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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

DOI article:
Hevesi, Ludwig: Volkskunst und Hausindustrie in Österreich
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0127

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io6

VOLKSKUNST UND HAUSINDUSTRIE IN ÖSTERREICH

TSCHECHO-SLAVISCHER HAUSRAT AUS DEN SUDETENLÄNDERN

Markt zu Hallstatt sitzt und auf Kunden wartet; und
den ersten Napoleon, zum Trommler degradiert, aus
österreichischem Patriotismus natürlich. Ein Original-
talent dieser Art ist auch ein gewisser Madraz in
Fulpmes (Stubai), der bloß in Miniatur schnitzt, aber
mit fast japanischer Kunstfertigkeit. Man sah solche
Sachen in der Ausstellung, darunter sogar eine histo-
rische Gruppe: Andreas Hofers Gefangennahme. Auch
ein besonders schönes Exemplar der altbeliebten
Weihnachtskrippen sah man ausgestellt; eine ganze
Stadt, mit allem Zubehör, einen Berg hinan gebaut
bis in den Himmel hinein, mit unsäglicher Technik
geschnitzt und alles beweglich, mit Wasserkraft zu
betreiben. Solche Virtuosenstücke guckten wohl die länd-
lichen Talente den Rokoko-Wasserkünsten von Hell-
brunn (bei Salzburg) ab. Auf wirklichen Kunsttrieb
gehen auch die bäuerlichen Glasbilder zurück, die
etwa noch in Sandl (Mühlvierlel) und Außergfild
(Böhmerwald) verfertigt und durch Hausierer in allen
Kronländern vertrieben werden.

Die alte Tracht, die sich in Tirol noch am zähesten
erhält, hat sich schon fast völlig in den Museen
niedergeschlagen. Wie viel Kunst ist von naiven
Händen des 16.—18. Jahrhunderts daran gewandt
worden. Wie geschmackvoll sind diese »Kropfbänder«
(Halsbänder), »Haarstecher« (Haarnadeln), »Fürtuch-
klemmer« (fibelartige Hemdbroschen), durchbrochenen
und mit farbiger Zinnfolie belegten Beinkämme ge-
arbeitet; eine Alt-Sterzinger Hausindustrie voll drasti-
scher Einfälle in Ornamentik und Figuralität. Wie
stattlich schauen die Tiroler Taschenuhren drein, diese
»Bauerneier« im Schildkrotgehäuse mit schwersilbernen
Ketten und Anhängseln. Dazu gehören an den
Fingern nicht minder ansehnliche silberne »Antoni-
ringe« und Raufringe. Und um den Leib her ein

breiter »Bauchranzen«, das Sattlermeisterstück, mit
Zinn- und Messingstiften ausgeschlagen oder sehr
eigentümlich mit Pfauenfederkielen gestickt, wie sie
noch jetzt in Tirol vorkommen. Und gestickte Hosen-
trägerbänder von Nassereith. Die Salzburger haben
ihr Silberfiligran, das Jakob Reitsamer in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts eingebürgert hat. Die
Egerländerinnen tragen ihre eigentümlichen acht-
eckigen Messingbroschen von schier hieratischer Stili-
sierung, die vor zwanzig Jahren sogar bei den ele-
ganten Damen in Mode kamen, seither aber wieder
vergessen sind. Dazu alle die kunstreiche Leinen-
und Seidenstickerei, ganz herrlich z. B. in Steiermark.
Die älteste noch erhaltene ist dort das prächtige
Kirchengewand der Nonnenabtei zu Goß, das die
Äbtissin Kunigunde um die Mitte des 12. Jahrhunderts
gestickt hat. Von da bis zu den Goldstickereien der
Unterinntaler Hüte, welche die dortigen Kellnerinnen
im Winter noch jetzt verfertigen, ist ein weiter Weg.
In alter Zeit machten sich die Weiber ihre Muster-
bücher selbst, nach entlehnten Motiven, und signierten
sie sogar mit Namen und Jahreszahl. Die berüchtigte
Mitte des 19. Jahrhunderts räumte auch damit auf,
und der kreuzgestickte Löwenpudel trat sein Reich
an. Jetzt mühen sich Fachschulen und Hausindustrie-
vereine (Aussee) um Läuterung des Geschmacks. In
Steiermark, wo es einst ganze »Töpferdörfer« gab
(Mooskirchen und Premstätten bei Graz), wird durch
die Schule jetzt auch die Majolika neu belebt. Die
Salzburger Bauernmajolika, die von 1740 bis 1814
blühte, ist ganz eingegangen. Auch die Pfeifen-
schnitzerei zeigte sich in der Ausstellung recht inter-
essant. Sie geht bis ins 17. Jahrhundert zurück und
benutzt später Perlmutter und Messing (Doppeladler!)
zu zierlichen Einlagen.
 
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