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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Schumann, Paul: Die dritte deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden 1906, [2]: die Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0217

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188

DIE DRITTE DEUTSCHE KUNSTGEWERBE AUSSTELLUNG DRESDEN 1906

auch die Flotte zu erobern anfängt, wo sonst zum
Teil ein Luxus herrscht, der in gar keinem Verhältnis
zu der alltäglichen Bestimmung der Räume steht. Die
Aufgabe, die durch allerhand bestimmte Vorschriften,
durch die geringe Höhe der Decke, die Notwendig-
keit äußerster Raumausnützung usw. stark erschwert
wird, erscheint doch vollständig bewältigt. Riemer-
schmid und die Werkstätten haben mit den beiden
Zimmern ganz neue Typen für Räume in Seeschiffen
geschaffen, die ebenso geschmackvoll und wohnlich
sind, wie sie sich leicht in jeder Schiffswerft aus-
führen lassen. Von den weiteren preiswürdigen Taten
Riemerschmids und der Dresdener Werkstätten wird
noch die Rede sein, wenn wir die übrigen Äußerungen
der Luxuskunst besprochen haben.

Dieser gehören vor allem Henry van de Veldes
Räume an: eine Museumshalle mit ausgezeichnet
schönen, ernst monumentalen Wandgemälden von
Ludwig von Hofmann, ein Rauchzimmer mit hell-
farbigen Gemälden von Maurice Denis-Paris, endlich
ein Speise- und Anrichtezimmer. Stark bestritten ist
der künstlerische Wert des achteckigen Museums-
raumes, dessen Wände unten aus graurotem Marmor
und mattfarbigem gedämpftem Birkenholz, oben aus
weißem Stuck bestehen. Letzterer umgibt die Hof-
mannschen Gemälde, die durch unförmig massige
Messingkonstruktionen für die elektrischen Glühlampen
voneinander getrennt werden. Die Farbe ist nicht
wohltätig für die Wirkung der Gemälde, der Auf-
wand von Messing erscheint aufdringlich, und auch
sonst zeigen sich Mängel in der konstruktiven Durch-
bildung des Raumes. Geben wir diesen Raum somit
preis, so zeigen doch Einzelheiten, die beiden an-
deren gediegenen Zimmer aber als Ganzes, daß van de
Velde über ein sehr beträchtliches Können, ästhetisches
Feingefühl und Erfindungskraft verfügt, so daß er
Räume voll Schick und Vornehmheit zu schaffen
vermag, die raffinierten Ansprüchen entsprechen.
Manche neue Einzelheiten, wie die metallenen Griffe
an den weißlackierten Möbeln, die drehbaren runden
Schränke zwischen Speise- und Anrichtezimmer und
die eigenartige Anbringung von Schränkchen in den
Ecken werden bald genug Nachahmer finden.

Ganz das Gegenteil von van de Velde ist Paul
Schultzc-Naiimburg. Seine dreiräumige Junggesellen-
wohnung weist gar nichts von modischem Raffine-
ment und pikantem Nervenreiz auf. Alle Möbel sind
so schlicht und natürlich wie möglich im Sinne des
Biedermeierstils, der ihm vorbildlich ist bis auf die
kleinmustrigen Überzüge und Tapeten. Manchem
werden gerade diese unsympathisch sein und wer auf
modernem Standpunkte steht, wird die persönliche
Note vermissen, aber bequem, praktisch, ruhig, un-
aufdringlich und behaglich sind diese Möbel und die
gesamte Einrichtung unbedingt, wie sie auch an Sorg-
falt der Ausführung nichts zu wünschen übrig lassen.

Weiter folgen die Magdeburger Räume von Albin
Müller. Müller gehört zu unseren geschicktesten
Innenarchitekten. Ohne gerade selbständig Neues
zu bringen und ohne etwas zu wagen, verwendet er
mit Verständnis die gesicherten Ergebnisse der mo-

dernen Bewegung. Die Technik des Tischlers ist ihm
vertraut, so daß er dem Holz und seiner Bearbeitung
nichts Unmögliches zumutet, kurzum seine Wohn-
räume entsprechen künstlerischen Anforderungen eben-
sowohl wie den Wünschen bürgerlich behaglichen
Wohnens. Das Trauzimmer des Standesamtes der
Stadt Magdeburg (Abb. S. 175) geht in seiner feier-
lichen Vornehmheit vielleicht über die Erfordernisse
eines Raumes hinaus, der auch Leute von den be-
scheidensten Bedürfnissen aufzunehmen hat und auf
diese in seiner Pracht unbehaglich wirken muß. Aber
hier sowohl wie in dem Wohn- und Empfangszimmer
für das städtische Museum zu Magdeburg erfreut
man sich an der überaus sauberen Arbeit wie an der
Sorgfalt in der Auswahl der Materialien, und an der
Fülle verschiedenartiger, wohlbeherrschter Techniken,
die als stolzer Hinweis auf die Leistungsfähigkeit der
Magdeburger Kunsthandwerker dicht beieinander ge-
zeigt werden. Weniger gefällt uns der Vorraum des
Trauzimmers, der in grünem Marmorzement gehalten
ist. Zu den besten Leistungen bürgerlicher Wohn-
kunst gehört dagegen wieder das Herrenarbeitszimmer
für das Standesamt der Stadt Magdeburg — Wand-
vertäfelung und Möbel in rotem Mahagoniholz, Kamin
in Serpentinstein. Der Schreibtisch und ein selbst-
verstellbarer Lehnstuhl sind übereck rechts und links
vom Fenster angebracht. Man kann sich nicht leicht
etwas Bequemeres und Anheimelnderes für ein Ar-
beitszimmer vorstellen. Von den Einzelheiten in
Müllers Zimmer seien wenigstens noch die Fliesen-
platten und die keramische Türverkleidung im Kor-
ridor von Fritz von Heider erwähnt.

Sehr stattlich und ehrenvoll tritt zum erstenmal
die Stadt Bremen im Wettbewerb mit den anderen
deutschen Städten in einer Kunstgewerbeausstellung
auf. E. Högg, der Direktor des Bremer Gewerbe-
museums, hat dazu — auch zum erstenmal — die
Künstler, Handwerker und Fabrikbetriebe Bremens
zu einer gemeinsamen künstlerischen Tat zusammen-
geführt. Mit Recht hat er dabei an die örtliche Über-
lieferung angeknüpft, indem er als Hauptraum eine
Altbremer Diele schuf, wie sie z. B. im Essighaus
noch vorhanden ist. In die hohe weite Halle ist die
Treppe eingebaut; auf die gewöhnlich noch ein-
gebauten niedrigen Wohnräume mußte — der Ge-
fährlichkeit wegen - - verzichtet werden. Die massive
Schwere der Zimmermannskunst in der Konstruktion
der Halle hat stilgerecht auch für die Möbel den
Ton angegeben: »frühmittelalterliche Kerbschnitt-
motive und die volkstümliche Freude an der Tier-
und Fabelwelt geben die Schmuckformen. In be-
wußter Anlehnung an die Werke nordisch-germa-
nischer Frühkunst, die an der Nordgrenze des Reiches
besonders tief im Volke Wurzel geschlagen haben
und die in seiner Bauernkunst noch oft bis ins 19.
Jahrhundert nachklingen, wurde diese Formensprache
mit materialgemäßer moderner Empfindung frei gestaltet
zum Grundton der sämtlichen Arbeiten«. Die Bremer
Diele hat so ein entschieden deutsches, kraftvolles Ge-
präge erhalten, man hat hier — im Gegensatz zu
manch anderem dekadent anmutenden Räume - - das
 
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