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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Bernhard, Otto: Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0053

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40

GARTENKUNST

Vortrag, den er auf der erwähnten Hauptversammlung
des deutschen Gartenbauvereins über seine Garten-
idee hielt, führte er besonders den Vorgarten und
die gärtnerische Dekoration öffentlicher Plätze auf.
Wir können noch hinzufügen: öffentliche Gärten und
Anlagen innerhalb der Stadt und — ein sehr ver-
nachlässigter Punkt — Schmuck der Lichthöfe unserer
öffentlichen Gebäude. Bei Vorgärten ist zweifellos
das dekorative Prinzip das richtige, denn er dient
nur zur Schau, nicht zur Benutzung. Das Wichtigste
wäre es allerdings, unseres Erachtens, wenn die Grund-
besitzer gesetzlich verpflichtet würden, das Vorgarten-
gebäude der Stadt in Erbpacht oder zu Eigentum zu
überlassen. Man wäre dann in der Lage, eine ganze
Straße nach einheitlichem Plane gärtnerisch anzulegen.
Verbietet man jetzt dem Grundherrn, auf seinem
Boden zu bauen, wie er will, verbietet man ihm so-
gar, sein Grundstück einzuzäunen, wie er will, und
zwingt ihn, sein Eigentum den Blicken aller preiszu-
geben, so dürfte ein solcher Zwang zur Überlassung
des Geländes an die Stadt zwecks Errichtung öffent-
licher Anlagen kein ungerechtfertigter Eingriff in das
private Eigentum sein. Ebenso wünschenswert wäre
es, daß an Stelle der jetzigen sinnlosen Art, die Straßen
und Plätze mit Bäumen zu bepflanzen, eine dekorative
Gartenkunst trete. Für den Familiengarten glauben
wir jedoch Olbrichs Kunst ablehnen zu sollen. Schon
wegen der Ausschließlichkeit der Farbe. Ein blauer,
gelber oder roter Garten als Gebrauchsgarten gedacht,
würde sich nicht wesentlich unterscheiden von Hirsch-
felds Rubriken: »der angenehme«, »der feyerliche«,
»der muntere«, »der sanft-melancholische Garten«.
Ein solcher Garten würde in den alten Fehler ver-
fallen, mit Stimmungen zu arbeiten, und würde damit
einem der Grundprinzipien aller angewandten Kunst
ins Gesicht schlagen. Die angewandte Kunst ist
Rahmenkunst; sie hat keinen anderen Beruf, als unsere
Stimmungen und unser Leben, das wechselt täglich
und stündlich, aufzunehmen und anschmiegsam zu
begleiten. Neutralität ist also ihre erste Tugend. Wie
man in der Zimmereinrichtung vom Einfarbensystem
zum Mischen der Farben übergegangen ist, so wird
man auch im Gebrauchsgarten die Farben mischen
müssen. Die Aufdringlich-
keit und Unentrinnbarkeit
einer einzigen Farbenstim-
mung wäre auf die Dauer
unerträglich. Aberauch we-
gen der oben dargelegten
wesentlichen Gründe, die
die Teppichgärtnerei aus
dem Gebrauchsgarten aus-
schließen,istOlbrichsKunst
auf das rein dekorative und
repräsentative Gebiet zu
verweisen. Schließlich wür-
de die konsequente Durch-
führung des Prinzips dazu
führen, eine ganze Anzahl
von Bäumen und Gewäch-
sen von geringer dekora-

tiver Wirkung, aber sonst nützlichen Eigenschaften, aus
dem Garten zu verbannen, was doch nicht angängig
erscheint. Im Gebrauchsgarten sind das Haus, die
Terrain- und klimatischen Verhältnisse, sowie die Be-
dürfnisse und Neigungen des Besitzers, die gegebenen
Größen, aus denen der Gartenkünstler einen vernünftigen
Grundplan herauszuentwickeln hat, der Architektonik mit
Freiheit des Wuchses der Einzelpflanze vereinigt. Ter-
rassen werden dabei nur bei bedeutenderer Ausdehnung
und beträchtlichen Niveauverschiedenheiten verwendet
werden können, da sie sonst ihren gliedernden Zweck
verfehlen und kleinlich wirken. Wasser, in fließenden
oder springenden Brunnen, macht, wenn die Um-
rahmung nur einigermaßen künstlerisch, immer einen
guten Effekt. Bassins bedürfen einer gewissen Größe,
um als Spiegel oder »Auge« schön zu sein. Rück-
sicht muß natürlich auch im Gebrauchsgarten auf
das Dekorative genommen werden, nur darf es nicht
das leitende Prinzip sein. Es ist daher unbedingt
beizustimmen, wenn Zobel1) die Verwendung der
sogenannten Friedhofsbäume im Hausgarten empfiehlt,
um eine lebhaftere Mischung des Grüns zu erreichen.
Behrens' Garten wird in vielem Vorbild sein können,
nicht nur hinsichtlich des Prinzipes der Anlage, haupt-
sächlich auch hinsichtlich der Gartenausstattung mit
Lauben, Pergolen usw. Auch aus England wird man
sich manche allgemeine Lehre holen können. Vor
allem wird man die Ängstlichkeit beim Gebrauch der
Schere verlernen. Wir reden dem Beschneiden von
Bäumen wie Bux, Eibe, Lorbeer, Orange, Zitrone
und ähnliches, nicht nur deshalb das Wort, weil es
äußerst verwendbare architektonische Momente schafft,
sondern auch hauptsächlich, weil es den Bäumen einen
ausgesprochenen Charakter, gleichsam eine Seele gibt.
Es gibt in England alte beschnittene Bäume und
Hecken, die den Eindruck lebendiger Wesen machen
und laut zu reden scheinen. Ferner können wir von
den Engländern die Sparsamkeit mit Motiven lernen,
namentlich in unmittelbarer Nähe des Hauses. »Das
Ruhige ist des Unruhigen Herr«, sagt Laotse. Wir
häufen meist viel zu viel Effekte, von denen dann
einer den anderen totschlägt. Vor allem das Haus
braucht Ellenbogenfreiheit, um als Architektur zu

wirken. Bei allem sollen
wir aber immer nur lernen
vom Ausland, nicht nach-
ahmen. Denn auch in
England werden Fehler
gemacht. Das Wesentliche
bleibt immer: Augen auf,
weg mit der Gedanken-
losigkeit und Zerfahren-
heit und — Künstler her-
bei! Denn die Vernunft
allein hat noch kein
Kunstwerk geboren, dazu
braucht es der Phantasie.

OARTENANLAGEN VON PETER BEHRENS

1) Victor Zobel, Über
Gärten und Gartengestal-
tung.
 
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