Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

DOI Artikel:
Polaczek, Ernst: Die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0243
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
46g

Die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie.

470

einzige Mauerdurchbrechung, und zierliche Gold-
ranken, an etwas allzu stark aus der Mauer tretenden
Balkenköpfen aufgehängt, bilden den einzigen Aussen-
schmuck. Das Dach ist flach. Um die Halle grup-
pieren sich, sie um Stockwerkshöhe überragend, auf
drei Seiten die übrigen Räume. An einer einzigen
Stelle ist ein feierlicher Accord angeschlagen; In
dem auf die Harmonie von Schwarz, Blau und Gold
gestimmten Empfangsraum. Alles übrige ist ge-
mütlich und behaglich. Das Mobiliar rührt zum
weitaus grössten Teil von dem vortrefflichen Patriz
Huber, dem jüngsten Mitgliede der Kolonie, her,
und unterscheidet sich von vielem, was anderwärts
in der Ausstellung zu sehen ist, dadurch auf vorteil-
hafteste Weise, dass es zwar individuell, aber nicht
im mindesten bizarr ist. Einen besonderen Schmuck
des Hauses bilden die plastischen und kunstgewerb-
lichen Arbeiten Habich's: Brunnen, Kleiderhalter, ein
paar Bronzegriffe im Badezimmer von lustigster Er-
findung, Schmucksachen, vor allem aber die stattliche
Reihe der im Atelier ausgestellten Kleinbronzen, die
grossenteils in den Münchener Jahren des Künstlers
entstanden sind. Die Ausstellung enthält übrigens —
abgesehen von den im Ernst Ludwig-Hause zur An-
schauung gebrachten Entwürfen, von denen ich nur
einen der Ausführung in Marmor noch harrenden
Narciss hervorheben will — noch zwei grosse plas-
tische Arbeiten Habich's: Einen Wandbrunnen mit
einem aus der Quelle trinkenden Knaben, ein Relief
von wirklich reliefmässiger Auffassung, das für die
Zeit, da es vom Grün vollkommen umwachsen sein
wird, die allerschönste Wirkung verspricht; dann aber
zwei Kolossalfiguren am Portal des Ernst Ludwig-
Hauses, einen Mann und ein Weib, der Mann ganz
nackt, mit verschränkten Armen, den Kopf energisch
nach rechts gewandt, die Frau hingegen bekleidet
und ganz von sehnender Empfindung durchbebt.
Die rein plastische Aufgabe ist in diesen sicher
stehenden, geschlossen und einfach umrissenen Ge-
stalten eben so gut gelöst, wie der psychologische
Kontrast.

Etwas abseits von den übrigen Künstlerhäusern
hat sich Peter Behrens sein Haus erbaut. Er war
nicht nur sein eigener Architekt, er hat auch alle
Teile der Inneneinrichtung bis zum letzten Detail
selbst gezeichnet. So ist ein ganz einheitliches und
durchaus persönliches Werk entstanden. Nach allem,
was wir bisher gesehen, überrascht zunächst in der
Aussenarchitektur eine ausgesprochene Vorliebe für
Wandgliederungen und Umrahmungen. Zu dem
zarten Accord des rötlichen Daches mit dem hellen
Grau der Mauern tritt als dritter kräftigster Ton das
tiefe Grün der aus glasierten Thonplatten gebildeten
Verblendungen. Für die innere Gestaltung galt als
erster Grundsatz, dass die Hausbewohner nicht zu
gemeinschaftlicher Benutzung eines ganz grossen
Raumes genötigt werden sollten; jeder von ihnen
sollte die Möglichkeit haben, sich zu separieren.
Daher der Verzicht auf die Halle, die in den anderen
Häusern das centrale Motiv bildet. Neben dem feier-
lichen Musikzimmer, das auf die Harmonie von Tief-

blau und Gold gestimmt ist, wirkt das ganz in Weiss
und Rot gehaltene Esszimmer als ein fröhlicher Kon-
trast. Arbeits- und Schlafräume sind im ersten Stock
gelegen, in die Mansarden sind mit geschicktester
Ausnutzung der durch das Zusammentreffen gerader

; und schiefer Wände geschaffenen, an sich sehr un-
günstigen Verhältnisse Zimmer für die Kinder, für
Gäste des Hauses u. s. w. eingebaut. Wie das Ganze
eine geschlossene, sehr persönliche Einheit darstellt,
so ist auch wieder jeder Raum in sich durchaus ge-
schlossen und einheitlich. Dieser Absicht ist nicht

j nur die Farbe, sondern vor allem auch das Ornament
dienstbar gemacht, das in allen Teilen jedes Raumes
konsequent, jedoch selbstverständlich in material-
gerechter Abwandlung durchgeführt ist. Dem z. T.
freilich sehr kostbaren Material sind ganz besondere
Reize abgewonnen. Die Stimmung des Ganzen ist
festlich, nicht feierlich.

Das kleine Haus Glückert, dessen Innenarchitektur
und Ausstattung von Haber entworfen ist, entspricht
insofern nicht ganz dem Prinzip der Ausstellung, als
es nicht für ein bestimmtes Individuum gedacht ist.
Da wir aber nun einmal kein Volk von Künstlern
sind, und es schliesslich immer ein Ausnahmsfall
sein wird, dass ein Künstler ein Haus nach seinen
Träumen erbaut und einrichtet (genau genommen,
haben selbst in dieser Ausstellung nur Olbrich und
Behrens in ihren eigenen Häusern diese Aufgabe
ihrem ganzen Umfange nach gelöst), so kommt gerade
dieses Haus praktischen durchschnittlichen Verhält-
nissen näher als irgend ein anderes. Hier ist auf
das Feierliche ganz zu Gunsten des Gemütlichen

j verzichtet; jedes Stück ist sinn- und gebrauchsmässig
in der Konstruktion, wie in der Dekoration, und sehr
oft wird mit ganz einfachem Material die schönste
Wirkung erzielt.

Die anderen festen Häuser der Ausstellung waren,

I als ich sie sah, noch im Entstehen; sie bieten übrigens
nach dem Gesagten wohl kaum noch Anlass zu be-
sonderen Bemerkungen. Von den provisorischen
Bauten ist das Spielhaus eine doktrinäre Marotte
schlimmster Art. Den Gedanken, konzentrierteStimmung
zu erzeugen, suchte Olbrich zu verwirklichen, indem er
den ganzen, von einer flachen Tonne überwölbten
Raum ganz einheitlich mit tiefviolettem Tuch be-
spannte. Nichts von Profilen, nichts von Ornamenten!
Nur die Bühnenöffnung und der Bühnengrund sind
durch Ornamentierung, natürlich auf tiefviolettem
Grund, ausgezeichnet. Die Wirkung ist denn auch,
auf Spieler, wie Zuhörer, nicht stimmungerzeugend,
sondern stimmungtötend. — Das »Gebäude für Flächen-
kunst« ist ein Ausstellungshaus mit verschiebbaren
Wänden. Der Haupteingang ist in sehr künstlicher
Weise durch ein dem Bau in seiner ganzen Länge
vorgelegtes Blumenbeet verbarrikadiert; ist man aber
dann von den Seiten her eingedrungen, so kann man
sich in der That der günstigen Lichtverhältnisse und
der guten Anordnung der Bilder erfreuen. Die Auswahl
der Gemälde hat mit der Besonderheit der Ausstellung
selbst gar nichts zu thun. — Das Restaurant endlich, wie
die beiden anderen Häuser, ein Werk Olbrich's, be-
 
Annotationen