Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Zu Joseph M. Olbrichs Gedächtnis: eine Charakteristik des Menschen und des Künstlers
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0109

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
102



ZU JOSEPH M. OLBRICHS GEDÄCHTNIS







|. M. Olbrich

Vorgartenanlage am Hause Olbrich in Darmstadt')

die Pflicht, die Echtheit dieses Dokumentes zu prüfen und zu erklären. Nie war die Mission der macht-
vollen Persönlichkeit größer, als in solchen Zeitverhältnissen. Es hätte zahlloser Beispiele solcher persön-
licher Initiativen bedurft, um die künstlerischen Minoritäten zu stützen und zu fördern. Es bedurfte einer
Sanktion, der unberechenbaren Tragweite des hohen, weithin sichtbaren Auftrages, der auf die Allgemeinheit
die zwingende Kraft eines Symbols ausübt. Denn die Allgemeinheit hat kein Urteil, keine Autorität, keinen
Willen. Sie hat nur stürmische, ungerechte Liebkosungen und ebensolche Gehässigkeiten. Die Pflichten
gegen die Kunst gehörten zu den ersten traditionellen Aufgaben des absolutistischen Fürsten, dem die Kunst
einen Ruhmesmantel wob. Diese Verpflichtung hört nicht auf, seit der Fürst Bürger geworden ist. An Stelle
der Glorifikation des unumschränkten Ichs tritt die Glorifikation des Volkes, mit dem sich der Fürst identi-
fiziert. Die wertbildende Kraft des Talents ist nach wie vor der Obhut der machtvollen Persönlichkeit an-
heimgegeben. Nur die Unübertrefflichkeit der Leistungen auf dem Gebiet der menschlichen und künstle-
rischen Kultur sichert einem Volke die Weltherrschaft. Die Förderung der, immer revolutionär wirkenden,
schöpferischen Kräfte ist die vornehmste Aufgabe des Fürsten, wie überhaupt der Persönlichkeit, wenn die
Kultur fortschreiten soll. o

Insofern lieferte Darmstadt ein Dokument. Auch nach der künstlerischen Seite hin, wenn man die allge-
meinen Verhältnisse von 1901, als dieses Wort geprägt wurde, in Betracht zieht. Schon nach vier Jahren,
seitdem die Erneuerung der Form in den gewerblichen Künsten eingesetzt hat, war hier in einem ungewöhn-
lichen Maße die Gelegenheit geboten, die neue gewerbliche Gestaltung in einer baukünstlerisch bestimmten
Einheit durchzuführen und alle Hervorbringungen der angewandten Kunst, soweit sie das Haus betreffen,
in einen architektonischen Zusammenhang zu bringen. Der für die damalige Lage ansehnliche Vorzug be-
stand darin, daß die in den ersten Jahren meistens für die Ausstellungen schaffenden Künstler hier ein
Ganzes boten, das die ephemere Ausstellungsexistenz überdauern und einen bleibenden Wert bilden sollte,
ein Dokument. Es ist bekannt, daß Peter Behrens sein damaliges Haus auf der Mathildenhöhe aus einem
Guß fertigstellte und bis auf den letzten Nage! selbst durchbildete. Alle künstlerischen Probleme der Zeit
wurden in jenem Stadium der Lösung nahe gebracht. Nicht nur der große Umfang der dekorativen und
gewerblichen Künste, sondern auch ihre entscheidende Anwendung auf die Bauaufgaben, die nicht nur das
Wohnhaus, das Atelier- und Ausstellungsgebäude, sondern auch den Festraum, das Theater betraf. Die eigen-

*) Sämtliche in diesem Hefte befindlichen Abbildungen von Werken f. M. Olbrichs sind mit freundlicher Erlaubnis
der Verlagshandlung Baumgärtners Buchhandlung in Leipzig dem Werke Olbrichs »Ideen« (122 Abbildungen und 32 farbige
Tafeln, Preis in Mappe 10 Mark), das von der reichen Schöpfertätigkeit des Künstlers zeugt, entnommen. Red.
 
Annotationen