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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0229

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

ALTE GAR-
TENPLASTIK
VonJos.Aug.Lux

Eine unvergäng-
liche Herrlichkeit
und Heiterkeit ist
in den alten ba-
rocken Garten-
schöpfungen aus-
geprägt, eineGroß-
zügigkeit und Fest-
lichkeit, die mitten
im heutigen Alltag
einsam und unver-
standen dasteht,

als darbende
Schönheit, die nur
deshalb darbt, weil
die Sinne fehlen,
sie zu bewundern.
Noch immer wa-
chen an den Stufen
die schweigenden
Sphinxe, starr und
steinern, und lä-
cheln. Noch immer
tanzen auf den Ge-
ländern die Amo-
retten, voll unbän-
diger Freude und
Ungeduld harrend,
daß sich das for-
menreiche Gittertor öffne, und die Fürstin hervortrete,
und ihren zarten Fuß auf die weißen Marmorstufen setze,
die auf- und niedergehen und ewig harren. Noch immer
treiben die anmutigen Putti ihr köstlich unartiges Spiel
mitten in den Teichen, fangen ihre Delphine, lassen das
Wasser hochaufspritzen, der alte Faun mit dem unwider-
stehlich lächerlichen Bocksgesicht erhebt sich schilf- und
schlammbedeckt und probiert seine Wasserkünste, läßt aus
der Nase einen Strahl aufschießen, wenn auch das eine
Nasenloch längst mit Erde verstopft ist und den Dienst
versagt. Noch immer stehen die säuberlich geschnittenen
Laubwände in geraden Alleen, auf einen zentralen Punkt
zulaufend, wie ein heiliger Hain irgend eine edle Plastik,
einen schönen Brunnen als kostbares Juwel einschließend,
aus den Nischen treten die plastischen Bilder von Göttern
und Genien hervor, nicht in ehrwürdiger, Anbetung heischen-
der Haltung, sondern leicht geschürzt, zu Spiel und lockeren
Abenteuern angetan, galant und zierlich, in Tanzschritt-
oder Menuettbewegung, als beziehungsreiche Allegorien
höfischer Liebesfeste. Jupiter ist nicht der Donnerer, son-
dern der Amphitryon des Moliere, die Musen gleichen den
Hofdamen aus der Zeit Ludwigs XIV., die Göttersprache
der Olympier ist Monsieur und Madame! Wenn die aben-
teuerlichen Schatten über die Gärten sinken, und die lärmen-
den Kinder, die Dienstmädchen, die Soldaten und Lieb-
haber verschwunden sind, dann mag es einem dünken, als
bewegten sich diese steinernen Gebilde und wandelten die
Kieswege auf und nieder, in Puderperücke und Reifrock,
die Wasser plätschern als melodische Begleitung zum sanften,
tändelnden Liebesgeflüster, leise klirrt der Degen, Seufzer

sterben im verschwiegenen Dunkel der liebestrunkenen
Nacht, und wenn je ein verspätetes Liebespaar Arm in
Arm geschlungen zwischen den Laubwänden auftaucht,
dann umkleiden es die schlummernden Stimmungen dieser
geheimnisvollen Gärten mit ihrer ganzen Zauberkraft,
und man mag ein Ewig-Menschliches in der vergäng-
lichen Form einer längst entschwundenen Zeit erkennen,
die an diesem Orte lebendig wird. So mag man noch
ferne Mächte in der Gegenwart nachfühlen, und die Wieder-
erstehung eines Geistes fühlen, den wir längst verschollen
und begraben wähnten. Sicherlich, der Geist, der in diesen
alten, barocken Gartenschöpfungen lebt, wird wieder seine
Auferstehung feiern. Nicht die Götterpose, nicht die mytho-
logischen Allüren, nicht der Reifrock oder die Puderperücke,
überhaupt nicht, was zeitlich, oder was Mode ist, und da-
her rasch hinwelkender Vergänglichkeit unterworfen, son-
dern die ewig menschlichen Grundprinzipe, die, auf die
materielle Umgebung angewendet, Kunstprinzipe heißen,
die zwar auf Zeiten vergessen werden, aber eigentlich nie
verloren gehen können. Wir haben nun freilich heute ganz
darauf vergessen, daß wir an diesen barocken Garten-
schöpfungen noch viel zu lernen haben. Wenn wir heute
die verloren gegangene Gartenkunst wiederfinden, wenn
wir imstande sein wollen, unseren Hausgärten jenen be-
strickenden Zauber, jene Anmut, die sie einst, vor hundert
und zweihundert Jahren besaßen, zu geben, wenn wir
öffentliche Garten- und Parkanlagen schaffen wollen, die
wahrhaft einen Genuß für den Stadtmenschen und eine
Vermehrung der städtischen Schönheit bedeuten sollen,
dann müssen wir unser Auge zu allererst wieder zum Ver-



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