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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0195
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194

stellend. Solche Bilder der heiligen Kummernuß, welche
lieber einen Bart tragen als einen schönen Prinzen hei-
rathen wollte, begegnet man in Südtirol nicht selten.
Wichtiger als dieses Fresko waren die Apostelbilder im
Vigiliuskirchlein, welches durch eine tiefe Scklucht von
Altenburg getrennt ist. Sie waren es! Leider. Kaiser
Joseph ließ die Seelsorge eingehen, daS Brauchbare am
Gebäude wurde von den Bauern verschleppt, und so ging
es dem Verfall entgegen. Und doch war es eine dsr
ältesten Kirchen des Landes, auch historisch von Jnteresse
und für die Kunstgeschichte von Werth. Die Apostel an
den beiden Langseiten wurden vom Maler I. Schöpf,
den auch Göthe erwähnt, sehr hoch gehalten, und wenn ein
Künstler der Zopfzeit altdeutsche Gemälde schätzt, müssen
sie immerhin von Bedeutung gewesen sein. Eine Aufschrift
sagte: „Jch Thomas Egnolt maler zu Pauls hab an Sct
Michls Abant 1440 nach Xti Geburd das Gemäld vol-
bracht." Heuer wollte ich diese Gemälde besichtigen, sie
waren gänzlich zerstört. So wenig Aufmerksamkeit hat
man in Tirol noch immer für alte Reste! Doch ist es in
unseren Tagen viel besser geworden.

Eine schöne Zierde hat unser neuer Friedhof, für den
die meisten Tiroler Künftler der Gegegenwart ihre besten
Werke lieferten, jüngst erhalten; wir meinen das Denkmal
des verstorbenen Landeshauptmanns Hieronymus Kle-
belsberg von Joseph Gasser. Eine Gruppe fast
lebensgroßer Gestalten aus weißem matten Kalk stellt
den Tod des heiligen Joseph dar. Er liegt, an die Beine
des sitzenden Christus mit dem Oberleib gelehnt; das
Haupt ist in den Schooß des Erlösers gesunken, der seg-
nend die Hand erhebt. Rechts kniet Maria, eine schöne
Frau, in den Zügen des edlen Gesichtes tiefe Empfindung.
DerKops Joseph's, nach der Todtenmaskedes verstorbenen
Klebelsberg gearbeitet, zeigt einen edlen Realismus, der
bei dem wohlstilisirten Werke nicht stört. Unsere Naza-
rener können hier lernen, daß sich meisterhafte Technik,
Schönheit der Linien und Fülle der Gewandung, die
einen menschlichen Leib kleidet und nicht über ein Skelet
gehängt ist, gar wohl mit der Heiligkeit kirchlicher Gegen-
stände verträgt.

tlrkrologe.

Oberbaurath Rösner 's'. Jnnerhalb weniger Jahre
hat der Tod die vier Wiener Architekten abgerufen, welche
ein Menschenalter hindnrch alles bauten, „was gut und
theuer war", und ihrer Stellung nach berufen gewesen
wären, der architektonischen Zukunft Wien's bestimmte
Bahnen vorzuzeichnen: Ludwig Förster,Van der Nüll, Sic-
cardsburgund nunRösner. DiesevierProfessorenderBau-
kunst an der Akademie der Künste theilten in der That Jahr-
zehnte lang unter sich alle bedeutenderen Aufgaben, welche
damals der Architektur in Wien, und — vermöge der
Centralisation des Reiches — beinah in ganz Oesterreich
gestellt wurden. An steinernen Denkmälern ihrer Thätig-

