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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Polaczek, Ernst: Die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0242

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Die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie.

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Zweifel mit sehr viel Glück, unter geschickter Be-
nutzung der vorhandenen Strassenzüge und unter
vortrefflicher Anpassung an die Bodengestaltung ent-
worfen. Jedes der Häuser ist — auch in der Führung
der äusseren Linien — für seinen Platz im Zusammen-
hange des Ganzen gedacht. In der Detail-Ausbildung
der Aussen- wie der Innenarchitektur bleibt jedoch
sehr vie'les unverständlich und unerklärlich, wenn man
die Erklärung nicht in dem offensichtlichen Bestreben
Olbrich's, suchen will, das Selbstverständliche und
Natürliche auf alle Weise zu meiden, um jeden Preis
originell zu sein. Es war kein glücklicher Gedanke
des Künstlers den Haupteingang in offenkundiger Nach-
ahmung ägyptischer Bauwerke aus zwei mächtigen
hölzernen Pylonen zu bilden und — zwischen ihnen
ein Velum zu spannen. Pylonen brauchen not-
wendig einen anderen Hintergrund, als sie ihn
hier besitzen, etwas Massiges, etwas Aufragendes.
An dieser Stelle aber wirken sie — und hiezu
trägt auch das übrigens arg unpraktische Velum
bei durchaus als Jahrmarkts-Architektur. Am
Hause der Blumen«, einer unförmlichen, blau an-
gestrichenen Tonne mit achteckigen Ausbauten, vorbei,
eilen wir auf den Hauptplatz, der den schwach fallen-
den südlichen Hang des Hügels einnimmt. Auf der
Höhe lagert sich breit und niedrig das Ernst Ludwig-
Haus, am Fusse das mit gewölbtem Dache ab-
schliessende »Gebäude für Flächenkunst«. Zwischen
ihnen und seitwärts im Grün aber liegen die Künstler-
häuser, der eigentliche Gegenstand der Ausstellung.

Wir müssen Olbrich dankbar sein, dass er im
Hauptkatalog wie im Spezialkatalog seines Hauses
über die Ideen, die er verwirklichen wollte, über die
»Empfindungen, die nach seinen Zeichnungen aus-
geführt worden sind«, eingehende Mitteilung macht.
Das Ernst Ludwig-Haus ist ein Langbau, in dem sich
beiderseits an den centralen überhöhten Festraum die
Arbeitsräume, die von einem der Südfront vorgelegten
Gange aus betreten werden, anschliessen. Die an
sich nicht besonders schwierige Aufgabe scheint, so-
weit heute, da die Räume Ausstellungs- und nicht
Arbeitszwecken dienen, ein Urteil möglich ist, gut
gelöst. Aber warum ist das an sich sehr kleinliche
Dachgesims nur über das Mittelstück der in ihrem
ganzen Verlaufe völlig gleichartig behandelten Fassade
und nicht auch über die Seitenteile weggeführt?
Keine Kunst ist so logisch wie die Architektur, bei
Olbrich aber tritt sehr oft an Stelle des Logischen,
des Tektonischen die unverhüllte Willkür. Warum
hat der Künstler das untere Geschoss seiner Villa
mit einem breiten Friese blaugemusterter Chamotte-
platten umgürtet? Olbrich nennt als Grundprinzipien
des Aufbaues die »Natürlichkeit der Lebensauffassung,
die Forderung, ein Haus sein Eigen zu nennen, das
frei von falscher Pose ist und den ewigen Gesetzen
der Statik entspricht«. Aber feierlich, gesucht und
unnatürlich, wie die Sprache des Kataloges, der das
Simpelste in symbolischer Verkleidung ausdrückt, ist
auch die innere Ausstattung des Hauses. Der Haupt-
raum ist, wie in den meisten anderen Häusern auch,
eine durch zwei Geschosse durchgehende Halle mit

schweren, rechtwinklig gegeneinander gestellten und
geradlinig begrenzten Möbeln; er soll — dies sucht
der Künstler durch den einheitlichen tiefgrünen Ton
von Wand und Decke zu erreichen — nach oben
unbegrenzt erscheinen. Also so versteht Olbrich die
ewigen Gesetze der Statik, dies ist es, was er Ver-
meidung falscher Pose nennt? Gewiss, jedes der
Häuser wird die Probe auf seine Zweckmässigkeit
noch zu bestehen haben, von Olbrich's Hause aber
Iässt sich von vornherein sagen, dass es ein Muster
von Unzweckmässigkeit ist. Man denke nur: Das
Klavier steht auf einem im ersten Stock in die Halle
ragenden Balkon, der sich auf der anderen Seite
gegen den Podest der Haupttreppe öffnet. Das heisst
also nichts anderes als: Der »Raum des Lebens,
für Ernst und für Freude wechselnder Tage und
Wochen« ist unverschliessbar, man hört auf der
Treppe alles, was in der Halle, man hört in der
Halle alles, was auf der Treppe vorgeht, und das
Klavierspiel da oben wird entweder jede Kom-
munikation im Hause unterbrechen, oder selbst durch
die Kommunikation gestört werden. Man sieht, eine
wahrhafte Fülle von Möglichkeiten, sich das Leben
unbequem zu machen. Und weiter: Ist es zweck-
mässig, neben dieser Halle und in ganzer Breite
gegen sie geöffnet, das »Studio« anzuordnen, den
»Arbeitsraum, um ungestört die ersten Ideen zu
skizzieren«? Im ersten Stock finden wir dann das
Wohnzimmer, in welchem Weiss und ein tiefes Vio-
lett die einzigen Töne sind, den »Raum der Ruhe«,
den »Raum der Reinheit«, und im obersten Stock
das »grüne Gastzimmer«, wo derselbe Mann, der im
Vorwort »frische Natürlichkeit« postuliert, ein Fenster
so angeordnet hat, dass man »zeitig früh die Sonne
in quadratischer Form auf Tisch und Teppich liegen«
haben kann, und als Gegenstück dazu das rubinrote
Zimmer, das »den Zauber der scheidenden Sonne in
rubinroten Farben festhalten« soll. Nach all dem wird
man mit Erstaunen vernehmen, dass das Möbel, zum
Teil wenigstens, einfache zweckmässige Formen zeigt.

Die gegenüberliegende Villa »In Rosen«, die
Olbrich für Christiansen nach des künftigen Be-
wohners Ideen entworfen hat, zeigt innen wie aussen
die glühende Farbigkeit, die man aus den Bildern
des Künstlers kennt: Hell verputzte Mauerflächen mit
tieffarbigen Loggien und einem ganz mit Glasmosaik
belegten Erker auf dicken Säulenstämmen, darüber
ein giftiggrünes Dach mit blauem Ornament, die
Gesimse leuchtend rot. Und wie draussen, glüht's
auch im Innern, und es wird einen magischen, viel-
leicht etwas opernhaften Effekt geben, wenn am
Abend die Beleuchtung z. T. durch irisierende Glas-
kugeln zur Mitwirkung kommt. Aber wird selbst
ein so farbig empfindender Mensch, wie Christiansen,
dies auf die Dauer für den Alltag ertragen können?

Ludwig Habich's, des Bildhauers Haus, lädt sicher-
lich Menschen, für die das Feierliche eine Ausnahms-
stimmung ist, am meisten zum Bewohnen ein. Die
Aussenarchitektur, wohl das Beste, was Olbrich
geleistet hat, ist ungemein geschlossen. An der Haupt-
seite ist eine rechteckige Loggia über der Thür die
 
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