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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Hevesi, Ludwig: Volkskunst und Hausindustrie in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0126

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VOLKSKUNST UND HAUSINDUSTRIE
IN ÖSTERREICH

I

BRUSTKREUZ AUS MESSING. HUZULISCH

Von Ludwig Hevesi

M Österreichischen Museum (Wien) hat soeben eine
merkwürdige und zugleich denkwürdige Ausstellung
stattgefunden. Volkskunst und Hausindustrie aller öster-
reichischen Kronländer, weit in die Jahrhunderte zurück,
aber zugleich in die Zukunft hinaus, da die Ergebnisse der
neueren staatlichen und privaten Bestrebungen (Fach-
schulen usw.) sich anschließen durften. Die Fachmuseen
der diesseitigen Reichshälfte trugen das ihrige dazu bei,
vor allem das Museum für österreichische Volkskunde in
Wien, dessen Direktor, Dr. Michael Haberlandt, der erfolg-
reichste Forscher auf diesem Gebiete, sich durch die Orga-
nisation der Ausstellung ein großes Verdienst erworben
hat. Ihm und der kräftigen Initiative des Hofrats Artur
von Scala, Direktors des Österreichischen Museums, der
einen ganzen Stab von Spezialisten des Faches in den Dienst
der Sache stellte, ist das Zustandekommen der ersten um-
fassenden Ausstellung dieser Art zu danken, die auch für
lange Zeit die letzte bleiben wird, da die Zusammenstellung
eines solchen altkunstgewerblichen Panoramas aus Tausen-
den von Einzelheiten nicht bald wieder möglich werden
dürfte. Auch hat das k. k. Obersthofmeisteramt dem Unter-
nehmen eine ansehnliche Subvention zugewandt und die
Regierung es in jeder Weise unterstützt. Der Katalog der
Ausstellung (an 400 Seiten stark) gibt auch eine zusammen-
hängende Schilderung des ganzen Arbeitsgebietes, aus be-
rufensten Federn, so daß er für weite Kreise dauernden
Wert hat.
Die Mannigfaltigkeit des Schauspiels war ungewöhnlich. Die Verschiedenheit der Volksstämme, das
exotische Element der slavischen Länder, die Urwüchsigkeit des Oebirgsvolkes, das Bodenständige der dem
Boden und seinen Produkten entstammenden Arbeit, das alles ergab einen kaleidoskopischen Anblick.
Und dabei gliedern sich die Zeiten, der Fabriksbetrieb und die städtische Mode dringen bei dem regen
Handelsverkehr in all die Altertümlichkeit ein, rotten alte Techniken aus, kneten den Geschmack der Bauern
förmlich um. Namentlich in den deutschen Ländern, wo die Schulbildung mehr durchgreift und die
Städte häufiger sind, wimmelt es von toten und sterbenden Gewerbekünsten. Man denke an Nieder-
und Oberösterreich, wie sie in alledem von Wien abhängen. Die Bauernmajoliken von Brunn am Stein-
felde sind ausgestorben, wie die goldgestickten »Linzerhauben«, die noch vor 50 Jahren fast obligat waren.
Höchstens daß es in den Bauernhäusern um Enns und Amstetten, dann zwischen Steyr und St. Florian
noch hübsch bemalte Möbel gibt. Aber die Viehtau, wo die alte Schnitzkunst des Salzkammerguts ihr
Nest hatte, macht ihre berühmten bemalten Holzlöffel nicht mehr, und auch die niedlichen »GoJenbüchsen«
nicht, in denen die Taufgeschenke aufbewahrt wurden. Schon das Holz beginnt den Schnitzern auszugehen.
Jeder Mensch in Viehtau soll früher alljährlich einen ganzen Ahorn- oder Buchenstamm aufgearbeitet haben;
dagegen lehnen sich nun die Forstverwalfungen auf. In einem Schnitzerland ist die Holzfrage eine Lebens-
frage. Selbst in dem vielsclmitzenden Tirol hat die klassische Zirbelzeit aufgehört, und die Masse der
Waren wird billiger und schlechter aus Fichtenholz geschnitzt. Manches Objekt freilich wehrt sich gegen
jedes Surrogat, und die Kärntner »Zockn« (Holzschuhe) lassen sich nur aus Buchenholz schnitzen. Daß es
an Schnitzgenie in diesen Ländern nicht fehlt, habe ich selbst bei Gelegenheit wahrnehmen können. In
Neuberg an der Mürz fand ich einst eine förmliche Sehenswürdigkeit. Da hatte der zwölfjährige Sohn
eines Arbeiters im dortigen großen Eisenwerk dieses ganze äußerst komplizierte Werk als hölzernes Modell
nachgeschnitzt, über einem Bach, den er als Triebkraft benutzte, so daß er es nach Belieben in Gang
setzen konnte. Die Ausflügler schenkten ihm einen Batzen für die Besichtigung. Solches Talent kann
sich selbst auf künstlerische Stufe erheben, wie bei dem verstorbenen Hallstätter Schnitzer Johann Kininger,
welchem Dr. Haberlandt vor seinem Tode einige treffliche Schnitzsachen abkaufte. Man sah sie in der
Ausstellung. Die alte Baderin (Kiningers Schwiegermutter), wie sie mit ihrem Handwerkszeug auf dem

Kunstgevverbeblatt. N. F. XVII. H. 6 ,
 
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