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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Pazaurek, Gustav E.: Die Dresdener Ausstellung: durch die rosige und durch die schwarze Brille gesehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0272

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BEMERKUNGEN ZUR 3. DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN 1906 239

Tafelgeschirre aus Hartporzellan mit Unterglasurdekoren. Porzellanmanufaktur Burgau a. S. Ferdinand Seile

DIE DRESDENER AUSSTELLUNG

DURCH DIE ROSIGE UND DURCH DIE SCHWARZE BRILLE GESEHEN

Von Gustav E. Pazaurek-Stuttgart

EIN jedes Ding hat — wenn auch nicht sfereo-
metrisch, so doch wenigstens nach dem Sprach-
gebrauche — zwei Seiten, und wenn man beide
möglichst gleich beleuchtet, kann man nicht in den
Verdacht kommen, entweder ein kritikloser Panegyriker
oder aber ein professioneller Nörgler und leberkranker
Pessimist zu sein. Gerade ein so grandioses Unter-
nehmen, wie es die heurige »dritte deutsche Kunst-
gewerbeausstellung« in Dresden ist, ein wirkliches
»Dokument deutscher Kunst«, verträgt nicht nur, son-
dern fordert geradezu den allerstrengsten Maßstab,
denn hier ist eine so überwältigende Summe ehr-
lichster planmäßiger Arbeit und gediegensten Strebens
vereinigt, daß es sicherlich eine Beleidigung wäre,
wollte man hier mit landläufigen Höflichkeiten und
nichtssagenden Komplimenten, die bei Regionalaus-
stellungen am Platze sein mögen, kommen.

Setzen wir zunächst die rosige Brille auf! Ge-
radezu glänzend sind Disposition und Programm,
und — was das wichtigste dabei ist — das Pro-
gramm blieb nicht nur auf dem geduldigen Papiere,
wie dies sonst leider die Regel zu sein pflegt,
sondern es wurde auch tatsächlich durchgeführt, und
zwar selbst in der Industrieabteilung mit einer bis
heute beispiellosen Rigorosität und Strenge, die das
vollste Lob aller Einsichtigen verdient. Die sonst
stereotypen Ausstellungs-Gschnaswaren, die sich bei
anderen Gelegenheiten so gerne, am liebsten in vor-
nehmer Nachbarschaft, breit machen und uns die
Freude an allen Ausstellungen so gründlich zu ver-
derben pflegen, sind hier — mit ganz vereinzelten
Ausnahmen (z. B. Adolf Hamanns Dresdener Por-
zellan oder einzelne Verirrungen der Pforzheimer
Industrie) — zum Glück ganz ausgeschlossen worden.
Kein Wunder, daß es schon zur ErÖffnungszeit von
Protesten aus industriellen Kreisen regnete, und daß
sich die Veranstalter durch ihr unerschrockenes Vor-
gehen manche Feindschaft zuzogen; aber um so mehr
sind wir ihnen zum aufrichtigsten Danke verpflichtet.

Die Führung haben selbstverständlich die Künstler;

aber ebenso wie deren Namen sind auch sämtliche
an der Ausführung beteiligte Firmen auf das Gewis-
senhafteste registriert, so daß von einer ungerechten
Zurücksetzung nicht die Rede sein kann. Aber nebst
feinem künstlerischen Empfinden war auch eine hohe
Diplomatie erforderlich, um die vielfach heterogenen
Kreise von Nord und Süd, West und Ost unter einen
Hut zu bringen. Und sie kamen wirklich alle, alle,
die einen klangvollen Namen haben und — was noch
mehr gilt — wirklich ein starkes Können, eine aus-
gesprochene Individualität aufweisen.

Das Programm ist nahezu universell und durch
eine ökonomische Teilung der Arbeit ist es fast rest-
los aufgearbeitet worden. Neben zahlreichen Wohn-
und Festräumen, die man auch früher anzutreffen
pflegte, gibt es nun Andachtshallen für die ver-
schiedenen Konfessionen, Amtslokalitäten zu dem oder
jenem Zwecke, einen Museumssaal (der Dr. Lehmann-
Altona zur besonderen Ehre gereicht), Eisenbahnwarte-
säle und Schiffskajüten, eine ganz ausgezeichnete
Friedhofsanlage, gediegene Verkaufsläden, ungemein
anheimelnde und zweckentsprechende Arbeiterhäuser
(bei denen sogar die Rentabilität für den Fabriksherrn
auf Heller und Pfennig ausgerechnet ist), Garten-
häuschen usw. Und wenn man sich nun vergegen-
wärtigt, daß alles bis in die letzte Einzelheit, z. B. beim
Zigarrenladen bis zu der Adjustierung der Zigarren-
kistchen (zum erstenmal, endlich!) sorgfältigst durch-
geführt ist, dann gewinnt man erst die richtige Vor-
stellung von dem riesigen Umfange des Erstrebten
und zum Teile auch Erreichten.

Gerade die allerbekanntesten deutschen Führer
des Kunstgewerbes überraschen in Dresden, wo es
sich nicht um einzelne Virtuosenstückchen, sondern um
ein großzügiges Ensemble handelt, wenig; im Vorder-
grunde stehen diesmal zwei, allerdings auch schon
bewährte Persönlichkeiten, denen es aber bisher noch
nicht vergönnt war, so dominierend aufzutreten; der
Münchener Richard Riemerschmid (zugleich auch die
Seele der Dresdener Werkstätten) und der Magdeburger
 
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