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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 20.1885

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Richter, Jean Paul: Der angebliche Leonardo da Vinci in der Berliner Gemäldegalerie, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5807#0373

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733

Nekrologe.

73l

iilimlich vvr allen Dingen die Landschafl dcs Hinter-
grunded, die inan siir einc Bariation auf die Land-
schaft in dcin Altarbilde der Jungfrau mit der Fels-
grvtte halten kann. Auch sür den Kvpf des heiligen
Leonhard ist vielleicht eine Zeichnung des Meisters als
Borlage benutzt worden. Bon diesem Kopf sagt
Dr. Bode: „Das Ohr, nenerdings als Merkzeichen zur
Erkennung und llnterscheidung der Künstler besvnders
betont (von Lermolieff) und hier der besterhaltene Teil
des Kvpfes, ist bis ins Klcinste übereinstimmend mit
vcrschiedenen Zeichnuugen Levnardo's." Bekanntlich
sagt Lermolieff wiederholt, svlche scheinbare Nebendinge,
ivic Ohr und Hand, lvunen dazu dienen, Originalwerke
Vvn Schülerkvpicn zu uutcrscheideu, weil Kvpisten cs
damit nicht cben gcnau nehmcn, während die Origiual-
meister in dcr Darstellung vvn Ohr und Hand fest-
ausgeprägte, ihnen eigcutümliche Formen anwendeu.
Bergleichen wir uun das Ohr des heil. Leonhard in
dem Berliner Bilde mit Ohren auf gut erhaltencn,
beglaubigtcu Handzcichnungen Leonardo's (z. B. I'I. IX, ,
XI,IV nnd XI/VII in Band I, uud I'I. 6XXII iu
Band II dcr I-itorar^ >VorI:8 ot' 1-eonarcko äa Vinei), ^
so wird man bemcrkcu, daß iu dem Berliner Bilde das j
Ohrläppchen durchauö nicht die volle Rundung hat, !
>velche ihm Leonardv stets giebt, svndern daß es, sv ^
zu sagen, ganz verkrllppelt crscheint. Wir werden also
ini Sinnc der Lcrmolicffschen Thcorie vielmehr sageu
müsseu, daß die Form diescö cincn Ohres allein schon
bcwcisen kann, daß Lconardo selbst als Urheber des
BildcS gar uicht in Bctracht koninie, und mit dieser
Gewißhcit kvnnen wir getrvst dem Bilde den Rllcken
wenden, vhne aus weitcreu Streit darüber unS cinzu-
lassen. Iean Paul Nichtcr.

Nekrologe.

» Caiion 's- Die Wiener Kunstwelt hat eincn
neuen schmerzlichen Verlust zu beklagcn, der in weiten
Krcisen iiiiteiiipfundcn wird: am Nachmittag dcs 12. Sep-
lcmbcr ist Canon in der Bollkraft seincr Jahrc plvtz-
lich eincm Hcrzschlag erlegen! Eine dcr vriginellstcn
Künstlernatnren, vielscitig begabt, rastlos thätig und vvn !
»nverlvüstlicher Gciltessrische, ward wic vvm Sturm da-
hingerafst nnd ciner Thätigkeit entrissen, die sich geradc i
jetzt a» de» grvßen Ansgabcn siir die Hvfmusccu dcn
hvchsten Zielcn zugewendet hatte.

Canvn, mit scinein Fainiliennamen Johann v. >
Straschiripka genannt, war 1829 m Wicn gebvren, !
bcsuchtc die dvrtige Akademie, dann 1847 das'Atelier
Waldmüllerü und trat später, uachdem er inzivischen als
Kavallerievffizicr in der Armcc gedicnt, für knrze Zcit !
in Bcrührnng mit Rahl, welchem er sür den malerischen !
Grundzug seincr Kniist vicl zn danken hat. 1856 that !
er sich mit dem Pvrträt der Schauspielerin Schiller zu- !
erst in Wien als Bildnisinaler hcrvor. 1859 entstanden
ein großes Altarbild für die Deutschvrdenskirche zu Lai- I

