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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0102
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Korrespondenz aus Paris.

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geben. Mir wird es schwer, ihre Hosfnung zu teilen,
und ich bin zu erfahren in diesen Dingen, um nicht zu
glauben, daß 1881 ebenso aussehen werde, wie 1880.
Es ist eine schreckliche Geschichte mit diesen Ausstel-
lungen! Man muß es dabei zu vielerlei Leuten recht
machen: den Malern, Bildhauern und Architekten, der
Regierung und ihren Organen, endlich dem Publikum.
Jetzt ist man dahin gekommen, es niemanden recht zu
machen, und der größere und geringere Grad von Un-
zufriedenheit, welchen man bei jenen drei Gruppen
hervorgerufen hat, bietet den Maßstab für den er-
rungenen Erfolg. Der Unterstaatssekretär im Unter-
richtsministerium, welcher gegenwärtig an der Spitze
unserer Kunstverwaltung steht, schien ganz vergessen zu
haben, daß wir einen Oberaufsichtsrat der schönen
Künste besitzen, welchem eine Reihe von ausgezeichneten
Männern angehören. Er rief ihn gar nicht zusammen,
als es sich um die Ausstellung von 1880 handelte.
Heute erinnert er sich an seine Existenz, versammelt
den Rat, ergänzt ihn durch eine Anzahl von Depu-
tirten und fragt ihn um seine Meinung. Man hat
immer nur unter zwei Dingen die Wahl: entweder
eine beschränkte Ausstellung erlesener Kunstgegenstände,
was man früher einen „Salon" nannte, oder eine un-
begrenzte Ausstellung, in welche man dann entweder
nach dem Alphabet oder nach der Qualität der Aus-
steller Ordnung zu bringen sucht. Wir leben unter
einer demokratischen Regierung, wie können wir da in
der Kunst dem Privilegium Raum geben? Den Ge-
danken an einen „Salon" hat man denn auch bald
fallen lassen und daran gearbeitet, auf andere Weise
Ordnung in das Chaos zn bringen. Man ernannte
ein Komitö, welches mit der Ausarbeitung des Pro-
gramms beschäftigt ist, und das Ende vom Liede wird
jedenfalls sein: sehr weite Grenzen für die Zulassung,
aber Nummerirung durch eine Jury. Auf diese Weise
wird man es möglich machen, diejenigen zu vereinigen,
welche die höchsten Nummern haben nnd diejenigen
bei Seite zu setzen, welche eine niedrige Nummer haben.
Der Hängekommission wird dann die Aufgabe erwachsen,
die 5000 Bilder, die man ihr übergiebt, in gerechter
Weise zu placiren. Die Regierung verteilt die Preise
nach ihrem Ermessen. Endlich wird es keine Privi-
legirten mehr geben, wie sie unter den Bezeichnungen
„llors oonvonrs" und „oxswxts än jnr^" bestanden;
es soll fortan niemanden mehr gestattet sein, ein-
zutreten ohne anzuklopfen. Dnrch dieses zwitterhafte
System hofft man einerseits den demokratischen An-
forderungen zu genügen, indem man eine Menge von
Bildern zuläßt, und anderseits inmitten der großen
Masse einige ausgewählte Säle zu schaffen, zur Be-
sriedigung der ernsten Kunstfreunde und desjenigen
Teiles des Publikums, welcher geleitet sein und wissen

will, was er zu bewundern hat. Das Unternehmen
des Oberaufsichtsrates wird sehr erleichtert durch die
Erinnerungen an das verflossene Jahr. Wenn nur alle
Bilder aufgehängt sein werden am Eröffnungstage, so
wird das schon ein großer Fortschritt sein, und wir
werden die neue Einrichtung mit Freuden begrüßen-
Seit einigen Jahren ist es üblich geworden, zum
Jahresanfang mit Büchern in die Offentlichkeit zu treten,
welche nicht im eigentlichen Sinne des Wortes Neu-
jahrsbücher sind — zur Weihnachtslitteratur gehören,
wie Sie in Deutschland sagen — eine Bezeichnung, die
immer einen leisen geringschätzigen Anflug hat. Man
denkt dabei an die Leser, für welche die Bücher bestimmt
sind, und meint, für Kinder sei alles gut genug. Was
man jetzt um diese Zeit vorbereitet, ist zu gut für sie.
Man hat allen Grund es zu bedauern, am 1. Januar
1881 kein Kind mehr zu sein. Herr Charles Ariarte
z. B. giebt in Rvthschilds Verlag einen Prachtband
von 400 Seiten über Florenz mit 500 Jllustrationen
und Kupfertafeln heraus, ein würdiges Seitenstück zu
seinem Werke über Venedig. Die Leser der „Hovno
ckos äsnx inonckos" und de „6n26tts äos bsnnx-
nrts" haben aus dem Werks bereits Auszüge gelesen,
welche von dem Ganzen eine sehr gute Meinnng er-
zeugen. Herr Ariarte ist Schriftsteller und Kenner zu-
gleich, er liebt Jtalien, und man spricht bekanntlich nur
von dem gut, was man liebt. — Ebenso macht es
Herr Henry Havnrd, der soeben seinem Werke über
Holland einen nenen Band hinzugefügt hat, einen
neuen Beweis seiner gründlichen Kenntnis des Landes.
Der Jllustrator des Buches, der den Autor auf seiner
Reise Legleitet hat, ist kein anderer als Herr Maxime
Lalanne, der geschätzte Radirer. Er hat bald mit der
Feder, bald mit der Radirnadel Aufnahmen in dem
Lande gemacht, welche wahre Wunder der Technik und
de>° Naturwahrheit sind. Es ist interessant, einem Meister
wie Lalanne auf einem neuen Boden zu begegnen.
Man sragt sich, ob die Geschicklichkeit, die er bei der
Wiedergabe von Ansichten aus der Umgebung von
Paris und von unseren Seeküsten entwickelt, nicht viel-
leicht mehr Sache der Übung sei und ob er mit der-
selben Kraft und Wahrheit auch den Zuider-See und
die Kanäle von Amsterdam nns vorführen werde. Herr
Lalanne hat auf diese Frage eine brillante Antwort
gegeben. — Herr Gonse hat seine Artikel über Fro-
mentin aus der Onrstts ckss bsnnx-arts zu einem
Bande vereinigt und dadurch ein sehr interessantes Buch
hergestellt, illnstrirt niit zahlreichen Entwürfen des ver-
storbenen trefflichen Künstlers, der zugleich bekanntlich
ein sehr bedeutender Schriftsteller war. Es war eine schwie-
rigeAnfgabe,Fromentin unter diesem doppelten Gesichts-
Punkte zu charakterisiren und ein lebendiges Bild des
unvergleichlichen Künstlers zu entwerfen, des geistvollen
 
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