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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Aubert, Andreas: Der Landschaftsmaler Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0152
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291

Der Landschaftsmaler Friedrich.

292

Eine Landschaft wie Friedrich's Andachtsbild auf
dem Schlosse des Grafen Thun — das Kruzifix auf dem
Tannenhügel — ist in Eunge's romantischem Geiste
gedacht. Es ist ein Symbol menschlicher, religiöser Ge-
danken, — ebenso wie selbst Ruisdael schon den Regen-
bogen über die Gräber wölbte in seinem bedeutsamen
Bilde des Judenkirchhofs, demjenigen Bilde der Dresdener
Galerie, das mit Friedrich's Seelenleben wohl am besten
stimmte.

Runge's Hieroglyphen und Arabesken sind auf dem
Bilde Friedrich's zu einem goldenen Kähmen von Palmen
und Engelköpfen geworden, mit dem Auge der Drei-
einigkeit zwischen Weinranken und Ähren, — eine
christliche Bilderschrift, die jedermann ohne Mühe liest.

Ist man mit Friedrich's Kunst vertraut, so entdeckt
man das Symbol auch da, wo es halbversteckt ist und
wenig auffällt. Auch im Mondscheinbilde in der National-
galerie von Christiania können wir einen symbolischen
Gedanken finden. Wenn die Scheibe des Mondes, die
aus dem bleichvioletten Flor der Nacht hervorleuchtet,
indem sie durch die silberhelle Wolkenschicht matt
hindurchstrahlt und im Wellenspiel glitzert, gerade
hinter die Spitze des Kirchturms gestellt ist, als ob
diese selbst durch die Nacht leuchtete, so ist dieser Zug
ohne Frage ein Ausdruck für Friedrich's religiösen Sinn,
für seinen frommen Gedanken an „das Licht der Welt",
das in der Finsternis scheint.

Friedrich's Zeitgenossen fanden sein Naturgefühl
wild. Diesen Eindruck haben wir nicht eigentlich von
ihm. Wir empfinden eher seine Schwermut und seinen
Hang zur Einsamkeit und zu stillem Grübeln.

Es giebt Bilder von Friedrich, die auch wir bis
zu einem gewissen Grade wild nennen könnten, — wie
ein Wrack»in der Brandung eines tiefgrünen Meeres
unter treibenden Wetterwolken. Er hat die düstere
Gebirgseinöde auf den Höhen des Riesengebirges und
des Harzes geschildert. Oder die dunkle „Waldeinsam-
keit" in entlegenen Schluchten der Sächsischen Schweiz,
von der Tieck im „Phantasus" gesungen hatte.

Aber ebenso oft schilderte er die Ebenen um Greifs-
wald, die sonnigen Äcker, die saftig grünen Wiesen mit
grasenden Kühen und Pferden, mit Bauernhöfen, die unter
dichtbelaubten Baumwipfeln halb versteckt liegen — und
das Meer leuchtend blau in der Ferne, oder die freund:
liehe Umgebung Dresdens mit ihrer Fruchtfülle, den
weithin sich dehnenden Kornfeldern, den weichen Linien
der angebauten Höhenzüge und den Alleen von Obst-
bäumen, die sicli zierlich über Hügel und Thäler hin-
schlängeln. ')

1) Frau Professor Papperitz in Dresden hat eine Ge-
birgsöde von Friedrich, ein feines kleines Bild mit einem
schönen Wolkenhimmel.

Ich selbst besitze eine Gebirgsschlucht in tiefem Waldes-
dunkel, welche Dr. Carus gehört hat.

