Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

DOI Artikel:
Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Bauernhaus und Arbeiterheim
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0075
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
68

BAUERNHAUS UND ARBEITERHEIM

WELTAUSSTELLUNO ST. LOUIS 1904, RAUM VON PROFESSOR M. LÄUGER, KARLSRUHE I. B.

alles in eine Flucht zu setzen, auch enthält jedes
Haus nur eine Wohnung. Man weiß, daß es weit
vernünftiger ist, freundschaftlichen Verkehr auf der
Treppe genau so zu meiden wie feindlichen. Beide
liegen immer dicht nebeneinander. Deswegen sind
Arbeitermassenquartiere immer eine verfehlte Ge-
schichte. Die Workmen-Cottages in Port Sunlight
bestehen aus fünf Häusern, deren beide äußersten
einen Risalit bilden, während die inneren drei in
leicht kurvierter Linie zurücktreten. Das mittlere ist
durch einen kräftigen Erkerausbau betont, die Haus-
türen der beiden äußersten nebeneinander unter ein
weit vorspringendes Schutzdach gelegt; die beiden
Flügelbauten weisen stark entwickelte Giebel auf,
während die mittleren drei Giebel der zurücktretenden
Häuser in bescheideneren Dimensionen gehalten sind.
Die Dachlösung ist einfach: eine durchgehende First-
linie, die in die Giebellinie der Eckhäuser einmündet.
Das Ganze sieht überaus malerisch aus, und zwar
nicht auf Kosten einer guten Grundrißlösung, die
überall im Erdgeschoß einen großen sehr hellen Wohn-
raum zeigt, dahinter Küche und Badezimmer. Rück-
wärts schließt ein kleiner Garten an mit Abort und
Kohlenraum. Der erste Stock enthält durchweg drei
helle Schlafzimmer, in deren größtem sich ein fest-

stehender, geräumiger Wandschrank vorfindet. Das
Ganze ist eine absolut künstlerische und außerordentlich
praktisch gelöste Leistung, die Verwandtschaft mit dem
Bauernhause daran deutlich zu erkennen. Völlig anders
in der Erscheinung, aber auch durchaus im Sinne älterer
ländlicher Bauten sind die Häuser von Bourneville
Village gehalten. Auch hier durchwegs Gruppen-
bauten mit vorspringenden und zurücktretenden Teilen,
die durchaus nicht etwa symmetrisch zueinander liegen.
Ein Eckflügel ist z. B. ganz in verputztem Mauerwerk
ausgeführt, der andere mit breit vorspringendem Giebel
und Parterre-Erker in Fachwerk, die dazwischen liegen-
den zurücktretenden Partien in verputztem Mauerwerk
unten, in Fachwerkbau oben. Überall ist das Fenster als
vorwiegend horizontal ausgebildete Öffnung behandelt,
nicht aber im Sinne des »Palastfensters«, das heißt
als vertikale Lücke. Die Grundrisse sind auch da
bei aller Einfachheit vorzüglich gelöst und beweisen,
durch die Berücksichtigung der Nebenräume, wie sehr
sich die berechtigten Lebensansprüche des einfachen
Mannes in England vorteilhaft unterscheiden von den
Lebensgewohnheiten anderer Nationen, deren Kultur-
stolz sich sehr gerne zu äußern pflegt, nur nicht
immer am rechten Orte. Gleiches läßt sich auch
von den Anlagen in Thornton Hough sagen. Auch
 
Annotationen