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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Springer, A.: Das Studium der Kunstwissenschaft an den deutschen Hochschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0192
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DaS Sliidium der Kuiistwissenschaft an den dentschen Hochschulen.

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bcsetzt schen und übergibt demselben dcn Unterricht im
„M alen, ModelIiren, in der geomctrischen Propor-
tionslehre, der Linear- nnd Luftperspektive, in den Ele-
menten der Architektnr (Säulenordnungen u. dergl.)
in der Lchre vom Licht und von den Farben." Jch verniisse
znnächst den Preis, dcr auf die Entdcckung eines solchcn
Wunderthieres doch muß ausgeschrieben werden. Ein
wirklicher Knnstlcr, der zugleich als Architekt, Bildhauer
und Maler sich bewährt, welcher im Stande ist, die
inatheniatischen Hilfsdisziplinen methodisch zu lehren,
und auch in der Kunstgeschichte heimisch — denn sonst
könnte er dem Kunsthistoriker nicht wirksam unter die
Arme greifen — däucht mir ein viel zu seltener Phönix, als
daß auf ihn an jeder Universität gerechnet werden könnte.
Jch vcrmisse aber wciter, und dafür habe ich keine Er-
klärung, jede, anch die leiscste Anspielnng auf die Vcr-
handlungen dcs Wiener Kongreßes, wo diese Frage ein-
gehend erörtert und nach meiner Ueberzengung richtig
gestellt wurde. Nämlich so: der Zeichenuutericht gehört
in die Mittelschulen. Wie cr hier organisirt werden soll,
darüber giebt der „Lehrplan und die Znstruktion zur Ne-
gelung dcs Zcichenunterrichtes", welchen eine Kommision
vvn Fachmännern im Auftrag dcs Ocstcrreichischcn Kultns-
miiüsters ausarbcitcte, vollständigen Aufschluß. Die
Vorträge über Kunstgeschichte sctzcn, idcale Zustände als
bestehcnd angenonnnen, die Kenntniß im Zeichnen voraus.
Die gleiche Voraussetzung machen auch dic Vorlesungcn
über viele Zwcige der Naturwissenschaft. Welche Vor-
theilc die gewonnene Zeichcukenntniß dem Stndentcn
der Naturwissenschast und Kunstgeschichtc gewährt, ist von
allcn Fachgenossen längst anerkaunt und auch häufig ausge-
sprochen worden. Ebenso herrscht aber eine allgemeine
Uebcreinstimmung darüber, daß es zu spät sei, den Zeichen-
untcrricht crst auf deu Univcrsitäten bcginncn zu lassen,
und vollends schvn aus praktischcn Gründcn ist es unthun-
lich, densclben in solcherWeise, wie Kraus vorschlägt, aus-
zudehuen. Wcnn Krans weiter dic Ansicht ausspricht,
kunsthistorische Vorlesungen vhne Verbindung mit dem
Zeichenunlerricht niüßtcn schcchlhin unvcrständlich bleibcn,
so widerlegt ihn auch hicr die Erfahrung der Fachgenossen.
Er vergißt die grvße Nolle, welche bei kniisthistorischen
Vorlesungen die Anschauung, dnrch den kimsthistorischen
Apparat vermittelt, spielt; er erwägt nicht die bedentcnde
Hilfe, welche Modclle, Diagramnie, in großem Maßstabe
ausgcführte Abbildnngen gcwährcn, und zieht nicht in
Bclracht, wie sehr der erlcichterte Vcrkchr dcn Besnch
der Knnstsanimlungen, die Besichtigung der Monumente
anch in dcn Kreisen der Siudirenden allgemcin gcmacht
hat. Darauf stützt sich der Lehrcr der Kuustgeschichtc,
wenn er architektvnische und plastische Formcn erörtert,
das verschafft ihm dic Möglichkeit, die Elementc der
Malertechnik auch jenen Zuhörern deutlich zu schildern,
welche sich nicht selbst in der Malcrei versucht haben.

