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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Luthmer, Ferdinand: Möbel und Zimmereinrichtungen auf der Pariser Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0163
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MÖBEL UND ZIMMEREINRICHTUNGEN AUF DER PARISER AUSSTELLUNG

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Cuypers auf das holländische Kunstgewerbe ausübt.
E. J. van Wisselingh & Co. in Amsterdam zeigte
sich in seiner hübschen Ausstellung noch etwas be-
fangen in der Anwendung moderner Formen, in
denen sich der vielseitige Batik (Haag) ungleich freier
bewegte.

Bei den Vertretern des modernen Stils in Frank-
reich — wenig zahlreich im Verhältnis zur Gesamt-
masse — drängte sich die Betrachtung auf, wie
schwer die gänzliche Loslösung von der Tradition
in diesem Lande alter Kunstpflege ist. Nicht dass die
französischen Modernen, die im ganzen die Einflüsse
van de Velde's nicht verleugnen, in die Motive ihrer
historischen Stile verfallen wären. — Aber die
Schulung in jenen Stilgesetzen, die über allen histo-
rischen Stilen stehen, und die in ihrer Gesamtheit
dem Erzeugnis das Gepräge sichern, was wir ein-
fach guten Oeschmack nennen, diese bewahrt das
französische Möbel des modernen Stils vor allzu
häufigen Verstössen gegen Massstab, Gleichgewicht
und Rhythmus, die uns so manchen kühnen Versuch
in andern Ländern ungeniessbar machen. Freilich
finden wir auch hier Bizarrerien: so überrascht uns
Emile Galle (Nancy) durch einen übertriebenen
Naturalismus, der aus einem Büffet eine in Holz ge-
schnitzte Rebenlaube macht. Sein Landsmann Majo-
relle, sonst einer der allerfeinsten unter den fran-
zösischen Künstlern moderner Richtung, verbeisst sich
auf ein Motiv, das seine Tischmöbel mit sich
kreuzenden runden Bügeln überbaut. Im ganzen
aber sind diese französischen Versuche, wenn sie
auch keine starke und siegreiche Entwickelung der
modernen Ideen bezeichnen, von künstlerischer
Mässigung und Feinheit. So das Speisezimmer mit
erhöhtem Erkersitz von Plumet-Selmersheim, der
prächtige, vielleicht ein wenig von England beein-
flusste Speisesaal von Dämon & Colin (Maison Krieger),
die wenigen, aber mit feinstem Sinn für grosse
Wirkung bescheidener Motive komponierten Möbel
von Th. Lambert. Guimart, der im »Castel Beranger«
in Passy zuerst den Versuch gemacht hat, ein grosses
Mietshaus im modernen Stil konsequent bis zum
letzten Thürgriff durchzuführen, hatte einige Möbel
und Dekorationsstücke aus demselben vorgeführt in
jenem reservierten, etwas dürren Stil, der seine Motive
aus botanischen und osteologischen Präparaten zu
nehmen scheint. Eine Kaminpartie von Edme Flandrin
in Akajou mit Gold, prächtig in der Wirkung, zeigte
Einflüsse chinesischer Vorbilder. Eine andere, von
Bellanger in Nussbaumholz meisterhaft geschnitzt,
vielleicht in der Verwendung konstruktiver Motive
etwas pedantisch, benutzte in den aus Kupfer ge-
triebenen Flammen, welche den Kaminmantel um-
züngeln, dasselbe schiefe Motiv, welches wir in
Olbrich's Zimmer in Stickerei wiederfanden. Der
Speisesaal, den das Louvre-Magazin nach AI. Char-
pentier's Entwürfen ausgeführt hatte, war ein prächtiger
Raum von einheitlich-künstlerischer Conception. Louis
Bigaux hatte seine in gothischem Sinne rationell
konstruierten Möbel mit modernen Bizarrerien, nicht
zu ihrem Vorteil, bereichert.

BELEUCHTUNGSKÖRPER

ENTWURF VON ED. SIEDLE

AUSFÜHRUNG PAUL MARCUS, BERLIN

Eine besondere Stellung unter den Modernen
nahm der Pavillon ein, den die Union des Arts de-
coratifs nach Architekt Hoentschel's Entwürfen aus-
gestellt hatte. Dieser Künstler fasst die »neue Kunst«
in seiner Weise auf. Sein Hauptsaal war im Grunde
ein Pavillon in sichtbarem Zimmerwerk, wie man
wohl als Gabentempel bei Schützenfesten sieht. Diese
ziemlich derbe Konstruktion war aber in feinster
Schreiner- und Bildhauerarbeit ausgeführt, die Pfosten,
Schwellen und Kopfbänder mit Rosenguirlanden um-
rankt, welche die Konturen verschwommen machten.
Auch die Farbe war nicht glücklich: zwischen dem
Holzwerk in hellbrauner Farbe sind kupferfarbene
Stoffe mit in fast gleichem Tone eingestickten Lor-
beer- und Rosenzweigen eingespannt; die Hauptwand
wird durch ein sehr farbiges Landschaftsbild einge-
nommen. Herrscht im Hauptraum Braun und Kupfer-
rot, so ist der nebenliegende »Baderaum« ganz in
den unentschieden schmutzig-grünen Tönen des
Steinzeugs gestimmt, in welchem die Badenische
hergestellt war. Ein Vorzimmer, welches den sicht-
baren Eisenbau im Innern ästhetisch zu verwerten
suchte, war in stahlblauen Tönen dekoriert. So
wenig befriedigend die Gesamterscheinung der Räume,
so bewundernswert waren die Kunstwerke, welche
in schöngezeichneten Eckschränken darin Aufstellung
gefunden hatten.

Die bedeutendste unter den französischen Gruppen-
ausstellungen der modernen Richtung war unstreitig
der Pavillon des »Art nouveau Bing«. Er zeigte
in einem aus Vorraum und fünf Zimmern bestehenden
Ensemble, wie eine kunstsinnige, der neuen Rich-
tung unbedingt ergebene und dabei sehr wohlhabende
Dame ihre Wohnung einrichten würde. Auch hier

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