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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Die ungarische Landesausstellung in Pest, [1]
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Die ungarische Landesausstellung in Pest.

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Parkirlen Platz, der im Hinlergrund durch den Indu-
Ilriepalast abgcgrcnzt, an beidcn Seitcn durch vcrschiedene
kleincre Ausstcllungsgebäutc eingerahmt ist. Man darf
»icht an dic räumliche Ausdehnung der Wiener Aus-
stellung denken, aber die Lage ist hier insofern cinc
gliicklichere, das Bild leichter und voller zu umfassen,
>veil das Terrain nicht ganz eben ist, wie im Wiener
Prater, sondern nach rückwärts etwas sanft ansteigt,
so daß der cintretende Besucher nahezn die gesamten
Ausstellungsgebäude mit einem Blick übersieht. Der
Industriepalast, der mit seiner rotundenartigen Kuppel
obenfalls an den Wiener Weltausstellungspalast erinnert, I
stoht selbst auf einer Terraffe, die rechts und links von ^
dcmselben besindlichen Gcbäude ebenfalls auf Boden- I
erhöhungen, wodurch sie trotz der vor ihnen besind- !
kichcn anderen Gcbäudc sichtbar werden und ein form- i
vollendetes Bild liesern. Die Ausstellungspavillons ^
sind in den verschiedensten Fornien und Ansstattiingcn
burchgeführt und dadurch vermieden, was in Wien so
sehr ermüdete, daß nämlich alle Gebäudc cinen Stil
trugen. Jn der ungarischcn Landesausstellnng hcrrscht
hierin die grvßte Freiheit — die Sliluniform ist glück-
lich verniiedcn. Es herrscht einc bunte Mannigfaltig-
keit und womvglich ist dcr Stil des Gebäudes dem
Inhalt desselben angcpaßt. Dabei sind die Gebäude
geschickt zwischen Baumgruppen hincingestcllt vder dnrch
Blumcnbeete umgebcn, dic Frontons der Bauten oft
»>it Farben gcschmückt, die sich mit deni frischen Grün
der Parkanlagcn glllcklich vermählen. Es ist Land-
schaftsgärtncrci im guten Stil der Architcktur zu Hilfe
gekoinmen. Ein Pückler-Muskan hättc seine Frende
daran. Natnr, Kunst und Technik haben sich gegcn-
seitig in die Hände gearbeitet nnd der Erfvlg ist nicht
ausgeblieben. Man kann, wenn man die Ausstellungs-
objekte besichtigt, sinden, daß nicht viel Neues ausge-
stellt ist, daß manches, was ausgestellt erscheint, auch
hätte wegbleiben können. Jeder aber, der den Aus-
stellungsraum an einem heiteren sonnenhellen Tage
betritt, wird von dem Gesamtbilde, welches die Aus-
stellung bietet, entzückt scin und demselben Lob und
Anerkenniing zollen.

Die mittclste und Hauptgruppe der gesaniten Aus-
stellung bildet der Jndustriepalast, an den sich rechts
und links symmctrisch, aber ohne daß die Entfernungen
abgezirkelt wären, der Direktions- und der Jury-
pavillon, dann der AuSstellungspavillon der Haupt-
stadt anf dcr cinen Scite, ein durch sämtliche Gasthof-
bcsitzer der Hauptstadt eingerichtetes Musterhotel, das
Panorama der ungarischen Bäder, Ansichten derselben
vorführend in der jetzt beliebten Art der Schlachten-
panoramen, auf der anderen Seite schließen, während
mehr nach vorn Kaffeehäuser »nd Bierhallen gestellt
sind. Rcchts von dcr Hauptgruppe liegen in eineni

fchöncn Parkraum der Königspavillon und die Kunst-
halle, erstercr ein zierlicher Renaiffancebau, letztere sich
an klassischc Mnster anlchncnd, bcidc auf cinc Bodcn-
anschwellung gestellt, so daß man Vvn dcr Freitrcppe
des Königspavillons aus fast den ganzen AnSstellungs-
raum überblickt. Versteckt in einer Eckc hinter dem
DirektionSpavillon besinden sich die Pavillons des
Ikvten Kreuzes und der Spitäler. Nördlich vom
Kvnigspavillon zieht sich cinc Reihe von blvckhausartig
aiisgeführten Pavillons, welche dic Forstprodukte ent-
halten. Dic massiven Holzstämme aus den Wäldern
llngarns lagcrn im Freien. Hinter dem Jndnstriepalast
stchcn die Gebäude, wclche die Gruppen dcr Bcrgwcrkc,
dcs Maschinenwcscns und der Bcrkehrsanstalten behcr-
bergen. An die Gruppe dcr Bergwcrke schließcn sich
die Pavillons für Kroatien und BoSnien in ihrcr
cigentüinlichen nativnalen Ausstattung. Wir sind be-
reits auf dic linke Seite dcs Jndnstriepalastes gelangt,

I indem wir den Weg hinter demselben heruni genommen.

! Hier hat nun die Landwirtschaft ihr Hauptquartier
! aufgeschlagen und nimmt, wie es einem Ackerbau
! treibenden Land ziemt, einen breiten Rauni ein. Mehr
nach vorn stehen nvch einigc staatliche AnsstcllungS-
bauten, die auch zum Teil landwirtschaftliche Prodnkle
enthalten, ivie der wohl ctwas üiaffiv ausgcfallcne
Pavillon dcs Fliianzniiiiistcrinms, der die Tabakaus-
stcllnng, dann die Prodnkte des staatlichcn Bergbaues
und der Eisenwerke enthält. Die AuSstellung der
Staatsdruckerei leitet zu jener des Unterrichtswescns
übcr, die wieder mit der Ausstellung der Hausindustrie
aus verschiedenen Teilen deö Landes vcrknüpst ist. Daß
die Wcinprvduzentcn, Spiritns- und Chanipagner-
fabrikanten ihre eigenen Pavillons haben ist sclbstver-
ständlich; hicr känn aber der Besnchcr nicht nur schauen,
sondern auch schon genicßen nnd scine gesunkencn Kräfte
wiedcr hcrstellen. Treffliche Ungarwcinc, nngarischcr
Chanipagner, dcffen Herstellung in den letzten Jahren
wcscntliche Fortschritte gemacht, sv daß dersclbe bereits
manchem französischen Schaumwein ebenbürtig ist,
werden überall ausgeschenkt; auf einer kleinen Jnscl,
die eine Abzwcignng des grvßen Tciches aus dcm
Stadtwäldchen nmschlingt, ist eine große Konditorei
ctablirt, Restaurants und nationale Csardas, wo die
Erzcngniffe der nngarischen Küche verabreicht werden,
sorgen für cine kvnsistentcre Ernährung. Ein Prcis-
reglcment schrcibt ihren Fvrdernngen an das Publikum
gcwiffe Grenzcn vor, und mag cs wohl im Pester Aus-
stellungsraun, auch so gehalten werdcn, daß den Be-
suchcrn gerade nichts geschenkt wird, sv stcht cs doch
darin wcit ab von der Teuerung, die in Wien ode,-
gar in Paris geherrscht.

(Schluß folgt.)
 
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