Das Meer mit dem Wrack, eine von Friedrich's besten

Unsere Zeit hat oft der romantischen Richtung
Unrecht gethan, indem sie derselben allzu einseitige
Xaturideale zuschrieb. Man hat z. B. aus Tieck's
Künstlererzählung „Sternbald's Wanderungen" Äuße-
rungen herausgegriffen, die einseitig die phantastisch-
romantischen Naturideale hervorheben, oder die bis zur
Übertreibung alles Gewicht auf das subjektive Gefühls-
leben legen. Aber dasselbe Buch enthält auch Äußerungen
eines ganz entgegengesetzten Gedankenganges. In Stern-
bald's Mund hat Tieck nicht nur die hyperromantischen
Worte gelegt: „ . . nicht diese Pflanzen, nicht die Berge
will icli abschreiben, sondern mein Gemüt, meine Stim-
mung"; sondern er lässt ihn auch sagen: „Warum fällt
es keinem ein . . diese Natur ganz wie sie ist, darzu-
stellen . . wörtlich so und ohne Abänderung" — nieder-
zuschreiben — „ . . Warum schweift ihr immer in der
weiten Ferne und in einer staubbedeckten unkenntlichen
Vorzeit herum, uns zu ergötzen? Ist die Erde, wie sie
jetzt ist, keine Darstellung mehr wert; und könnt ihr

Arbeiten (0,60 m h., 0,74 m br.), gehört einem Verwandten
von ihm, Kaufmann Langguth in Greifswald, der ungefähr
ein Dutzend solcher Bilder besitzt, darunter mehrere vor-
treffliche.

Bei Herrn Heinrich Friedrich, einem Neffen des Malers,
im alten Familienhause am Markte zu Greifswald, sah ich
ebenfalls eine interessante Sammlung aus verschiedenen Ab-
schnitten seines Lebens. Besonders hervorragend war eine
kleine Somrnerlandschaft (0.36 m h., 0.50 m br.), ohne Zweifel
aus Böhmen, mit einer bleichen, blaugrauen Gebirgskette
über hellgrünen Matten, ein Bild von merkwürdig reinem
Ton, frisch und treffend wahr wie eine Naturstudie, eine
der ernstesten echtesten Landschaften, die ich von deutscher
Kunst gesehen habe. Das Bild dürfte in den zwanziger
Jahren gemalt sein.

Außer den drei Bildern in der Dresdener Galerie (wahr-
scheinlich aus den Jahren 1817 bis 34, 35) und den zwei in
der Nationalgalerie in Berlin, beide von 1823, kenne ich
mehrere andre aus eigener Anschauung: einige im Schlosse
zu Tetschen und bei Herrn Siegwald Dahl in Dresden; in
der Galerie zu Weimar ein sehr frühes Bild mit Sonne und
Schatten über grünen leuchtenden Feldern gegen das Meer
hin, in hohem Grade ungesucht und echt; im Rudolfinum
in Prag eine norwegische Schärenlandschaft im Mondschein,
. 23 oder 24 gemalt, wahrscheinlich ein Motiv aus den Blei-
stiftskizzen des Geologen Naumann; andere kleine Bilder in
den Museen von Gotha und Stralsund; zwei bei Frau Pro-
fessor Wegener in Dresden und zwei in Lützschena bei
Leipzig. Das eine von diesen, ein Kirchhof, zeigt auf einem
Grabkreuz die Jahreszahl 1826; soll dies als Datirung
gelten, so ist es das einzige datirte Ölgemälde von Friedrich,
welches ich kenne.

Die vorzüglichsten Zeichnungen sah ich in Dresden in
| den Sammlungen des Kupferstichkabinetts und in der Samm-
I lung des Königs Friedrich August II., welche nicht nur seine
Radirungen mit dazu gehörigen Entwürfen, sondern auch
Segen zwei Dutzend farbige Blätter und Zeichnungen, zum
Teil in Sepia, enthält. Viele davon sind datirt. Ferner bei
Herrn Siegw. Dahl und Frau Caroline Friedrich besonders
Skizzenbücher. Ein Skizzenbuch von 1809 war Herr Prof.
Lor. Frölich so freundlich, mir zu leihen.
 
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