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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0054

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

BERLINER FÄCHERAUSSTELLUNG 1905

In den angenehm ausgestatteten Räumen von Fried-
mann & Weber ist am 21. Oktober mit einer Ansprache
H. van de Veldes die lang erwartete Berliner Fächer-
ausstellung eröffnet worden. Mit Recht konnte man ge-
spannt sein auf diese Kollektivdarbietung eines Zweiges
des modernen Kunstgewerbes, der bisher sich nur kümmer-
licher Pflege zu erfreuen gehabt hatte. Hier und da sind
ja bereits Künstler mit Entwürfen und fertigen Objekten
hervorgetreten, einige Firmen auch haben sich eine Re-
generation dieses Luxusartikels angelegen sein lassen, aber
im ganzen wurde die künstlerische Ausbildung des Fächers
bisher stiefmütterlich behandelt. Nun hat die Berliner
Ausstellung etwa 200 Fächer vereinigt, von der Hand,
resp. nach Entwürfen von Künstlern und Künstlerinnen,
deren einige zu den regsamsten und fruchtbarsten Förderern
der modernen kunstgewerblichen Bewegung gehören. Mit
wenigen Ausnahmen sind es deutsche Namen, die uns
der Katalog nennt — daher bietet die Ausstellung eine
günstige Gelegenheit, sich über den Stand der heutigen
deutschen Fächerindustrie,besserFächerkunst, zu unterrichten.
Daß die Aussteller Selbstbewußtsein besitzen und glauben,
Erzeugnisse von eigenem inneren Wert geschaffen zu haben,
geht allein daraus hervor, daß man sich nicht gescheut
hat, den modernen Fächern eine Kollektion von etwa 100
alten gegenüberzustellen und so zu einem Vergleich direkt
herauszufordern. Diese alten Fächer stammen zudem meist
aus dem klassischen Zeitalter der Fächermode: aus dem
Rokoko.

Puderquaste, Schönheitspflästerchen und Fächer ge-
hören unzertrennlich zu der Vorstellung, die wir uns vom
Rokoko zu machen pflegen. Hervorragende Künstler ver-
schmähten nicht, mit Pinsel, Feder und Radiernadel den
Fächer für die Hand der Schönen zu schmücken, und diese
wußten sich der zarten Waffe mit einer Grazie zu bedienen,
die eben nur im Rokoko, der Glanzperiode der graziösen
Porzellanfigürchen, möglich war. Das Empire wahrte sich
noch die Vorliebe für den Fächer; aber dann, in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, sank seine Wertschätzung zu-
gleich mit dem Untergang der tändelnden Idyllenschwärmerei
und der koketten, sprühenden Kauserie. Gegen Ende des
Jahrhunderts erst wurde das duftige Instrument wieder
zum notwendigen Requisit der Damentoilette und wurde
für würdig befunden, von Künstlerhand geziert zu werden.
1891 veranstaltete man in Karlsruhe eine Fächerausstellung,
die das künstlerische Niveau der Fächerindustrie zu heben
berufen war. Wie an der heutigen Ausstellung hatten sich
beste Kräfte an dem Wettbewerb beteiligt. So bunt es
sich naturgemäß zeigte, war das Bild doch von einem ein-
heitlichen Charakter. Überwiegend war die Malerei, als
ausgeführtes Bild oder als leichte, frisch hingeworfene
Skizze. Irgendwelche neue Dekorationsprinzipien aber —
abgesehen von der Neubelebung der alten Rokokomotive —
waren nicht zu finden.

Und gerade das ist das Erfreuliche an der jetzigen
Ausstellung. Man hat sich darauf besonnen, daß das
Blatt des Fächers kein beliebiges Stück Papier, Leder oder
Seide ist, auf dem man eine Landschaft, ein Genrebildchen
oder dergleichen in derselben Weise ausführen darf, als
wenn es hinter einen Goldrahmen gespannt werden sollte,
und daß das Blatt eines Fächers eine ganz bestimmte
Form hat, die eine andere dekorative Behandlung verlangt,
als das Blatt eines Skizzenbuches oder eine rechteckige
Bildleinwand.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVII. H. 2.

