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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Thausing, Moritz: Die Pseudo-Dürerzeichnungen in Berlin, Bamberg und Weimar, und ihr letzter Vertheidiger
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0019
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Die Pseudo-Dürerzeichimiigen in Berlin, Bamberg uud Weimar, und ihr letzter Vertheidiqer. — Nekrologe.

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llnterschriftm mit den knappen Worten hinweg geeilt
wird: „manche werden leicht als richtig nachgewiesen
werden können", so ist das dcnn doch mindestens sehr be-
guem angesichts desllmstandes, daß ich in jeuem ganz knrzen
Aufsatze blos beispielsweise die sogenannten Bildnisse
Ulrich's von Hutten, von Kaiser Karl V., Erzherzogin
Margaretha, Felix Hnngersperg, Jobst Plankfeld als
völlig falsch und iinzutresfend angesührt habe, die
Jdentitäl von andern aber, meines Wissens, noch nirgends
festgestellt wurde.

Den Umstand, daß Dürer's Monogramm anf Hut
und Kleidern uud an anderen uupassenden Stellen mancher
Bildnisse angebracht sei, hat v. Eye beharrlich verschwiegen;
desgleichen vergaß er zu betonen, daß die Unterschriften,
deren er einc reprodnzirt, den seit dem 15. Jahrhuuderte
bis heute ziemlich konstant gebliebenen, gothischen
Drucklettern nachgebildet, nicht aber in irgend einer
Kursive geschrieben sind. Wenn dann Prof. Lübke in
den ^ Zoll hohen Schäften der Schriftzeichen anf der
Nnckseite einer Bamberger Zeichnung garDürer's Hand-
schrift erkennen will, so mag er das nur verautworten.

Was schließlich die „rein künstlerische Zuspitzung der
Frage" anbelangt, d. h. den Rückzug anf jenes Feld, wo
nicht nur kein mathematischer, sondern überhaupt gar
kein Beweis möglich ist, so lasse ich sicher Jedermann, der
an dem heute noch übrigen Vorrath von 129 links auf-
marschirten Profilen niit verkümmerten Hirnkasten Gefallen
sindet, in diesem Genuße ungekränkt; wundern aber darf
es uns nicht, wenn man durch Veröffeutlichung und
Widmung solcher Exempel der alt-deutschen Kunst kcine
Freunde und Gönner wirbt.

Ob wir es nun hier mit einer berechneten Fälschung
zu thun haben oder mit den ursprünglichen Nesultaten
einer Uebung im Freihandzeicknen, diese links hinge-
wandten Silhouetten erscheinen mir, nach wie vor, als von
einer Hand herrührend, die der Aufnahme irgend einer
anderen schwierigercn Kopfstellung nicht gewachsen war.
Und wer hätte sich nicht schon in unbewachten Augenblickeu
an links hingewandten Prosilköpfen versucht! Ob die unn-
mehr so fein unterschiedenen Momente: der Zeichnung
uud Ueberzeichnung, der Beischrift, Aufschrift und Abschrift,
des Ansschneidens, Aufklebens und Monogrammirens —
kurz alles dessen, was wir deni Resultate nach kürzer eine
Fälschung nennen — ob sich das ini 16., 17. oder 18. Jahr-
hundert zugctragen habe, das ist für die Wissenschaft eine
gleichgültige Nebensache, denn daß es zu allen Zeiten
Stümper gegeben hat, bedarf keines Beweises.

Prof. Lübke hätte gar nicht nöthig gehabt, den
Maler Augnst v. Hepden zu Hülfe zn rufen, die Schaar
der Gläubigen wäre ihm ja ohnedies in gewohnter Weise
gefolgt. Jndem ich nun als verstockter Sünder znr
Scite stchen bleibe, sehe ich mich gleichwohl in der besten
Gescllschaft; denn nnmittelbar nach dcr Beröfsentlichung

jenerRecension beruhigte mich eine Reihe von Znschriften
vollständig über die endliche Berwerfung jener Fälschungen.
Da sich aber unter nieinen Eideshelfern weder ein be-
rühmler noch ein unberühmter Maler befindet, so muß ich
darauf verzichten, August v. Hehden eine ebenbürtige
Antorität gegenüber zu stellen.

Wenn Prof. Lübke schließlich mit väterlichem Wohl-
wollen anch der Vortheile gedenkt, welche andererseits doch
wieder „tnmultuarischeExcesse", „Ausschüttung desKindes
mit dem Bade", „Uebertreibuugen der Kritik" nnd
soustige nnliebsame Störungen der codificirten Kunst-
geschichte mit sich führen, so wäre diesen leidlich guten
Folgen vielleicht auch noch die beizuzählen, daß dadurch
auch hochmögende Autoritätcn veranlaßt werden, die Un-
glücksstätte aufzusuchen und so wieder einmal eine Stelle
des weithin beherrschten Gebietes in der Nähe zn be-
sehen.

Was aber noch insbesondere Prof. Lübke angeht,
so trösten wir nns bei dcm eingestandencn zweimaligen
Her- und Hinschwanken seiner Meinung in dieser Frage
mit der Hoffnung, daß dieselbe auch noch ein drittes Mal
zu uns herüberschwanken werde. Wir hoffen dies umso
bestinnnter, als sein Aufsatz in der „Chronik" bereits bei
seinem Erscheinen veraltet war.

Albert v. Zahn, der durch die Gründlichkeit seiner
Forschungen geachtete Herausgeber der „Jahrbücher für
Kunstwissenschaft", hatte sich nämlich inzwischen im dritten
Hefte derselben der nicht geringen Mühe unterzogen, den
Pseudo-Dürerzeichnungen eine eingehende Betrachtung zu
widmen, um beznglich des Urhebers zu dem freilich uner-
wünschten Ergebnisse zu gelangen, daß: „kein Grund vor-
liege, an Dürer selbst zu deuken" (IV. Jahrg. S. 147).
Neben dieser nothgedrnngenen Berneinung erscheint mir
alles unwichtig, was sich sonst noch von jenen Trng-
bildern sagen läßt.

Prof. Lübke bleibt nun wohl das Verdienst, die letztc
Lanze für die Urheberschaft Dürer's gebrochen zu haben,
indeß die Forschung mit Zahn über diese Frage zur
Tagesordnung übcrgegangen ist. Auf dieser steht fort-
an nur mehr der „Anonymus der links hingewandten
Profilköpfe", dem wir an anderem Orte noch cinnial, und
zwar ein letztesmal, einige Anfmerksanikeit schenken wollen.

Moriz Thausing.

llekrologt.

* Professor I)r. Karl Fricderichs, Direklor am Anti-
quarium des königlichen Museiims in Berliu, starb daselbst
ani l8. Oktober nach längerein Leiden im 41. Lcbensjahre.
Die Alterthumswissenschast verliert an ihm einen ebenso geist-
vollen Forscher, wie feiuen und liebenswürdigen Schriststellcr.
Wie wir vernehmen, hat der Verstorbeue das Manuskript des
zweiten Bandes seiner mit so gerechtem Beifall aufgenomnienen
..Bausteine zur Geschichte der griechisch-römischcn Plastik",
welcher die antiken Bronzeu behandelt, vollkouimcn druckfertig
hinterlassen.
 
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