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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Schumann, Paul: Die dritte deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden 1906, [2]: die Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0218
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DIE DRITTE DEUTSCHE KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN 1906

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stärkende Empfinden bodenständiger Kraft, wie sie
im vererbten Eigenhaus und in alter Überlieferung wur-
zelt. Als eine technische Errungenschaft sind hervor-
zuheben die in tuffem Ton gehaltenen Steingutfliesen
der Wandverkleidung von Walter Magnussen, aus-
geführt in der Steingutfabrik Witteburg in Farge. Bei
sehr guter Wirkung und technischer Güte sind sie
sehr viel billiger als Steinzeugfliesen.

Zu der Diele kommt weiter ein Vorhof, den der
Bildhauer H. Leven bei engen Verhältnissen mit
einfachsten Mitteln geschickt ausgestaltet hat, dann
ein kleines wohnliches Zimmer für eine junge ver-
zärtelte Dame von Heinrich Vogeler in sanfter Farben-
stimmung und zierlicher Formengebung, endlich ein
streng wirkender Zierhof mit marmorbekleideten
Wänden von Karl Eeg, in dessen Mitte ein Brunnen
mit einer trefflichen Pelikangruppe von Hugo Leven
steht.

Berlin ist vertreten durch zwölf Zimmer von dem
Architekten Sepp Kaiser (Herren- und Bibliothek-
zimmer), Kurt Stöving (Salon), Schmutz-Baudiß
(Zimmer für das Porzellan der Königlichen Porzellan-
Manufaktur zu Charlottenburg), Alfred Qrenander
(Empfangszimmer, Gang in Stuck mit trefflichem
Brunnen in Email vom Maler Schirm, Wohnzimmer
mit Wandbildern, Lackarbeiten, Radierungen usw. von
Emil Orlik), Rudolf und Fla Wille (Eßzimmer), Bruno
Möhring (Hof mit Brunnen) Albert Geßner (Vor-
zimmer). Dazu kommt ein Ausstellungsraum mit
Möbeln der Firma E. P. Ball-Berlin nach Entwürfen
Grenanders, worin Emil Orlik wirksame dekorative
Wandgemälde, Ignaz Taschner und Gaul ausge-
zeichnete Skulpturen ausgestellt haben, und ein Vor-
raum vom Direktor Anton Huber in Flensburg, der
zum Berliner Werkring gehört. Unter diesen Berliner
Zimmern, die nicht durchweg feineren künstlerischen
Ansprüchen genügen, tritt als eigentlicher Prachtraum
das Empfangs- (und Musik-) Zimmer von Grenander
hervor: durch kostbare Materialien — indisches Ma-
hagoniholz und breite Flächen von rotweißem Kiefers-
felder Marmor — ist eine entschieden festliche Wir-
kung erzielt. Im einzelnen mag man das Hineinreichen
der unnötig hohen Stuhllehnen in die Mohrbutterschen
Wandbilder und anderes bemängeln. Geschmackvoll
ist weiter das Eßzimmer von Rudolf und Fla Wille
in grünem, schwarzem und grauem »Björkholz«
(das ist nichts weiter als gefärbte schwedische Birke);
wenn man auch die zusammengesuchten Ziermotive
(z. B. gotische Fischblasenornamente) nicht originell
finden wird, sind doch alle Möbel bequem und an-
sprechend in der Wirkung. Auch das Vorzimmer
von Albert Oeßner (Wandpaneel- und Heizkörper-
verkleidung sowie Möbel in Wassereiche mit Holz-
intarsien und Elfenbeineinlagen von J. C. Pfaff-Berlin)
erfreut im ganzen durch sachliche Behandlung der
einzelnen Stücke und geschlossene Gesamtwirkung.
Der Fußboden zeigt das sehr haltbare und auch
ornamentaler Wirkung fähige Hirnholzparkett von
Adolf Bürkle-Bruchsal i. B.