Eine der Hauptforderungen derneuen kunstgewerblichen
Reformationsbestrebungen ist es ja, daß Material und Form
jedes Gegenstandes dem Dekor das Gesetz vorschreibe,
daß mit der allzu »stilvollen Anschauung des 19. Jahr-
hunderts gebrochen werde, die den Schmuck über Zweck
und Wesen des zu schmückenden Dinges stellte. Ganz
sind wir ja von dieser Erbsünde immer noch nicht befreit,
und so wird naturgemäß auch auf dem Gebiet der Fächer-
dekoration noch viel gesündigt. Ich will nicht einzelne
Stücke der Berliner Ausstellung einer abfälligen Kritik unter-
ziehen, vielmehr auf das aufmerksam machen, was mir
einer gründlicheren Beherzigung wert zu sein scheint.

Es scheint so unglaublich natürlich, daß eine Komposition
für den Fächer sich der runden Form des Fächerblattes
anzupassen hat, das heißt auf einer kreisrunden Basis auf-
gebaut werden muß. Musterhaft hierin ist ein Entwurf
»Terpsichore« von Hans Christiansen, während viele andere
für diese Forderung gar kein Verständnis bekunden. Viel
Unheil richten in dieser Beziehung bis heute die Rokoko-
fächer an, deren figurale Kompositionen meist horizontal
entwickelt sind, bei denen aber der mißverstandene Witz
darin liegt, daß sie alle eine ornamentale Umrahmung be-
sitzen, und daher lediglich als Ausschnitt eines größeren
Ganzen wirken. Vorbildlich sollte das Rokoko aber stets
für den Maßstab der Figuren bleiben. Fächerbilder, deren
Figuren die ganze Höhe des Blattes einnehmen oder,
wenn sie sitzend dargestellt sind, weit über den Rand der
bemalten Fläche hinauswachsen müßten, sobald sie sich
erheben würden, sind Krudifäten, vor denen auch die
Berliner Ausstellung leider nicht bewahrt geblieben ist.
Der Schwerpunkt der Fächermalerei liegt aber nicht
mehr, wie früher, in den figürlichen Kompositionen, sondern
in der Dekoration mit stilisierten Pflanzenformen. Auf
diesem Gebiete sind sehr erfreuliche Leistungen zu ver-
zeichnen, wobei man sich allerdings immer wieder klar
machen muß, daß eine stilisierte Form zur Dekoration
jeder Fläche viel leichter zu verwenden ist, als die Naturform.

Noch muß bemerkt werden, daß für alle Malerei __

im Gegensatz zur letztvergangenen Epoche — möglichst
zarte, durchsichtige Stoffe, besonders feinste Seide und
Gaze gebraucht werden, sehr zum Vorteil für den duftigen,
feinen Charakter des Fächers. Diese Stoffe erlauben auch
eine Montierung ohne doppeltes Blatt und machen wegen
ihrer Transparenz das Bemalen der Rückseite überflüssig.
Die große Menge der modernen Fächerblätter aber
sind Erzeugnisse der Textilkunst: ihr Dekor beruht auf
Spitzen oder Stickerei mit und ohne Zuhilfenahme von
Metallflittern. Ganz entzückende Arbeiten dieser Art meist
von Frauenhand gefertigt, liegen in den Vitrinen und
Schränken der Berliner Ausstellung. Der Spitzenfächer
dessen duftigste Exemplare nur den Zweifel wachrufen'
ob sie auch ihrem eigentlichsten Zwecke, dem Zufächeln
von Luft, vollauf genügen können, scheint die größte Zukunft
zu haben, wohingegen die »Linien«, die an einem großen
Möbel, an Schmucksachen usw. wohl Stimmungswert haben
können, weil sie aus der Form des Ganzen heraus geboren
sind, für die feststehende Form des Fächers nicht geeignet
sind, und in der ewigen Wiederholung kleiner Motive nur
ermüdend wirken.

Die Gestelle weisen, was Material und Schmuckform
anlangt, eine große Mannigfaltigkeit und handwerklich
meist sehr gute Bearbeitung auf.

Besondere Beachtung verdienen einige, von C.F.Morawe
gefertigte Fächer, die die alte Form des Stielfächers wieder
aufnehmen, und bei denen der elegant gearbeitete Elfen-
 
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