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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Aubert, Andreas: Der Landschaftsmaler Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0151

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289

Der Landschaftsmaler Friedrich.

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Stimmung. Im Gegenteil; seine reine Linie und seine
sicher abgewogene Komposition tragen dazu bei, die
Stimmung zu stärken, den Eindruck von Stille und ab-
geschlossenem Ernste hervorzubringen, der seiner Kunst
eigentümlich ist.

Durch den schlichten Sinn für die Natur, durch
den reinen unverfälschten Ton, durch seine „gesunde"
Farbe und seine strenge Form hat Friedrichs Auffassung,
bei all ihrer starken Eigentümlichheit und trotz ihres
bestimmten Unterschiedes, eine gewisse Verwandtschaft
mit der älteren dänischen Schule, die sich um Eckers-
berg schart, am meisten mit Sonne, dem Lyriker der
Schule. Friedrich'« Landschaft mit den ruhenden Schnit-
tern in der Dresdener Galerie — das letzte Bild, das
er in seinem Leben gemalt hat, unmittelbar vor einem
Schlaganfall im Jahre 1834 (oder 1835) — zeigt diese
Verwandtschaft vielleicht am deutlichsten unter allen
seinen Bildern.

Es kann zweifelhaft sein, ob wir diese Verwandt-
schaft mit Friedrich's Aufenthalt an der Akademie zu
Kopenhagen in seiner Jugend in unmittelbaren Zu-
sammenhang zu bringen haben. Eher lässt sich wohl
die Übereinstimmung in der Entwicklung Friedrich's und
der dänischen Schule — auf den Punkten, wo sie zum
Vorschein kommt, — aus den allgemeinen Entwicklungs-
momenten erklären, die in diesem Zeitraum der Welt-
kultur zu Grunde lagen. Was wir in gleich hohem
Grade bei Friedrich und bei den Dänen finden, ist der
Trieb, zu einer naiven unmittelbaren Anschauung der
Natur zurückzukehren. Nur die Mystik und das reicher
entwickelte Stimmungsleben ist es, was Friedrich als
deutscher Romantiker voraus hat.

Jedenfalls sei zur Ehre Dänemarks und der Kopen-
hagener Akademie erwähnt, dass nicht nur zwei bahn-
brechende Künstler des Neuklassicismus von ihr aus-
gegangen sind: Carstens und Thorwaldsen, sondern dass
auch Kunge und Friedrich, zwei der eigentümlichsten
Maler der deutschen Romantik, sich um ihrer Ausbildung
willen dorthin gewandt haben, wo auch Dahl später
lernte.

Als Dahl nach Deutschland kam, war Friedrich als
Künstler längst zu voller Reife gelangt. „Er stand
damals in den vierziger Jahren und die Schärfe seiner
Individualität war eben um diese Zeit leiblich und geistig
am entschiedensten ausgeprägt", — so drückt sich Carus
im Jahre 1818 Uber ihn aus.

Schon 1808 hatte er sein Andachtsbild für das
Schlafzimmer des Grafen Thun im Schlosse zu Tetschen
gemalt — ein Kruzifix auf einem Tannenhügel, um-
strahlt von der gedämpften Farbenglut des Sonnen-
unterganges, — ein romantisches Gedicht, das noch heute
die Macht besitzt, das Gemüt zu ergreifen.

In diesem Bilde ist seine Eigentümlichkeit als Maler
schon im Wesentlichen ausgeprägt.

Um das Jahr 1810, zu der Zeit, als er zum Ehren-

mitglied der Berliner Akademie ') gewählt wurde, hatte
er sein großes Seebild mit „dein Mönch am Gestade des
Meeres" gemalt, — in Geist und Stimmung, wenn auch
nicht in der Form, ein ganz modernes Bild, ein Aus-
druck des Gefühlslebens unseres Jahrhunderts: Die Kälte
im Seewind und das schwarzblaue Meer sind mit tiefem
Pathos geschildert.

Von diesen zwei Bildern und von der „Abtei im
Eichenwalde an einem Winterabend", ebenfalls um das
Jahr 1810 gemalt, — derselbe Gegenstand wie die
„Todtenlandschaft" von Körner mit einem Leichenzug
schwarzgekleideter Mönche'2) — schrieb Carus bei
Friedrich's Tode: Es sind Arbeiten, „denen wir an eigen-
tümlicher Schönheit und Tiefe des Gedankens in dieser
Gattung durchaus nichts Verwandtes an die Seite zu
setzen wissen".

Hauptsächlich an Friedrich's Kunst denkt Carus
auch in seinen „Briefen über Landschaftsmalerei", wenn
er das subjektiv Zugespitzte in „der modernen Land-
schaftskunst" hervorhebt im Gegensatz zu der älteren
„ganz objektiven und naiven" Landschaft aus den glück-
lichen Zeiten des Aufschwungs: „Wenn der moderne
Künstler, eingeklemmt zwischen die Räder einer in hef-
tigem und sonderbarem Umschwünge begriffenen Zeit
und bei der Reizbarkeit des poetischen Gemütes, seine
Wunden nur um so tiefer empfinden muss, so tritt eine
Nötigung in ihm hervor, diesem Schmerz in seiner Kunst
eine Stimme zu geben. Daher der Ausdruck der Sehn-
sucht eigentlich vorherrschend ist in diesen Werken.
Leichensteine und Abendröten, eingestürzte Abteien und
Mondscheine, die Nebel und Winterbilder, so wie die
Waldesdunkel mit sparsam durchbrechendem Himmels-
blau, sind solche Klagelaute einer unbefriedigten Exi-
stenz. — Wir wollen damit nicht gesagt haben, dass
nicht oft Schönes, ja Außerordentliches in dieser Richtung
geleistet worden sei, vielmehr . . dass eben in dieser
Poesie des Schmerzes eine neue eigentümlich schöne
Seite der Landschaftskunst sich eröffnet habe!"

Es ist auch nicht die Meinung von Carus, dass das
schmerzliche Gefühl immer vorherrschen müsse. Aber
wir fühlen doch immer mehr oder weniger, dass „der
Wirkung des Bildes auf das Gefühl eigentlich mehr
nachgestrebt werde, als der Darstellung einer einfach
aufgefassten Naturwahrheit, und dass das Bild mehr
Symbol, mehr Hieroglyphe als Natur-Abbild sei".

1) Die Ausstellungskataloge der Berliner Akademie, die
mir nicht zu Gesichte gekommen sind, werden dazu dienen
können, die Zeit der Entstehung mehrerer von den Bildern
Friedrich's festzustellen.

2) „Die Abtei im Eichwald" und „der Mönch am Meeres-
ufer" gehören beide dem deutschen Kaiser, sind aber leider
schwer zugänglich, da das letztere sich im Schlosse Schön-
hausen bei Berlin, das erstere in Wiesbaden sich befindet,
wo — nach freundlicher Mitteilung von Dr. Paul Seidel —
sich noch ein anderes von Friedrich's symbolischen Haupt-
werken finden soll, „das Kreuz auf der Felsspitze",
 
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