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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Brinckmann, Justus: Aus dem Museum für Kunst und Gewerbe zu Hamburg, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0015

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AUS DEM MUSEUM PUR KUNST UND GEWERBE IN HAMBURG.

9

Zeichner für den Holzfarbendruck haben in neuerer
Zeit in künstlerischen Schöpfungen von hohem Reiz
mit ihr gespielt. In der hamburgischen Sammlung
begegnen wir einem prachtvollen von Goto Itijo ci-
selirten Stichblatte, von dessen tiefbraunem, mit
leichtvertieften, dunkler getönten, mannigfach ausge-
bildeten Schneekristallen besätem Grund eine goldene
Mondsichel und hochaufliegende silberne Kirsch-
blüten sich abheben. Eine unserer Schablonen für
Indigofärberei zeigt in feinen Punktreihen die Zeich-
nung lose verstreuter Kirschblüten, grosser sechsfach
eingekerbter Rosetten, (die konventionelle Form des
Schnees, wenn nicht die malerisch naturalistische
oder die wissenschaftlich kristallinische Darstellung
beliebt wird) und kau-
ernde Häschen, welche als
mythische Bewohner des
Mondes hier diesen selbst
vertreten. Eine dritte Spiel-
art des Motivs, eine Kum-
me von etwa 200 Jahre
altemHizenporzellan, giebt
uns den Schlüssel zu jenem

Meissener Dekor. Ihr
oberer Rand ist aussen
mit breitem, blauem, nach
unten unregelmässig ab-
tropfendem Bande einge-
fasst, auf und neben wel-
chem die eben erwähnten
Schneerosetten teils in
regelmässigen Abständen
ausgespart, teils in Um-
rissen aufgemalt erschei-
nen. Diese Rosetten sind

teils mit roten Kirschblüten, die auch daneben
lose ausgestreut vorkommen, teils mit runden,
hellblauen Scheiben, teils mit leicht geschwun-
genem, wachsendem Gras ausgefüllt. Kirschblüten
und Gras gab der Meissener Maler, welchem ein
unserer Hizen-Kumme ähnliches Stück zur Hand sein
musste, wieder; die Scheibe Hess er fort, da er mit
ihr nichts anzufangen wusste, und doch war sie ge-
rade notwendig zur Vervollständigung der Dreiheit
der Dichterfreunde. Dass sie den Mond bedeute,
mag freilich nicht ohne weiteres klar sein — aber

Delfter Fayenceteller mit Muster „au tonnerre'

das windgebeugte Susuki-Gras ist im Geiste des Ja-
paners eine Art Leitmotiv des Gestirnes der Nacht,
ist es doch auch ein sehr alter, für das Kunstsre-
werbe zum sicher gehandhabten Motiv gewordener
Vorwurf der japanischen Landschaftsmaler, den sil-
bernen Herbstmond zu malen, wie er emporsteigt
über den schwankenden Halmen und fein begrann-
ten Rispen des Susuki-Grases — einer von den sieben
typischen Pflanzen, mit welchen der Japaner sich
im Spätsommer die Blumenwiesen — Hara —■ der
Berge geschmückt denkt. Vor mir liegt hier ein
etwa hundert Jahre alter, aus drei Blättern zusam-
mengesetzter Farbendruck des Utamaro: schlanke
junge Mädchen mit blassen Gesichtern, schwarzen

Haaren, in rosigen Gewän-
dern mit langen Schlepp-
ärmeln sind abends hin-
ausgezogen, einer von
ihnen nach, welche sich
schützend vor einen im
Gebüsche kauernden jun-
gen Mann stellt, dem
offenbar die Laternen der
übrigen Dämchen gelten.
Wogendes Susuki-Gras,
welches den Suchenden
fast bis zu den Schultern
reicht, sagt uns, wo wir
sind, und hinter ihnen
steigt denn auch riesen-
gross und silbern der Mond
empor.

Indem der Meissener

Maler sich den Mond ent-

liess, gab er den

gehen

poetischen Inhalt seines Vorbildes auf — freilich
hätten, auch wenn dieses nicht geschehen wäre, wohl
schwerlich die Gräfin Cosel und ihr königlicher Be-
schützer die drei weisen Freunde der Dichter er-
kannt. Uns aber möge dieses Beispiel nochmals
daran erinnern, dass wir auch heute nicht, auch dann
nicht, wenn wir von japanischer Kunst und Poesie
mehr wissen, als vor 180 Jahren, japanische Motive
blindlings nachahmen sollen. Dass wir von der poesie-
vollen Vertiefung der japanischen Zierkunst viel lernen
können und sollen, bleibt darum nicht minder wahr.

Ä

Kunstgewerbeblatt. N. F. II.
 
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