Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

DOI Artikel:
Kleine Mitteilungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0058
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KLEINE MITTEILUNGEN

51

WELTAUS-
STELLUNG
ST. LOUIS
1904

MUSIKRAUM
VON PROF.
H. B1LL1NG

ORGEL VON M. WELTE & SÖHNE, ORGEL- UND ORCHESTRIONFABRIK, FREIBURG I. BR.

sofort sichtbar zu reproduzieren. Deshalb sieht er
um so besser und dauerhafter als andere Menschen-
kinder. Man kann daher den Notschrei eines sozu-
sagen in seinen natürlichen Funktionen gestörten
Besuchers um so aufrichtiger teilen, je ernster es da-
mit gemeint ist.

Darum handelt es sich eben. Wer will zeichnen?
— Ist es ein Fachmann — kein vernünftiger Direk-
tor wird ihn in diesem guten Rechte, denn ein solches
ist es, zu kränken wagen. Nur gegen angeblichen
Mißbrauch will sich mancher schützen. So ist nicht
bloß in Hannover und Görlitz, sondern selbst in dem
musterhaften schweizerischen Landesmuseum zu Zürich,
also im Herzen der Demokratie — das Zeichnen ohne
eigene Erlaubnis unbedingt verboten. Ich selbst
wurde dort vor Jahren von der wachthabenden Dame
(denn dort besteht die hübsche Sitte, an Stelle männ-
licher Aufseher die scharfen weiblichen Augen zu ver-
wenden) einmal auf böser Tat ertappt und mit ganz
unzweideutigem Kraftbewußtsein von jedem Zeichen-
versuche abgemahnt. Das ist nicht angenehm. Ich
hätte meinem verehrten Kollegen am liebsten einen

Riesenlärm geschlagen — nur aus Prinzip. Die
Spionenriecherei, alles schulmeisterlich Bureaukratische
ist einer freien Kunstanstalt durchaus unwürdig.

Aber es gibt doch auch Einwendungen, die zuerst
entkräftet werden müssen, ehe man sie bekämpft.
Als ich mir kürzlich in einer öffentlichen Wiener
Sammlung vor einem Bilde einige Notizen machte,
schoß der Diener wie ein Drache auf mich los, um
mir das Zeichnen zu verbieten. Es fiel nicht ganz
leicht, ihm den Unterschied zwischen einem steno-
graphierten Satz und einer Zeichnung klar zu machen.
Und er umkreiste mich fort und fort, als handelte es
sich um Festungspläne. Das ist störend. Die Auf-
seher der öffentlichen Sammlungen haben überhaupt
keine Schulung, vor allem nicht im »Knigge«. Sind
die einen zu vertraulich und redselig, so sind die
anderen zu grob. Jene fühlen sich als Pädagogen,
diese als Polizisten. Als ich mich deshalb bei jenem
Sammlungsleiter über meine ungebetene Leibwache
beschwerte, nahm er ihn auch noch in Schutz und
begründete dies recht glaubwürdig mit der Zudring-
lichkeit gewisser Zeitungsillustratoren, welche durch
 
Annotationen