keit gebricht es daher nicht; aber daß fie Schule gemacht,
daß ihre Lehre und ihr Beispiel lebendig fortgewirkt hätte,
läßt sich eigentlich nur, und auch das nur in beschränktem
Maße, von dem nnttleren Paare sagen, am wenigsten
von Rösner. Ohne wirklich schöpferische Kraft, aber ein
solider, gewissenhaster Arbeiter, würde er in einer Zeit mit
bestimmt ausgeprägter Richtung gewiß einen Posten in
zweiter Reihe ganz tüchtig und ehrenvoll ausgefüllt haben.
Aber zu seinem Unheil kam er in eine Periode des Suchens
nacheinemStil, fürOesterreich insbesondere diePeriode der
Auflehnnng gegen den nüchterern Klassicismus, und da
verlor er Weg und Steg. Was er an Bauwerken hinter-
terläßt, rechfertigt durchaus unsere Auffassung. Noch
durch Generationen wird man sich die Johanneskirche in
der Leopoldsstadt in Wien als abschreckendes Beispiel der
Stilverwirrung und Berirrung zeigen, während die Pro-
jekte seines spätern Lebens, z. B. die Kirche in Diakovar
in Kroatien, deren Modell vor mehreren Jahren im öster-
reichischen Kunstverein in Wien ausgestellt war, als ganz
achtbare Leistungen eines mäßigen Talents erscheinen,
welches die Nothwendigkcit erkannt hat, sich streng in vor-
geschriebener Bahn zu halten. Die Formen und Verhält-
nisse der romanischen Kirchenbaukunst waren es, in welche
er sich schon in jungen Jahren hineingelebt hatte und die
er mit Sicherheit handhabte.

Wer Karl Rösner persönlich gekannt hat, staunt,
wenn er dessen Jugeudgeschichte vernimmt; denn alles
Andere hätte man eher hinter dem stillen, schlichten und,
wie sich leicht verrieth, frommen Mann gesucht, als einen
ehemaligen Adepten der freien Schauspielknnst. Was
ihn dieser zuführte und was ihn derselben entzog, war der
Stand seiner Eltern. Beide wirkten an den Wiener Hof-
theatern und zum Ueberfluß auch noch eiu Bruder der
Mutter, letzterer als Dekorationsmaler. Was war na-
türlicher, als daß auch der junge (19. Juni 1804 geborene)
Karl Rösner, der ältestc von drei Brüdern, Lust zum Ko-
mödiespielen und znm Dekorationsmalen zeigte? Ob
auch so entschiedenen Beruf, wie behauptet wird, müssen
wir dahingestellt sein lassen: man weiß, was das von
Jugend auf genossene Beispiel thut, und findet in dem
weiteren Berlauf von Rösner's Leben keinerlei Unter-
stütznng der Annahme, daß die Bretter seine eigentliche
Welt gewesen wären. Die Eltern aber erklärten, wie schon
viele Tansende von Eltern, der Sohn möge jeden belie-
bigen Stand ergreifen, nnr nicht denjenigen, dessen Schat-
tenseiten sie selbst gründlich kennen gelernt hatten. Rösner
wandte sich nun der Bauknnst zu, besuchte die Wiener
Akademie und konnte 1830 mit einem Stipendium Rom
besuchen, wo sich die streng kirchliche Gesinnung bei ihm
herausbildete. Nach seiner Rückkehr, 1835, erhielt er
eine Professur an der Akademie, an welcher er schon vor
seiner Römerfahrt als Lehrer beschäftigt worden war.
Die verschiedenen Organisationen, welche er an der Kunst-
akademie erlebte, veränderten auch seine Stellung an der-
selben. Ursprünglich lehrte er die Baustile und das Zeich-
nen von Ornamenten, dann Perspektive, Ornamenten-
und Gefäßlehre; die neueste Zerlegung des gesammten
Lehrstoffes in zwei Theile, nämlich antike Bankunst und
Renaissance einerseits, specifisch christliche Architektur an-
dererseits, und die Besetzung dieser beiden Professuren mit
Hansen und Friedrich Schmidt ließ für Rösner nur uoch
die Perspektive übrig. Während des Jnterregnums von
1848 bis zn Ernennung Christian Ruben's znm Direktor
 
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