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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Die ungarische Landesausstellung in Pest, [1]
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Die ungarischs Landesausstellung in Pest.

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nach den Worten Szöchönyi's, ein „Nest von Staub
und Schmutz", selbst 1867, zur Zeit der Krönung.
noch mehr eine weit ausgedehnte Land- dcnn cinc
Hauptstadt, zu deni, was es hente ist.

Auch die Landesausstellnng muß von diescm
Standpnnkte des Dienstes, der mit dcrselben dcr Hanpt-
stadt deS Landcs geleistet werden sollte, beurteilt wer-
den. Man rcchnete auf einen großen Zufluß von
Landeskindern und Fremden, der natiirlich der Haupt-
stadt zu gute kommen wnrde, und bis jetzt hat sich die
Rechnung als richtig erwiesen. Daß jeder Ungar trachten
werde, im Lauf der Ausstellungszeit sich die Möglich-
keit zur Besichtigung der Landesausstellung zu ver-
schaffen, von der ihm jeder Besucher, der sie bereits
gesehen, so viel des Schönen zu erzählen weiß, ist
nahezu selbstverständlich, aber es ist auch Aussicht vor-
handen, daß zahlreiche Ausländer erscheinen werden,
wenn man von dem Beginn auf die Zukunft schließen
darf. Für die Fremden war Pest bis jetzt zumeist
bloß Durchgangsstation vom oder zum Orient, nun
sollen sie der Stadt selbst willen kommcn. Mit der
Ausstellung und der Hauptstadt produzirt man aber
ihnen auch den ungarischen Staat. Dies mag als
politischer Gedanke den Unternehmern der Ansstellung
vorgeschwebt sein. Man kann süglich dem Fremdcn
nicht sagen, er möge kommen und sich das neugeschaffene
nngarische Staatswesen besehen, man arrangirt aber
eine Ausstellung der Prodnkte des Landes, ladet das
Ansland zur Besichtigung derselbcn und sührt dabei
den sclbständigen ungarischen Staat ebenfalls vor. Das
Ausland kannte Ungarn wenig, und auch dann nur
als einen Teil, eine Art Provinz von Österreich, jetzt
soll es dasselbe als eigenes Staatswesen kenncn lernen,
das, 1867 gegrnndet, im Laufe von 18 Jahren zu dem
gewordcn ist, was es heute vorstellt. Ehe der Fremde
die Ausstellung sieht, hat er schon die Hauptstadt des
Landes gesehen, und in der Hauptstadt ein bedeutendes
Stück des Staatswescns.

Die Lage von Pest und Ofen an den beiden Ufern
des brciten Stromcs war stets eine malerische und
mußte jedem Besucher gesallen: jetzt abcr, wo aus dem
einen Ufer eine Reihe von Monumentalbauten sich er-
hebt, der Strom selbst durch drei Brücken llberbrückt
ist, an den Quais cine Flottc vvn Fahrzeugen lagert,
große und kleine Dampfer den Fluß beständig durch-
schneiden, die am anderen Ufer bis hart an dcn Strom
herantretenden Ausläufer des Gebirges durch garten-
artige Anlagen verziert sind, während den höchsten
Punkt desselben die Königsburg krönt, ist das Bild
durch seine Schönheit imponirend geworden. Ein
besiercr Eintritt in die Ausstellung läßt sich kaum
denken, und dabei ist das Bild nicht einmal noch ganz
vollendet, denn auf dcm rechten Ufer wird noch die

Burg ausgebaut werden, und aus dem linken ist das
großartig entworfene Parlamentsgebäude crst eben bc-
gonnen. Die Kettenbrücke, beziehungsweise dcr mit den
Statuen Szechenyi's nnd Eötvös' gcschmückte Platz
vor derselbcn bildet das eigcntliche Centrum der bei-
den seit 1873 zu einer Großkommune vereinigten
Schwesterstädte Pest und Ofen. Um beide Städte soll
eine sie umspannende, zweimal die Donau übersetzende
Ringstraße führen, die jedoch keine Prunk-, sondern
eine Verkehrsstraße sein wird. Von jenem Mittelpunkt
sollen Radialstraßen hinausführen. Eine derselben steht
bercits vollendet da nnd sührt zu dcm Stadtwäldchen,
dem kleinen Prater Pcsts, in desien rechtem Abschnitt
die Ausstellung etablirt ist. Die Avenue selbst —
heute Andräsiystraße genannt — beginnt mit prächti-
gen Zinshäusern und öffentlichen Gebäuden, darauf
folgt das Operngebäude, das äußerlich sich entschieden
glücklicher präsentirt als die Wiener Oper. Ein Oktogon-
platz nnd ein stilvoll eingerahmtes und parkirtes Ron-
dell unterbrechen nun die Flucht der Straße, die nach
diesem Abschnitt ihren städtischen Charakter zu verlieren
beginnt. Es folgen Wohnhäuser mit Vorgärten, die
wieder nur den Übergang bilden zu einer schmucken
Reihe von Villen in verschicdenen Stilarten. So ge-
langt man aus der Stadt auf das Land, aus „der
Straßcn guetschender Enge" in schöne sranzösische
Parkanlagen. Wir sind am artesischeu Brunnen ange-
langt, mit dem das Stadtwäldchen seinen Anfang
nimmt. Wir stehen nicht an, die Avenue Andrüffy
als eine der glücklichsten Lösungen des Problems zu
bezeichnen, aus welche Art der Übergang von den
Häusermaffen einer Stadt in die sie umgebenden An-
lagen auszuführen sei. Die Sache konnte aber nur
gelingen, wenn gleich bei Beginn der Bauthätigkeit ein
sertiges Projekt vorlag und dieses dann streng durch-
geführt wurde. Wer in jener Avenue Baugrund er-
warb, der mußte sich den Bedingungen unterwerfen,
welche ihm für den Bau auf dem erworbenen Terrain
vorgeschrieben wurden. Höhe und Tiefe des Ge-
bäudes, Fasiade desselben, beziehungsweise der Stil,
Anlage des Vorgartens — alles wurde genau vor-
geschrieben und die Ausführung von den Organen des
nach dem Muster des Londoner Lourä ok rvorkrs ge-
bildeten Baurates überwacht. Aufgabe dieses Rates
war es im allgemeinen, die bauliche Entwickelung der
Stadt zu regeln und zu überwachen und die hierfür
vorhandenen Fonds zu verwalten. Das Übergewicht
in demselben war für den Staat gesichert und die
Kommune hatte nur eine Nebenrolle inne.

Die Ausstellung, in die Anlagen des Stadtwäld-
chens hineingebaut, erinnert ihrer Lage nach an die
Wiener Weltansstellung. Durchschreitet man das Por-
tal, so sieht man sich vor einem ausgedehnten schön-
 
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