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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Zur Michelangelofeier
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Brun, Carl: Die schweizerische Kunstausstellung von 1875
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675

Die schiveizerische Kunstausstellung von 1875.

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durch das Weihegeschenk eines silbernen Eichenlaub-
kranzes, zu welchem jede sich betheiligende Körper-
schaft einen Zweig, eine Gruppe von Blätlern oder ein
einzelnes Blatt, auch etwa mancher Einzelne nach Be-
lieben eixr einzelnes Blatt, mit darauf eiugegrabener
Widmung (Namensinschrift) beitrage. De» Enlwurf zu
einem solchen Kranze (nicht als Hauptschmuck, sondern
als umgürtender und herabhangender Schmuck des Ge-
stells einer Büste gedacht) ist von einem ausgezeichneten
hiesigen Meister gefertigt — wir werden jeder Anfrage,
auf Wunsch, in Steindruck vervielfältigte Zeichnungen
zu den erbetenen Einzelstücken (nebst Kostenvoranschlag)
übersenden, auch auf Verlangen die Anfertigung hier-
selbst gern vermitteln, sowie auch die Zusammenfüguug
aller Blätter und Zweige zu einem Ganzen dahier be-
werkstelligt werden wird. Wir ersuchen um alsbaldige
gefällige Anmeldung der beabsichtigten Betheiligung und
um möglichst beschleunigte Anhersendung der einzelnen
Spenden.

Jede sich betheiligende Körperschaft bitten wir gleich-
zeitig um Einsendung geeigneter Namen, um aus den-
selben einen Vorschlagszettel für die Abordnung zum
Feste nach Florenz aufstellen und, zuni Zwecke schließ-
licher Wahl nach Stimmenmehrheit, noch rechtzeitig vor-
legen zu können. Natürlich empfiehlt es sich, nur solche
Männer in Borschlag zu bringen, deren Bereitwilligkeit
mit Sicherheit anzunehmen ist.

Hochachtungsvoll

die

Verwaltung des Freien Deutschen Hochstiftes
G. H. Otto Volger Or. gen. Senckenberg Georg Listmann

d. Z. Obmann. d. Z. Verwaltungsschreiber.

Jndem wir der Erwartung Ausdruck geben, daß
die von dem Hochstift ergriffene Initiative iu Deutsch-
land freudige Aufnahme finden werde, sind wir in der
Lage, hier gleich auf eine zweite Festgabe hinweisen zu
können, welche unser Vaterland zu der Säcularfeier des
großen Florentiners beistenern wird. Es liegt uns der
erste Probebogen einer Prachtausgabe der sämmt-
lichen Gedichte Michelangelo's mit dem Guasti'-
schen Tept uud gegenüberstehender deutscher Uebersetzung
vor, welche die Verlagshandlung von Alphons Dürr
iu Leipzig aus Anlaß des Festes veranstaltet. Die
trefflich gelungene Uebersetzung rührt von Frau Sophie
Hasenclever, geb. v. Schadow her. Der Druck ist
mit Schmuckleisten verziert, welche nach Peter Flötner,
Virgil Solis u. A. treu in Holzschnitt ausgeführt
sind. Bon der typographischen Ausstattung läßt sich
gewiß nur das Beste erwarteu. Es wäre schön, wenn
die Vertreter Deutschlands beim Feste, veneN die Ueber-
reichung des Kranzes obliegen wird, auch ein Exemplar
dieses literarischen Festgeschenkes mitbringeu könnten.

Die schweyerische Kunkausstellung uon 1875.

Die diesjährige schweizerische Kunstausstellung ist
werth, nicht mit Stillschweigen übergangen zu werden.
Nach Werken ersten Ranges sucht man allerdings um-
sonst, dagegen wird man durch manches gute Durchschnitts-
bild entschädigt. Es ist eine eigene Sache mit der Kunst-
entwickelung in der Schweiz. Da wir keine Akademien
haben, das Volk aber in seiner Grundanlage praktisch
ist und den künstlerischen Bestrebungen, besonders der
bildenden Kunst, nicht mit allzu großem Jnteresse enl-
gegen kommt, so sind die Künstler für ihre Studienzeit
wie für die Zeic ihrer Meisterschaft mehr auf's Aus-
land angewiesen. Die französischen Schweizer leben
meistens in Paris, die deutschen in Düsseldorf oder
München, und so kam es, daß uns die Robert, die
Girardet verloren gingen, daß Gleyre sich in der Welt-
stadt niederließ und Vautier unter die Düsseldorfer ge-
gangen ist. Kein Wunder also, wenn unsere Maler
das Beste, was sie liefern, im Auslaude ausstellen, in
dem Lande, wo sie lernen und praktische Anerkennung
finden, und wir uns mit dem weniger Bedeutenden be-
gnügen müssen.

Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, alle 279
Nummern zu besprechen; denn viele Bilder sind die
Farben nicht werth, die dazu verwendet wurden, und
über solche darf man füglich schweigen. Jch will mich
darauf beschränken, nur auf das Hervorragendere auf-
merksam zu niachen.

Jn erster Reihe ist Böcklin zu nenneu, der jeden-
falls ein bedeutendes Talent besitzt. Wer sich davon über-
zeugen will, muß nach München gehen, in die Schack'sche
Galerie. Böcklin besitzt eine große Leichtigkeit im Kom-
poniren, und davon zeugt auch wieder sein diesjähriges
Bild, eine Landschaft mit maurischen Reitern. Die
Jdee ist ungemeiu wirkungsvoll. Schwarze Gestalten,
in rothe Mäntel gehüllt, auf weißen Pferden — geister-
hafte Erscheinungen. Jm Hintergrund eine Ruine. So
interessant aber die Komposition ist, so unwahr sind die
Farben, Baumstämme mit Grünspan und rothen Flecken
bedeckt, wie man sie umsonst in der Natur sucht. Leidet
der Maler an einer chronischen Augenkrankheit oder sieht
er die Natur absichtlich anders wie andere Menschen?
In den letzteu Jahren malt er übertrieben grell und
droht mehr und mehr der Manier zu verfallen.

Bocion in Ouchy hat zwei Bilder ausgestellt,
darunter ein hübsches Motiv vom Genfersee: Rückkehr
vom Markte. Schade, daß er den See so oft grau
und eisig sieht, in einer Stimmung, die manchem Sohne
des Lsman nicht bekannt sein dürfte. Doch gesetzt, sie
käme vor, so ist es darum noch nicht gerechtfertigt, sie
auf der Leinwand zu fixiren. Der Künstler soll, mit
dem Skizzenbuche in Ler Hand, die Natur in ihren sonder-
 
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