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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Schumann, Paul: Dreizehnter Tag für Denkmalpflege, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0014
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Dreizehnter Tag für Denkmalpflege

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Befehl des Kaisers die Instandsetzung der Kirche der
Abtei Orval, die von Rehorst und einem belgischen
Architekten geleitet wird. Dabei werden aber nur
die notwendigsten Arbeiten verrichtet, damit bei mög-
lichster Erzielung der Baubeständigkeit doch noch
nach Möglichkeit das malerische Aussehen der Räume
erhalten bleibt. Endlich berichtete am Vormittag des
ersten Verhandlungstags Dr. Bernath über das deutsche
Auslandsmuseum in Stuttgart, die bekannte für Deutsch-
lands Gegenwart und Zukunft bedeutsame Gründung.

A m Nach m ittag sprach zunächst Dr. GeorgHager,
Kgl. Generalkonservator der Kunstdenkmale und Alter-
tümer Bayerns, über die Restaurierung barocker
Kirchenaustattungen. Er führte folgendes aus:
In den deutschen, vor allem den süddeutschen Barock-
und Rokokokirchen, spiegelt sich die deutsche Seele
ebensogut wieder, wie in den gotischen Kirchen. Und
Mystik atmet das Rokoko wie die Gotik. Aber wäh-
rend der romanische und der gotische Stil den
Kirchenraum von der Natur abschließen, zu einem
ihr wesensfremden rein dichterischen Gebilde mit ge-
dämpfter Belichtung gestalten, herrscht in den Barock-
und Rokokokirchen Einklang von Natur und Kunst.
Die Barock- und Rokokokirchen des Alpenvorlandes
lassen in den Innenräumen die Stimmung, die Schön-
heit und den Jubel der in Licht und Sonne schim-
mernden Voralpenlandschaft fortklingen. In ihnen
steigert die Kunst die Natur. Sie sind aus frohem
Herzen geschaffen. Die Räume sind, von verschwin-
denden Ausnahmen abgesehen, auf den Einfall des
vollen, nicht gedämpfen Tageslichtes berechnet und
auf weißen Grundton der Wände. Das ganze Linien-
und Farbenspiel des Innern mit dem warmbräunlichen
Gesamtton der Altarblätter und dem blühenden Kolorit
der Deckenbilder bedarf zur Beseelung des vollen
Lichtes. Es ist eine nationale Aufgabe, den Kunst-
und Stimmungsschatz der Barock- und Rokokokirchen
sorgfältig zu erhalten. Viel Trost fürs Menschenherz
ist in diesem Schatz geborgen, ganz abgesehen von
den Kunstwerten. Am schlagendsten künden von
diesem Trost die gerade jenem Stil eigenen vielen
Wallfahrtskirchen, deren lichte und frohe Stimmung
das bekümmerte Herz erleichtert. Es bleibt eine Schmach
des 19. Jahrhunderts, daß man die Barock und Rokoko-
kirchen durch grauen und bunten Anstrich des Innern
und durch Lichtdämpfung in den Fenstern ihrer künst-
lerischen Seele beraubte und in Höhlenstimmung
tauchte. Aus künstlerischen, kulturellen und kirch-
lichen Gründen muß die Losung sein: Erhaltung der
Barockkirchen in ihrem alten Gepräge, soweit sie
nicht verrestauriert sind: Wiederherstellung der Barock-
kirchen in ihrem alten künstlerischen Geiste, soweit
sie verrestauriert sind. Weit mehr als bei den früheren
Stilen* will das Innere einer Barock- oder Rokoko-
kirche immer als Ganzes gesehen sein, nicht nur als
Raumschöpfung der Architektur, sondern auch als
dekorative Schöpfung der Ausstattungskunst. Die
Ausstattung durch Stukkaturen, Decken- und Wand-
bilder, Altäre, Kanzel und Orgel bedeutet erst die Voll-
endung der Raumschöpfung. Eine Fülle von Phan-
tasie, eine Fülle technischer und künstlerischer Meister-

schaft steckt in diesen Raumbildern. Jeder Eingriff
in Einzelheiten beeinträchtigt das Gesamtbild. Oft
meint man, bei Restaurierungen durch Abänderungen
das Ganze verschönern zu können. An alten Original-
werken gibt es nichts zu verschönern. Die mit so
vielen Restaurierungen verbundene Verschönerungs-
sucht ist ein unerträgliches Schulmeistern der alten
Künstler. Wenn wir die Schönheit der alten Werke
nicht verstehen, so müssen wir uns selber schul-
meistern. Auch für das Barock und Rokoko gilt der
Grundsatz: An einem von altersher überlieferten Kunst-
denkmal soll man ohne unbedingt zwingenden Grund
nichts ändern. Restaurierungen dürfen nur von durch-
aus geeigneten künstlerischen Kräften vorgenommen
werden. Mittelmäßigkeit und Stümperei ist fernzu-
halten. Die alten Denkmäler sind nicht zum Ver-
dienen da, wie so viele oft meinen. Dr. Hager be-
leuchtete weiter im einzelnen die Behandlung der
Wände, der Stukkaturen, die Tönung und Fassung
der Stukkaturen und ihres Hintergrundes. Den Decken-
bildern, die mit ihrer Perspektive, ihrer duftigen Farben-
stimmung, ihrer Andeutung der Öffnung des Raumes
nach dem Himmel und ihrer Versinnbildung des
Jubels der triumphierenden Kirche geradezu die Krö-
nung und Vollendung der Raumschöpfung bedeuten,
drohen große Gefahren durch mangelnde Ventilierung
der Innenräume. Verständnislos werden Änderungen
vorgenommen, die die Daseinsbedingungen der Decken-
bilder gefährden. Wichtig ist es auch, das Schöne
und das Lebendige der alten Verglasung und des
alten Kirchenpflasters zu wahren. Eingehend erörterte
der Vortragende weiter die Erhaltung und Restau-
rierung der Altäre und der anderen Einrichtungsgegen-
stände. Große Erfahrung, bedeutendes Können und
wirklich künstlerisches Fühlen sind beim Restaurieren
nötig. Vor allem aber auch Ehrfurcht vor der alten
Kunst. Wir wollen auf die Barock- und Rokoko-
kirchen nicht nur mit Bewunderung schauen. Wir
sollen aüch nur mit Scheu an ihnen rühren. Auch
die beste Restaurierung ist immer eine große Gefahr
für ein Kunstdenkmal.

Über Erhaltung alter Fassadenmalereien,
eine Frage, die für Augsburg mit seinen zahlreichen
bemalten Schauseiten besonders wichtig ist, sprach so-
dann Konservator Prof. Alois Müller - München.
Die meisten größeren Malereien sind in Fresko aus-
geführt, kleinere Malereien in Tirol und Süddeutsch-
land, namentlich auf dem Lande, vielfach auch in
Käse- oder Topfenfarben, und diese haben sich als
sehr haltbar erwiesen. Die Schäden an alten Fresken
sind 1. Abfallen ganzer Teile der Malerei infolge hohl-
liegenden Putzes; meistens infolge von ungleichen
Senkungen der Mauern oder von Erschütterungen
durch bauliche Änderungen; 2. Abwitterung der Far-
ben durch atmosphärische Einflüsse bei sonst gut er-
haltenem, hartem Verputz; meistens auf den Wetter-
seiten; 3. Mürbewerden des Putzes und Zerstörung
der Malerei von innen heraus, durch langdauernde
Ansammlung von Feuchtigkeit hinter dem Verputz
(Mauerfraß). Beim Abfallen ganzer Teile wird nach
Herstellung von Photographien und genauen farbigen
 
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