bach, dann das „Fischcriiiädchcu" (im Besitz des Hcrrn
v. Ziiincr in Wie») niid knrz daranf zahlreichc Pvrträts,
welche bald aucki außcrhalb sciuer Heimak die Aiifmerk-
samlcit der Kiinstfreiiiide auf den Maler lenttc». Dieser
trat jetzt in seine Wandcrjahre ein. Wir sinden ihn
1862 in Karlsruhe im freiindschaftlichcii Berkehr mit
I. W. Schirmer, dann in Stuttgart niid an andercn
Ortcn, dem Stiidiiim der altcn Meister hingegcbeii, oder
anch wvhl dem edlen Waidwerk nnd Angeljport, dcn
Licbliiigsbeschäftigiiiigen sciner Mnßcstuiideii. Aus den
, Aiisstelliingcn der sechziger und siebziger Jahre trat
- Canvn vvrnehnilich alS Maler fein gestiuiiuter weiblicher
Pvrlräts vvn gesiittigter Hariuvuie des Tvns iu markan-
ter Weise hcrvvr. Uud in diesen Wcrken dürste Ivvhl
dic bcstc Seitc seiner Begabuug zum vvllcu und reiueu
Ausdruck gekoiumcii sein. Wir neiiueii das Bildnis der
! Frau Friedländcr, die Pvrlräts der Gräsiuiien Schvu-
l bvrn, Wurmbrand, Dubsky und das dcr Barvuiu
BvurIving-KlnSky. Bvn sciueii iiiänulichcn Pvrträls
reihen wir an: dic dcs Barvu Hvfmami, des Fcldzcug-
meisters von Hauölab, des juiigcn Priuzcn Lvuis
Napvlevu, dcs Hr. ureü. Schvlz, des Dr. Cmvlka, um
uur eiuigcr der gclungciisten hier zu gedeiike». Nebeuher
giugen zahlreiche Schvpsmigeu auf dcm Gcbiete der den
Meister charaktcrisircndcn großsignrigen Geureiualcrci, ivie
der „Rüdcmucistcr" (Graf H. Wilezck), dcr „Pagc", das
„Obstiuädchen" (Auspitz), dcr „Fischuiarkt" (Nikvlaus
Dumba) u. v. a. Endlich kamcn dazu die viclbcsprv-
cheueu allcgvrischcu und symbvlischcu Kvuipvsitiviieu, Ivic
dic i. I. 1873 vollcudcte „Lvgc Jvhamiis" (Galerie
des Belvedcre), das riesige Deckenbild für daS neuc
naturhistorische Hvfmuseuiu: „Dcr Krcislauf des Lebcns"
mid dcs Künstlers letzte, unvollendet gebliebene Kvuipv-
sitivn: „Helios im Kampfc gegen die Mächtc der Finsler-
uis". Jn allen diesen Wcrken, wie auch in uianchcii
kleinercn, z. B. dem 1884 ausgestellten Madvniienbildchen
für dcn Grascu H. Wilezck, crweist sich der Künsller als
ein begeislcrter slkachciupsindcr der altcn Kvlvristeu, Vvr
allem 'dcs Rubens, deffen Tcchnik und Stil Cauvn als
das Jdcal scincr maleiischeu Anschaumig pries. Mau
hat wvhl recht, wcuu mau bchauptet, daß die aus
sciucm Studimu dcr allen Meistcr gclvvmieneu Erkeunl-
nisse mehr Verstandeseigcutm» gebliebeu, alü lebcudig
sortzeugeudes Eleuient seiner Phantasie gelvvrden seien.
Iimuerhiii ivar cs deu, Küustler uüt seiuer Hiugabe au
das uialerischc Jdeal der Alte» vvller Ernst, nud ivir
dürfen aunchiiieu, daß cr auf dei» vvu ihm betrcteueu
! Wege uvch zu vvllcrer Auspräguug seincr Judividualilät
auch iu der iiivumiienlalen Histvriemualerei gelangt Iväre,
ivenu ihm der Tvd »icht deu Piusel eutlvundeii hätte,
geradc jetzt, als cr uach dem hvchsten Lvrbcer raug.

Cauvus Leichcubcgäuguis, ivelckics die Geuvsseuschaft
der bildeudcu Küustler Wieus dcm Dahiugeschiedcnen
vcraustaltete, saud am 15. Seplembcr auf dem prvtc-
stautischcu Friedhvfc Vvr der Matzleiusdvrfer Liuie iiutcr
Beteiligmig eincr grvßen Zahl vvn Leidtrageuden in
würdigstcr Weise statt. Ilnter den Kränzen, ivelchc dem
Toten gcspendet ivnrdeu, ivar auch eiuer mit der tliamcns-
luschrift: „Nudolf uud Stephauie", dcs vsterreichischen
Krvnprinzeupaares, wclchcs dem Künstler stets hnldvoll
gesiuut war. Am Grabc sprachciy die Maler Grcsc
uud Stieler, letztcrcr als Bertreter der dcutschcn Kmist-
genvssenschast. Das Wiener Küustlerhaus bereilet sür dic
nächsten Mvnate eine Ausstellnng dcr Werke Canvus vor.
 
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