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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Büttner-Pfänner zu Thal, Franz: Abnahme alten Firnisses von Ölgemälden mittelst Regenerirens und Wasser, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0056
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Abnahme alten Firnisses von Ölgemälden mittelst Regenerirens und Wasser.

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müsse mit Öl genährt werden, ihr Dasein verdankt,
mit dem Messer abgeschabt. Einer solcher Herren
sagte mir einst, er habe auch einmal das Pettenkofer-
sche Verfahren mit den Spiritusdämpfen angewandt,
es sei ihm aber zu gefährlich gewesen, das Bild so
lange über die brennende Spiritusflamme zu halten. (!)

Da nun die bisherigen Abnahmearten des Fir-
nisses auf den Angaben von Lucanus beruhen, so
mögen zunächst die Methoden hier kurz geschildert
werden. Es ist erstens die trockene, d. h. man reibt
den Lack an, bis er zu Staub gerieben heruntergeht,
oder zweitens die nasse, die in den schärfsten Mitteln
vom Alkohol bis zur Salzsäure besteht, mit denen
der Lack erweicht und abgelöst wird. Sehr naiv
bemerkt hierzu Lukanus im IV. Teil, S. 115: „Sind
Farbstellen defekt etc., ganze Farbstellen oder nur
einzelne Lasuren verivaschen, so beginnt ein neuer,
der letzte Teil der Restauration, mit Farbe und
Pinsel." Als ob sich ein verputzter van Dyck so
leicht mit Farbe und Pinsel wieder herstellen ließ!

Bei beiden Verfahren ist das bedenklich, dass
die Olfarbschicht dabei in großer Gefahr schwebt;
denn beim ersteren werden Lasuren etc. leicht mit
abgerieben, beim letzteren greifen die scharfen Atz-
mittel ebenso die Farbe an wie den Lack und wird
somit der Eid, den eigentlich jeder Restaurator vor
Inangriffnahme einer Restaurirung ablegen sollte:
nichts wegnehmen und nichts hinzusetzen zu wollen,
gebrochen. Nun führt Lucanus noch an, S. 67 seines
Werkes: Welsch schreibt vor, um Firniss und
Schmutzdecken abzunehmen, solle man die Bilder
in horizontaler Lage wiederholt mit Weingeist be-
tupfen und sobald der Firniss erweicht ist, denselben
mit Wasser abspülen.

Lucanus hat dies nicht verstanden und doch
liegt in der Verbindung des Wassers mit erweichtem
Lack das einfachste Mittel. Erweicht man nämlich
den Lack langsam mit Hilfe der Pettenkofer'schen
Alkoholdünste und lässt ihn schichtweise mit Wasser
krepiren, so hat man es vollständig in der Hand,
viel oder wenig von dem Lack herunterzunehmen,
was bei der mechanischen Reibung oder ätzenden
Mitteln gar nicht möglich ist. Ich möchte fast sagen,
Pettenkofer's Behauptung, man könne nicht wissen,
wo Lack aufhört und Farbe anfängt, widerlegen zu
können. Ich rede selbstverständlich nur von älteren
Bildern. Hier bedarf es nämlich nur kürzerer Zeit
der Spirituseinwirkung, um den Lack des Bildes zu
erweichen und flüssig zu machen, während die Öl-
farbe erst nach Stunden, ja Tagen weich wird, so
dass beim Abnehmen des Lackes diese vollständig

intakt bleibt. Ja man kann sogar dadurch, dass man
die Spiritusdämpfe noch kürzer wirken lässt, nur
immer die obere Schicht des Lackes erweichen und
abnehmen und es so nach und nach dahin bringen,
dass die letzte Schicht des Lackes ganz dünn auf
dem Bilde bleibt und somit die Farbschicht gar
nicht von dem Verfahren berührt wird.

Das Abnehmen des im Pettenkofer'schen Apparat
weich oder flüssig gewordenen Lackes geschieht nun
einfach mittelst eines nassen, nicht triefenden, weich-
haarigen kurzen Pinsels oder eines Schwammes, mit
dem man ganz behutsam über das Bild fährt, oder
wenn man überhaupt das Bild nicht berühren will
mittelst Abgießens mit lauwarmem Wasser.

Der erweichte Lack krepirt sofort, d. h. er wird
weiß und mehlig, sobald Wasser dazu kommt, er
verliert seine Konsistenz vollständig (Pettenkofer
40—41) und kann nach dem Trocknen mit einem
feinen Staubpinsel heruntergewischt werden. In die
Praxis übertragen, würde sich die Handhabung un-
gefähr so bewerkstelligen lassen:

Man reibe das Bild, von dem der Lack herunter-
genommen werden soll, zunächst einige Tage vorher
mit weißem Vaselinöl oder besser mit einer Mischung von
diesem mit Kopaivabalsam und ätherischen Ölen (Phö-
bus A von H. Schmincke & Co., Düsseldorf) ein, damit
sich die Ölfarbe an Fett (nicht Öl) sättigt und kein
Wasser aufnehmen kann. Dann befestige man das
Bild (Gemälde nach außen) an den Deckel einer
flachen Kiste, schließe die Kiste, nachdem man auf
dem Boden in ganzer Fläche ein Tuch (oder Lösch-
papier), mit Alkohol getränkt, gelegt hat. Nach
kurzer Zeit wirkt der Alkoholdunst auf die oberste
Schicht des Lackes und macht sie weich, nun
nehme man einen nassen feinen kurzhaarigen, mög-
lichst breiten Pinsel oder einen Schwamm und wische
behutsam über das Bild an allen Stellen hinweg.
Man wird sofort die obere Lackschicht als klebrige
Masse am Schwamm haben. (Bei größeren Bildern
empfiehlt es sich, die Handhabung flächenweise vor-
zunehmen, mittelst einer flachen Schale 1 s voll Al-
kohol, die man unter die betreffende Fläche hält.)
Dann trockne man sofort das Wasser, das noch auf
dem Bilde sitzt, mit Fließpapier auf und lasse das
Bild trocknen. Man vermeide dabei das Nasswerden
der Leinwand hinter dem Bilde, weil sich dieselbe
dadurch mehr als dienlich zusammenzieht und ein
Reißen der Farbschicht verursachen kann. Nach
einiger Zeit wird das Bild ganz weiß sein, d. h. der
Lack ist vollständig krepirt und undurchsichtig. Den
zu Staub zerfallenen Lack nehme man vorsichtig mit
 
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