiel abgegeben hätte.

Der heutige Geschmack verlangt zwar, geleitet dnrch
die realistische Tendenz der Zeit, in Monnmenten großer
Männcr, dieselben in der Wahrheit ihrer wirklichen Ge-
stalt und Jndividualität dargestellt zu sehen, und die Plastik
hat sich danach zu richten. Jn der Everett-Statue haben
wir nun aber ein Beispiel des übertriebenen Naturalismus
vor uns. Der Künstler wollte Everett, der erst vor einigen
Zahrcn gestorben ist, gcrade so darstellen, wie cr in der
Erinnerung des Publiküms fortlebte, und dazu kam wahr- !
scheinlich noch, daß das mit der Ausführung der Statue
beauftragte Komitv gegen jede ideale Auffassung Wider-
spruch erhob.

Die Statue ist an eineni Eude des Parkes aufgestellt
worden und kehrte zuerst demselben und der Sonne den
Rücken zu. Dies ist wenigstens geändert und ebenso ist das
mangelhafte Postament, auf welchem die Statue zuerst
stand, durch ein befferes ersetzt worden. Diese Verbes-
serungen vermögen aber alle nicht das Werk zu einem ge-
lungenen zu machen.

Der Künstler stellt Everett, einen der bedeutendsten
Redner Amerika's, eine Rede haltend dar und ist hierin
der Wirklichkeit ziemlich treu gefolgt. Das theatralische,
auf Effekt studirte Wesen, welches bei Everett oft zum
Vorschcin kam, kommt in der Statue freilich zur Dar-
stellung. Der Kopf ist aber dabei soweit zurückgebogen, j
daß man nur in einiger Entfernung das ganze Gesicht !
sehen kann, der linke Arm ist ausgestreckt und zwar über-
trieben weit zurück. Die technische Ausführung ist eine
sehr sorgfältige. Frühere Werke desKünstlers stehen aber
in der Auffassung weit über diesem und zeigen, daß der-
selbe fähig ist, etwas wirklich Künstlerisches zu schaffen.
Wir bedauern deßhalb lebhast, daß ein solches Erzeugniß
seinen Namen trägt.

Unbedingtcs Lob hingegen verdicnt eine Marmorbüste
Everett's von Thomas Ball, welche in der össentlichen
Bibliothek aufgestcllt worden ist.

Vor einiger Zeit war provisorisch vor dem Stadt-
hause ein Bronzebild vcn 7^/z Fuß Höhe aufgestcllt. Es
führte uns das Bild eines Unions-Soldaten vor, der in
den Mantel gehüllt und sich auf sein Gewehr stützend, in
Betrachtung versunken ist über den Gräbern seiner Kame-
raden. Es schmückt jetzt im Begräbnißpark Forest Hills
das Grab der im Kriege gefallenen Soldaten der Stadt

Roxbury, jetzl zu Boston gehörend. Es ist in mancher
Hinsicht ein ganz lobenswerthes Werk und zeugt von den
Fortschritten seines UrheberS, dcs hiesigen dreiundzwanzig-
jährigenKüustlers, Martiu Millmore, welcher auchdas
Gebäude der Gartenbaugesellschaft mit kolossalen Granit-
statuen schmückte; darunter befindet sich eine Cercs von
ILs/z Fuß Höhe. Er ist Schüler Ball's, war aber leider
nicht mit diesem in Jtalien. Er ist jetzt, wie ich höre, be-
schäftigt an einer Statue des jüngst verstorbenen Gouver-
neur Andrews.

Jn Child's Galcrie war ausgestellt Eva und Abel
vou Jackson, ein recht anziehendes Werk iu Marmor,
iu Lebensgröße. Eva kuiet mit dem todten Abel in den
Armcn. Dic Fignr des todten Knabcn ist mit großer Na-
turtreue ausgeführt, die schlaff hcrabhäugeuden Glicder
zeigen, daß das Leben entflohen ist. Das Gesicht der
Mutter ist voll ergreifenden AuSdrucks des Schmerzes.

Von den übrigen ausgestellteu Werken der Skulptur
sind, außer einer außcrordentlich sorgfältig ausgeführteu
Susauna vonLombardi in Rom, bei de Vrics ausgestellt,
noch zu erwähnen die Gypsabgüsse der über lebensgroßen
Büsten von Mozart, Beethoven und Palcstrina mit sym-
bolisch, reich dccorirteu Konsolen von dem dänischen Bild-
hauer Matthieu iuNom, einem FreundeThorwaldsen's,
welcher dieselben, wenn ich nicht irre, sür einen russischen
Prinzen in Marmor ausführte. Es sind ganz ausgezeich-
nete Köpfe. Es wird gesammelt, um sie in Marmvr aus-
führen zu lassen. Sie schmückeu die hiesige Musik-Halle.

Noch im Laufe dieses Jahres soll Ball's Bronze-
Reiterstatue Washington's im Common aufgestellt werden.
Die Rückkehr des Künstlers aus Jtalien hängt wohl hier-
mit zusainnien.

Von Gemälden habe ich diesmal nicht viel zu bemer-
ken, in den Galerien war wenig Neues von Bedeutung
ausgestellt.

Jn Child's Galerie sah ich ein großes Gemälde von
Constant Mayer, einem in New-Horkansässigen Elsässer.
Das Gemälde erregte in New - Vork großes Aufsehen,
wie ich höre, weniger aber in Boston. Es stellt Mauv
Muller, die Heroine in Whittiers gleichnamigen Gedicht
dar. Es läßt sich an dem Bilde die Zeichnung loben, nur
ist das Ganze zu sehr Portrait. Der malerischen Aus-
führung fehlt die Entschiedenheit, die Figur ist zu flach,
hat kein Nelief. Dcr Ton ist ein zu kalter. VonNotta in
Venedig war cin allerlicbstes Genrebild ausgestellt, dessen
Vorzüglichkeit schnell erkannt wurde, wie die Affiche „Ber-
kauft" zeigte.

Von G. L. Brown, einem Künstler, der unter den
amcrikanischen Landschaftsinalern eine sehr hervorragenve
Stcllung einnimmt, war ein kleincres Bild, eine Ansicht
von Florcnz, vou recht bedeuteudem Werth ausgcstcllt.
Es zeigt dieses Bild nicht die unangenehmen Eigenheiten
desKünstlers im zu starken Anftragender Farben. Brown's
 
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