Jch leugne sogar, daß dcr Dilcttantismns in dcr Blalcrei
die kunsthistorische Erkcnntniß wesentlich fördere, nnd
zweifle, ob der abgesonderte Zeichcnunterricht unnüttel-
bar einen so wichtigcn Einfluß auf das Studium der
Knnstgcschichte üben kann, wie der Verfasser nn-
lüinmt. Als richtige Konsequcnz wäre aus dcs Vcr-
fassers Vorschlägen die Forderung zu ziehen: der Knnst'
historiker soll zugleich ausübender Künstler scin; denn
nnr in diesem Falle ist die Sichcrheit vorhanden, daß
zwischen deni wissenschaftlichen Untcrrichte und dcr techni-
schcn Anweisung cine Uebereinstimmnng herrschc. Welche
Kunst soll abcr der Kunsthistorikcr üben? Kcnntiüsse
in der Architektur befähigen ihn noch nicht, über die
Malertechnik zu urtheilen, Vcrsuche in der Farbcn-
bchandlung klären ihn nicht über die Gewölbekonstruk-
tion auf. Und wenn er sich auf die Praxis allcr
Künste versteht, bleibt da nicht zu fürchten, daß darüber
sein historisches Wissen ungebührlich in den Hintergrund
gedrängt werde? Man innß übcr das Ziel der knnst-
historischcn Vorlesungcn an Univcrsitäten cine klare Eiu-
sicht besitzen, ehe man die Methodc kritisirt. Der Ver-
fasser trennt einmal „die großc Masse dcr Znhvrer"
von den künftigen Kunstforscheru, ncnnt aber ein anderes
Mal die Theologen nnd Kameralistcn als das wichtigste
Kvntingcnt der Zuhörer, welche er sogar ciner kunst-
historischen Prüfung untcrworfcn wissen will. Die
Nothwcndigkcit einer einheitlichen Methode dnldet nicht
einc so weitgehende Zlücksicht ans den tünftigen äußcren
Bernf der Znhörer. Der Lehrer setzt bei allen glcichmäßig
cine Eiupfänglichkcit für künstlcrische Jntercssen uud ein
Streben nach wissenschaftlicher histvrischer Erkenntiüß
voraus. Jcne suchl cr durch sorgfältige Analhse der
Einzelwerke, durch die Erklärung der lctztercn aus dcr
persönlichen Natur dcr Meistcr zu steigcrn nnd zu regcln,
diescs bcmüht er sich durch den Nachweis der gesetz-
mäßigen Entwickeluug dcr Kunst nnd durch dic Ver-
flcchtung der kunstgeschichtlichen Thatsachcn nüt dcn all-
gemcinen Kulturzuständcn zu bcfriedigcn. Von dcm hoch-
müthigen Wahn, als könnte er dnrch bloßc Vorlesungen
dcn Kuiislkenner nnd Kunstsorschcr vollständig ansbitden,
hält er sich fern. Die Vvrbildnng kann anch dcr
künftige Knnstforschcr auf llniversitäteii cmpfangcn, für
dic Studicn jedoch, welche ihn befähigen, alS Fach-
gelehrter aufzutreten, ist ihm ein gauz andcrcr Weg
vorgezeichnct.

Jch komme zn den letztcn Desiderien dcs Verfassers,
welchen zn Liebe mir die ganze Broschüre geschriebcn
scheint. Er vcrlangt selbständige Professuren für die
Kunstgeschichte des Mittclaltcrs und will dcn „Schwer-
Punkt dcs kunstgeschichtlichcn llnterrichts an der Univer-
sität in die Geschichtc dcr kirchlich-uüttclalterlichen Archi-
tektur" legen. Zunächst müssen wieder cinzclnc Be-
hauptungcn richtig gestellt werden. Kraus ist falsch
 
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