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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0120

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

DIE KUNSTGEWERBLICHE ANSTALT DER
GESCHWISTER KLEINHEMPEL IN DRESDEN

Einige Proben, die wir gleichzeitig abbilden, entstammen
Vorlagen nach Arbeiten aus der kunstgewerblichen Lehr-
stätte, die seit einer Reihe von Jahren die Geschwister
Kleinhempel in Dresden führen und die auf dem Felde des
modernen Kunstgewerbes schon lange zu einem wohl-
begründeten Ruf gekommen ist. Wir möchten mit einigen
Sätzen der Prinzipien gedenken, welche die Leiter dieser
Anstalt in ihrer Lehrtätigkeit verfolgen. Das Lehrprinzip
der Geschwister Kleinhempel gründet sich im Ureigen-
sten auf die praktische Erfahrung und auf ein gesundes
Studium der Natur. Bemerkenswert dabei ist, daß den
Schülern dieser Lehranstalt eine unbedingt notwendige
Selbständigkeit in der künstlerischen Entwickelung nach der
Seite der jeweiligen Begabung hin gelassen wird und es
den Lehrern vor allem darauf ankommt, schlummernde
Begabungen zu wecken, sich überstürzende Regungen zu
dämmen, wilde Triebe in gesunde Bahnen einzulenken.
Erich Kleinhempel hat selbst einmal in kurzen Zügen nieder-
gelegt, was ihm bei seiner
Lehrmethode als die Haupt-
sache erscheint. »Ich lasse
meine Schülerinnen mög-
lichst weit auf unsicheren
Pfaden allein gehen und
pflege weniger zu korri-
gieren, als einem eifrigen,
aber mißglückten Versuch
einer Schülerin die bessere
Arbeit des Lehrers gegen-
überzustellen, da durch
diese Methode, Unreifes
und Reifes vergleichend
nebeneinander zu halten,
mehr erreicht wird als durch
eine sofortige Korrektur,
durch die die Selbständig-
keit der künstlerischen Em-
pfindung im einzelnen un-
bedingt vergewaltigt wird.«
So kann man in der Tat
unter den Proben der Klein-
hempelschen Anstalt Arbei-
ten von einer Hand sehen,
die trotz unmittelbarer Auf-
einanderfolge dennoch so
verschieden sind, daß,

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 5

KISSENSTICKEREI VON FRL. ELSA VON KRACHT
ATELIER KLEINHEMPEL-DRESDEN

wenn man nicht die gerade Linie einer gesunden Ent-
wickelung erkennen würde, man von einem sprungweisen
Emporsteigen zur künstlerischen Höhe reden könnte. Die hier
abgebildeten Arbeiten sind zufällig alle drei textilen Cha-
rakters, so eine Weberei, einen Möbelbezug aus der be-
kannten Fabrik von Wilhelm Vogel in Chemnitz, eine
Stickerei für Kissen und eine Aufnäharbeit. Diese Arbeiten
entstammen alle der Klasse von Erich Kleinhempel, der
selbst ursprünglich Flächenkünstler war, in letzter Zeit
aber mehr für Innenausstattung im allgemeinen tätig ist.
Das Programm der Lehranstalt beschränkt sich aber keines-
wegs nur auf Textilarbeiten, sondern umfaßt gleichmäßig
Buchbindearbeiten, Möbelentwürfe, Entwürfe für Teppiche,
Eisen, Gold, Stein, Glas, Buchschmuck; kurz alle Gebiete
des kunstgewerblichen Schaffens derGegenwart sind Zweige
dieser Lehranstalt. Neben Erich Kleinhempel müssen noch
die Geschwister Gertrud und Fritz genannt werden, die
hauptsächlich das Studium der Natur auf dem Gebiet der
Zoologie und der Botanik lehren. Ein eigenes Wort über
die so fein beseitete, echt künstlerisch begabte Gertrud
Kleinhempel, von der man nur selten Arbeiten, dann aber
auch Werke feinsten Geschmackes und höchster technischer

Vollendung sieht, wäre
recht sehr am Platze. Ihr
Hauptgebiet ist Figür-
liches. Ihre graphischen
Arbeiten und ihre Studien
dürfen sich ruhig neben
Leistungen vielgenannter
Künstler stellen. Am be-
kanntesten in weiteren
Kreisen sind die Geschwi-
ster Kleinhempel durch ihr
Spielzeug geworden, das
sie zuerst brachten und das
derVorläuferdes sogenann-
ten Dresdener und neuen
erzgebirgischen Spielzeugs
war, jener bedeutenden
Konkurrenzen für Nürn-
berg, die in der künstleri-
schen Neugestaltung des
Kinderspielzeugs einen
sehr bemerkenswerten Zug
gebracht haben, den man
als den bedeutendsten Bei-
trag^ zum Kapitel »Kunst
im Leben des Kindes«
für alle Zukunft notieren
mußte.

■bn.

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