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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Bauernhaus und Arbeiterheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0071
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BAUERNHAUS UND ARBEITERHEIM

WELTAUSSTELLUNO ST. LOUIS 1904, AUSSTELLUNGSRAUM VON KARL SPINDLER

ST. LEONHARD, N.-ELSASS

Stellungen aus und täte man mit diesen Mitteln mehr
Künstlerisches für die Allgemeinheit, es wäre weit
besser.

Die Kunst eines Volkes äußert sich nicht allein
in seinen Domen, seinen Rathäusern und Palästen.
Wer sie da aufsucht, wo unter Anwendung be-
scheidener Mittel das Möglichste geleistet wird, dringt
vielleicht in ihr eigentliches Wesen weit inniger ein,
als wenn bloß nach den höchsten Repräsentanten
gegriffen wird; er wird auch dem wirklich Ursprüng-
lichen näher rücken, die Unterlagen der verfeinerten
Kultur kennen lernen. Damit soll keineswegs ge-
sagt sein, daß in diesen unteren Schichten durch-
weg der Ursprung dessen zu suchen sei, was unter
den Anforderungen erhöhter Lebensbedürfnisse sich
verfeinert, durchgebildet und den höchsten Grad
der Vollendung erreicht hat. In erster Linie gilt dies
von mancher dekorativen Erscheinung, die nicht aus
der Volkskunst hervorgegangen, sondern in dieselbe
nach berühmten Mustern hineingetragen worden ist.
Diese Dinge sind für eine Volkskunst keineswegs die
ausschlaggebenden, denn sie entstanden unter dem Ein-
flüsse herrschender Richtungen. Nur der Wunsch,

Zweckmäßiges und gleichzeitig Schönes zu schaffen, ließ
sie aufgenommen werden. Man wird bei den Erschei-
nungen, die hier in Betracht kommen, immer unter-
scheiden müssen zwischen dem, was ursprünglich und
dem was angenommen ist. Das letztere gibt sich fast
immer durch die vergröberte stilistische Form zu er-
kennen, während das erstere ohne sichtliche Stilmerk-
male dem Bedürfnisse und dem Stoffe gerecht wird
und dadurch die Bezeichnung einer künstlerischen
Leistung verdient.

Die Kräfte, die seit einem halben Jahrhundert störend
in diese Kreise durch ihr Besserwissen eingegriffen,
die Pest der städtisch baulichen Geschmacklosigkeiten
auch allmählich aufs Land verpflanzt haben, sind
nicht mehr in der Werkstatt, sondern auf höheren
Lehranstalten gebildet, wo der Zusammenhang zwischen
Mensch, Haus und Natur schon längst zu den un-
bekannten Größen gehört, der Drill dagegen, der
alles über einen Leisten schlägt, eine um so her-
vorragendere Rolle spielt. Haben die Leute den
nur richtig los, hat so ein Landmaurermeister oder
Baubeflissener sein Examen gut gemacht und den
Beweis erbracht, daß alle und jede Regung zu selb-
 
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