Weiter kommen wir zu Darmstadt, das im wesent-
lichen durch Joseph Olbrlch vertreten ist. Außer

einem einfachen Hof mit Gartenanlage hat er einen
Damensalon, ein einfaches Schlafzimmer und ein ein-
faches Speisezimmer ausgestellt, deren Möbel sämtlich
von der Firma H. Bindewald-Friedberg in Hessen
auf Grund eines neuen patentierten Emailverfahrens
behandelt und konstruiert sind. Die konstruktiven
Teile zeigen den natürlichen Holzton (Eiche), die
Füllungen die emaillierten Flächen, teils in blau, teils
in weiß. Natürlich geht durch das Emaillieren der
Holzcharakter verloren, aber das ist schließlich bei
weißlackiertem Holz ebenso der Fall. Die Gesamt-
wirkung ist gar nicht übel. Olbrich zeigt im übrigen
wieder seine raffinierte Geschicklichkeit, die hier auf
das Einfache, Geradlinige angewendet ist, und seinen
feinen Farbengeschmack. Nur die schwächlichen ge-
krümmten Beine des Schreibtisches im Damensalon
wirken entschieden krankhaft, sonst wird man Olbrich
keinerlei Anerkennung versagen. Das Empfangszimmer
eines Arztes von Alfred Koch, Darmstadt (graubraun
geräucherte Eiche mit kupferblauen Beschlägen) ist
praktisch durchgeführt ohne besondere Persönlichkeit.
In der Stuttgarter Abteilung nimmt Bernhard Pan-
kok den ersten Rang ein. Er gehört unter die her-
vorragendsten schöpferischen Kräfte der deutschen
dekorativen Kunst. Das sieht man immer wieder von
neuem, je eingehender man den großen Festraum be-
trachtet, den Pankok im Auftrag der kgl. württem-
bergischen Zentralstelle für Gewerbe und Handel in
Stuttgart entworfen und der in St. Louis die höchste
Auszeichnung erhalten hat. An der überaus sorg-
fältigen Ausführung der Schreinerarbeiten und Möbel
mit den reichen Einlagen, der Beleuchtungskörper,
Kunstbronzen und Beschläge, der Kunstverglasungen,
des Flügels, der Uhr, des Linoleumbelags usw. sind
die hervorragendsten Württemberger, meist Stuttgarter
Firmen beteiligt gewesen; die gestickten Sofakissen
rühren von den drei württembergischen Frauenarbeits-
schulen her, deren Arbeiten auch sonst einen ausge-
zeichneten Geschmack an den Tag legen. Der Raum
macht den Eindruck vornehmer gediegener Pracht
und zeigt im einzelnen eine solche Fülle von Zier-
motiven - besonders in den reichen Einlegearbeiten,
auch im Kronleuchter usw., — daß man sich mit
Staunen der unerschöpflich strömenden und doch nicht
zügellosen Phantasie Pankoks bewußt wird. Auch ein
Vorraum und ein Hof von Pankok zeigen das be-
deutende Können des Künstlers. Weiter enthält die
Stuttgarter Abteilung ein sehr geschickt gemachtes
Privatkupferstichkabinett von Rudolf Rochga in hellem
Eschenholz, bei dem auch das Streben, verschiedene
Materialien stilgerecht zur Geltung zu bringen, vor-
teilhaft in die Erscheinung tritt; sodann ein farbig
angenehmes Billard- und ein Gesellschaftszimmer von
Paul Haustein, bei dem nur das Zuviel der Formen auf-
fällt, endlich ein Bad mit Vorraum, entworfen von
Hans von Heider, ausgeführt von der keramischen
Abteilung der Kgl. Lehr- und Versuchswerkstätten
Stuttgart. Der pädagogische Zweck mag es erklären,
wenn auch hier an Verzierungen in verschiedenartigen
Techniken etwas mehr getan ist, als ein kleiner Bade-
raum verträgt.
 
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