Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstfreund — Band 1.1874

DOI Artikel:
Ueber Berliner Kunstpflege
DOI Artikel:
Die Entstehung der Oper [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0013
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7


geldern hinreissen lassen. Der Verein aschenbrödelt mit Todesmuth weiter
nnd hofft von der Zukunft, was die Gegenwart versagt. Die Interessen
dieses Vereins waren bei den Ausstellungen und auch bei andern Gelegen-
heiten innig mit denen der berliner Kunstakademie verflochten. Bekannt
ist die Thatsache, dass letztere seit fast fünfzehn Jahren ohne Director in
republikanischer Selbstverwaltung verharrte, dass auch die berufensten Mei-
ster einen Antrag zur üebernahme dieser Stellung ablehnten und dass end-
lich fast jede Aussicht auf vorgeschriebeue reguläre Verwaltung schwand.
In diesem Augenblicke nun vollzieht sich das merkwürdige Ereigniss der
Wiederbesetzung, der Beendigung des Provisoriums, des Endes der »schreck-
lichen, directorlosen Zeit«, indem nämlich die Candidatur »Anton von Wer-
ners« alle Aussicht auf Gelingen hat, zumal sie durch Petition einer
Künstlercommission unterstützt wird.
Die Entstehung der Oper.
Was denn die Oper eigentlich sei -— das ist eine Frage, die seit langer
Zeit gethan wird. Wenn ein geistreicher Franzose sagte; „Was zu albern
ist, um gesprochen zu werden, dass setzt man in Musik und singt es“ —-
so hat er wohl nicht gemeint, jener Frage durch diese „Erklärung“ die fer-
nere Berichtigung genommen zu haben; er hat vielmehr den Opernzustand
seiner Zeit sarkastisch bezeichnen wollen. Wie denn auch der Schicksals-
tragödiendichter Müllner kaum gescholten werden kann, wenn er die Oper
als „das Rührei aus Kunst und Unsinn“ bezeichnete. Denn als „Oper“
mochte er wohl nur das kennen gelernt haben, was auch uns noch auf der
Scene nicht selten präsentirt wird und einem Rührei aus allerlei Unsinn
nicht unähnlich sieht. Man braucht dabei noch nicht einmal an Hrn. Tho-
mas’ Hamlet zu denken.
Es giebt ein altes englisches Sonett, welches dem Componisten Dow-
land gewidmet ist, und das man dem Shakespeare zuschreibt, in welchem
vier für uns bedeutungsvolle Verse enthalten sind. Sie lauten:
„If musicke and sweet poetry agree
As they must needs — the sister and the brother —
Then must the love be great twixt thee and me
Because thou lov’st the one and I the other.“ *)
Das Verhältniss, in welchem Dichtkunst und Musik zu einander stehen,
kann nicht einfacher und erschöpfender bezeichnet werden, als es hier durch
die Worte geschieht: sie sind Bruder und Schwester, wobei allerdings nicht
das verwandtschaftliche Verhältniss, sondern der Unterschied des Wesens
beider, das Männliche und Weibliche zu betonen ist. Es ist daher auch
kein neues Bild, sondern nur eine Weiterführung des gegebenen, wenn wir
alle die Kunstgattungen, in denen Wort und Ton verbunden auftreten,
heissen sie nun Arie, Melodrama, Oper, dem zu innigster Gemeinschaft ver-
einten Bunde von Mann und Weib, der Ehe, vergleichen. „Man und Weib
— Und Weib und Mann -— Reichen an die Gottheit an!“ heisst es in dem
bekannten Duett mehr wahr als schön.
Die Dichtkunst, das Wort, wäre also der Mann, die Musik, der Ton,

*) Stimmt Musik mit der süssen Dichtung überein — Wie es sein muss: die
Schwester mit dem Bruder, — So muss die Liebe gross sein zwischen dir und mir,
— weil du die Eine liebst und ich die Andre.
 
Annotationen