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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Heiden, Max: Orientalische oder polnische Seidenstoffe?
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0011

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ORIENTALISCHE ODEE POLNISCHE SEIDENSTOFFE?

Wenn dem Wappen nach die nahe liegende
Vermutung richtig ist, dass der Stoff als Tapete für
den im Jahre 1697 zum König von Polen erwählten
Kurfürst Friedrich August von Sachsen gewebt ist,
so kann Polen als Verfertigungsort in Frage kom-
men und auf die Ähnlichkeit mit den italienischen
und spanischen Seidentapeten aus der Zeit um 1700
wäre nur insofern Gewicht zu legen, als ein der-
artiges Stück die Veranlassung zu der Arbeit ge-

dem polnischen Adler und der polnischen Königs-
krone gleichen.

Fig. 5 ist die Abbildung eines Seidenbrokates,
dessen weisser derber Ripsgrund ein Muster aus
grüner Seide und einbroschirten Goldfaden enthält.
Zwischen wellig aufsteigenden sonderbaren Blatt-
ranken, welchen Blüten, kleines Blattwerk und
Früchte entsteigen, wechseln reihenweis nach rechts
und links gewendet Blütenstauden an einer Art von

Fig. 5. Seidenbrokat. Polen. Anfang des IS. Jahrhunderts.

Wesen sein kann. Bestärkt in der Annahme, dass
dieses Gewebe nicht italienischer oder spanischer
Herkunft ist, wird man ausser den schon angedeu-
teten missverstandenen Formen der Zeichnung durch
die eigentümlich derbere Technik, sowohl im Seiden-
grunde als auch in der Metalleinrugung. Doch noch
ein drittes wesentliches Moment kommt für polnische
J* abrikation sprechend hinzu, das ist das Vorhanden-
sein anderer Stoffe derselben Zeit, welche wieder auf
orientalischer Basis entstanden zu sein scheinen, in
Material und Technik aber jener roten Tapete mit

Gehege ab, dazwischen kleine Sterne. Einen merk-
würdigen Charakter haben die Blüten: die von China
nach Persien überkommene Form ist hier durch die
wunderliche Auflösung in Strahlen beinahe wieder
zum Originale zurückgeführt. Die als Gehege er-
scheinenden Blütenhalter deuten wahrscheinlich auf
missverstandene orientalische Schriftzeichen hin. Bei
diesem Stoff, meine ich, kann kaum von etwas an-
derem als von Polen die Rede sein.

Fraglicher ist es wieder bei dem unter Nr. 6
gegebenen Seidenbrokat; obgleich derselbe weisse
 
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