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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Riegl, Alois: Spätantike Stickereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0147

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SPÄTANTIKE STICKEREIEN.

nämlich die einzelnen liegenden Kreuzchen, aus denen
sich das Muster in Fig. 2 zusammensetzt, hervor-
zubringen , wurde ein Stück 1 mm breiten Silber-
lahns genommen, vermutlich in eine plattgedrückte
Nadel eingeführt und mittels letzterer nach Art des
Kreuzstichs in das lockere Gewebe eingestickt. Die
Enden des zu einem Kreuzchen erforderlichen
1 r, cm langen Silberlahns wurden unter die beiden
Kreuzbalken gesteckt, um das Ganze auf dem Ge-
webgrunde festzuhalten; ein Ende pflegt mit einer
Ecke unter dem oberen Kreuzbalken hervorzulugen.

wurden nämlich im Hingehen mit der Nadel einmal
die Schrägbalken von links nach rechts mit fort-
laufendem Silberlahn eingestickt und im Zurück-
gehen mit den Schrägbalken von rechts nach links
gekreuzt. Auf der Vorderseite sehen die Kreuzchen
zwar genau so aus als wie die einzeln eingestickten;
man vermisst nur die an letzteren hie und da her-
vorguckenden Enden. Auf der Rückseite dagegen
sehen wir nicht die gebrochenen S-Figuren, sondern
naturgemäß ebenfalls Kreuzchen, wenn auch viel
kleinere als diejenigen auf der Vorderseite.

Fig. 2. Stickerei aus Sakkarali. Österr.^Museum.

Auf der Rückseite zeigt jedes Kreuz die Figur eines
gebrochenen S.

Vorbedingung für diese Art der Stickerei war
ein lockeres Gewebe, das sich leicht durchbrechen
lässt, wie es Fig. 2 sehr deutlich veranschaulicht.
Das Muster musste sich naturgemäß auf die einfachsten
geometrischen Konfigurationen beschränken. Die
Gesamtverzierung der Binde besteht aus sechs Rau-
ten, deren zwei unser Ausschnitt in Fig. 2 zeigt.
Anfang und Ende der Binde sind in ähnlicher Weise
wie Fig. 1 durch Ansätze in Form von je drei wag-
rechten Linien bezeichnet. Diese Linien sind zwar
gleichfalls in Silberlahn hergestellt, aber in etwas
abweichender Stichart, indem hier die Kreuze nicht
jedes selbständig für sich eingestickt sind, sondern
fortlaufend unter einander zusammenhängen. Es

Die Silber- und Goldlahnstickerei ist heute noch
dem Orient besonders eigen, und zwar tritt sie über-
all dort entgegen, wo ein schütteres Gewebe die
Vorbedingungen dafür darbietet; häufig findet sie sich
auch auf Netzgruud ausgeführt. So auf der Bal-
kanhalbinsel, wo die in der sogen, serbischen Lein-
wand hergestellten Tüchlein gegen den Saum zu
absichtlich locker gewebt sind, um das Einsticken
des Metalls zu ermöglichen. Es finden sich aber
an diesen in der Regel bloß Einzelkreuzchen, in
versetzten Reihen eingestickt. Dagegen treffen wir
in Ägypten noch heute dieselbe Stickerei in den
beiden an unserem spätantiken Beispiel vertretenen
Abarten, und zwar gleichfalls unter Anwendung
zur Verzierung von Kostümstücken, wie unter an-
derem eine moderne blaue Tunika mit gewöhnlicher
 
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