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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0187

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

TRINKI'OKAL VON HANS ZE1SSIG
GESAMTANSICHT

EIN TRINKPOKAL VON HANS ZEISSIG

In eigenartiger Weise hat der junge Leipziger Bildhauer Hans Zeißig
in einem köstlichen Werk edler Kleinplastik die Aufgabe gelöst, einen
Familienpokal aus Silber zu schaffen, der gleichzeitig durch seine reizvolle
Symbolik wie durch die außerordentlich geschickte Art der Komposition
das Interesse weiter Kreise beanspruchen darf. Der Künstler hat hier zum
erstenmal eine Lösung versucht, die der häufig als störend empfundenen
Schwere eines solchen zum Umtrunk bestimmten Stückes aus dem Wege
geht, ohne daß darunter die Idee des Familienbechers, der an der Tafel
nach altgermanischem Brauch die Runde machen soll, gelitten hätte. Der
Bildhauer hat keinen Prunkpokal in herkömmlicher Form geschaffen, son-
dern das reine Kunstwerk verkörpert sich allein in dem prächtigen Ge-
häuse, das den Pokal in Becherform aus glattem massivem Silber in sich
schließt. Das ist eine außerordentlich geistvolle und technisch neue Lösung
des Motivs. Die Arbeit wurde auf Bestellung für einen Leipziger Groß-
industriellen verfertigt und ist ein Geschenk der Eltern an die Kinder.
Es soll sich als Erinnerungsstück durch die Generationen hindurch fort-
erben. Zwölf Pfund Altsilber sind allein in diesem Prachtstück verarbeitet
worden, das, wenn man daraus einen einzigen Pokal gefertigt haben
würde, kaum zum Umtrunk an der Tafel geeignet wäre. Die äußere
Form des Werkes erinnert an die eines hohen Gosenglases. In dem
prunkvollen Gehäuse hat der Künstler poetisch die Idee der Familie ver-
körpert. Drei wundervolle, weich modellierte Reliefs an der unteren
Hälfte in der Mitte der Rundung symbolisieren in allegorischen Idealgestalten
die Lebensalter des Menschen. Zwei mächtige Topase am Fuß zwischen
reizenden Puttenköpfen sollen ein Sinnbild von Vater und Mutter sein, deren
Namen unter den Steinen eingegraben sind. Oben auf dem kunstvoll kom-
ponierten Deckelstück des Prunkgefäßes verkörpern kleinere Topase, von
denen ein jeder in einer ihm eigenen und charakteristischen Form ge-
schnitten ist, die Schar dankbarer Kinder. Auch hier steht über jedem
Edelstein der Name des
einzelnen Familienglie-
des. Das Ganze wird
überkrönt von einer
idealistisch aufgefaßten
Jünglingsgestalt, zu de-
ren Füßen sich die
Wappen des väterlichen
und mütterlichen Ge-
schlechts anlehnen. Der
eigentliche Becher, aus
dem der Trunk ge-
schehen soll, ist in das
untere Teilstück hinein-
gesetzt, aus dem es zur
Hälfte herausragt, um,
solange er nicht seinem
Zwecke gemäß ge-
braucht wird, dem
Deckelaufsatz als Stütze
zu dienen. Einer nähe-
ren Beschreibung des
Details überheben uns
die hier beigegebenen
Abbildungen. Hinge-
wiesen sei nur noch
auf die Ausführung der
plastischen Verzierun-
gen, die dem jungen
Bildhauer, der selbst
lange als Goldschmied becher des trinkpokals
 
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