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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 16.1905

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Pabst, Arthur: Beobachtungen über gewerbliche Erziehung und praktischen Unterricht in den Schulen der Vereinigten Staaten von Nordamerika: Nach einem Vortrage, gehalten im Kunstgewerbeverein zu Leipzig am 31. Januar 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.4872#0202
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IN DEN SCHULEN DER VEREINIGTEN STAATEN VON NORDAMERIKA

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praktisch tätig. Die Schule ist also eine eigentliche
Handwerkerschule, unterscheidet sich jedoch von
unseren deutschen Handwerkerschulen durch die viel
stärkere Betonung des praktischen Unterrichts. Diese
ist allerdings für die amerikanischen Verhältnisse auch
viel notwendiger, weil dort, wie schon erwähnt, die
Meisterlehre noch mehr zurücktritt wie bei uns. Das
Wesentliche der praktischen Ausbildung in der New
Yorker Schule aber ist, daß sie sich ganz und gar
den Verhältnissen anpaßt, wie sie für das betreffende
Gewerbe in der Wirklichkeit bestehen. Es wird nicht
an Modellen gearbeitet, die Arbeit ist überhaupt keine
Nachahmung in kleinerem Maßstabe, sondern ent-
spricht durchaus der wirklichen Ausführung in der und technischen Fächer. In den wissenschaftlichen

spielt, beschränken sich andere gewerbliche Fort-
bildungsschulen auf theoretischen und Zeichen-
unterricht oder betreiben den praktischen Unter-
richt nur in bestimmten Fächern, hauptsächlich in
den Naturwissenschaften und im Maschinenbau. Eine
Schule dieser Art ist das Cooper Institute in New
York, das seinen Ursprung ebenfalls der Stiftung
eines reichen Mannes verdankt und mit sehr bedeuten-
den Mitteln rechnen kann (das Stiftungsvermögen be-
trägt 3lll<i Millionen Dollar und die Jahreseinnahme
130000 Dollar). Die Schule hat viele Tagesklassen,
hauptsächlich für das weibliche Geschlecht, und außer-
dem Abendklassen für fast alle wissenschaftlichen

Abteilungen werden alle Zweige der Mathematik ein-
schließlich ihrer Anwendungen auf die Mechanik be-
trieben, ferner Naturwissenschaften, für die besonders
reich ausgestattete Laboratorien in Physik, Chemie
und Elektrotechnik vorhanden sind. Der Kunstunter-
richt umfaßt alle Zweige des Freihandzeichnens, das
Zeichnen nach Gips und Ornamenten, Architektur-

Praxis. Die Maurer führen nach allen Regeln des
Verbandes Mauern und ganze Gebäude auf; die Maler
haben ganze Wände und die Anstreicher wirkliche
Türen und Fenster zur Verfügung; die Stukkateure
errichten Wände aus Gipsdielen; die Rohrleger und
die Techniker für Heizungs- und Beleuchtungsanlagen
führen solche Anlagen wirklich aus usw. Selbstver-
ständlich müssen bei dieser Arbeitsweise
sehr große Räume vorhanden sein, und
so nimmt auch die Schule in der Tat
einen großen Häuserblock zwischen der
67. und 68. Straße im Osten von New
York ein. Man hat eine ganze Wanderung
zurückzulegen, um von dem einen Ende
der Werkstatträume bis zum anderen zu
kommen.

Die Zahl der Schüler in den einzelnen
Klassen ist sehr groß, in der Regel sind
dann aber auch dem Lehrer mehrere Ge-
hilfen beigegeben, die unter seiner Leitung
unterrichten. Als Lehrer sind nur prak-
tisch erfahrene Leute angestellt. Mit der
Schule ist ein großes Wohnhaus verbun-
den, in dem die Schüler ein gutes und
billiges Unterkommen finden. Eine gut
eingerichtete Bibliothek mit Lesesaal fehlt
selbstverständlich nicht. Die Baukosten
der Schulgebäude beliefen sich auf etwa
300000 Dollar = l1/, Million Mark, die
jährlichen Kosten der Unterhaltung betra-
gen ca. 33000 Dollar. Das Schulgeld
schwankt für die einzelnen Abteilungen
und für die verschiedenen Jahre des
Besuchs, übersteigt jedoch in keinem Falle
den Betrag von 40 Dollar für den Tages-
unterricht und 16 Dollar für den Abend-
unterricht. Es werden nur junge Leute
im Alter von 17 bis 24 Jahren aufgenom-
men. Seit ihrer Begründung hat die
Schule mehr als 10000 Schüler ausgebil-
det. Dieselben erhalten nach dem Aus-
tritt durchschnittlich einen Wochenlohn
von 8 Dollar, der sich indes in der Regel
schon nach kurzer Zeit um etwa 2 Dollar

erhöht.

Während in der genannten Schule
der praktische Unterricht die Hauptrolle ALBIN MÜLLER, MAGDEBURG, ZIMMERECKE MIT SCHREIBTISCH
 
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