Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

DOI Artikel:
Lesenberg, Wilhelm: Carl Schäfer und eine lebendige Baukunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0082

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HERMANN MUTHESIUS, DAS HAUS KOSMACK
75


Hermann Muthesius, Haus Kosmack in Alt-Ruppin
Aus: Landhäuser von Hermann Muthesius. Verlag von F. Bruckmann A.-G., München

Kunsthistoriker seiner Haut zu wehren. Allerlei technisch-
wissenschaftliche Erkennungsmittel werden immer allge-
meiner erforscht und bekannt, das Entscheidende aber
bleibt das an den Originalen geschärfte, fast instinktmäßige
Gefühl fiir das Echte. Weshalb schätzen wir nun solche
Arbeiten als wertlos ein — um nur diese nichtkriminalistische
Seite zu betonen. Weil uns ein Stilerzeugnis nur dann ein
wahres Kunstwerk ist, wenn es den selbstverständlichen
Ausdruck einer Epoche, einer Entwicklungsstufe des mensch-
lichen Könnens darstellt. Schafft ein Maler des Trecento
in den für unser Auge primitiven Formen, so sind sie
doch für ihn das Vollendetste, denkbar Neueste; und
gibt er etwas Eigenes, Starkgefühltes, so fesselt er heute
den, der durch die stilistische Hülle den echten Kern zu
erkennen vermag. Greift aber ein moderner Mensch zu
diesen Formen und zwingt sich, alles zu vergessen, was
seit ihren Tagen bis zu ihm herauf dazu erworben ist, so
bleibt er unwahr, erkünstelt — er fälscht. □
d Das tritt am schärfsten zutage bei allen Restaurierungen.
□ Schäfer hat das große Verdienst, im allgemeinen dem
verwüstenden »Purismus«, der zur Schaffung eines einheit-
lichen Stilbildes alles Spätere aus dem alten Bau heraus-
riß, entgegengetreten zu sein. Doch wie bedingt er auch
in diesem Punkte dachte, lehren z. B. seine Vorschläge
zur Wiederherstellung des Rittersaales auf dem Marburger

Schloß (1S69). »Solche Zutaten, die an sich von Wert,
wichtige, ursprügliche Teile verbergen oder die Total-
erscheinung in höherem Grade stören, müssen vorsichtig
abgeräumt und für die im Rittersaale anzulegende Samm-
lung von Altertümern konserviert werden.« Man nahm
ihnen damit die ureignen Lebensbedingungen; und über
die »Störung der Totalerscheinung im höheren Grade« hat
bekanntlich stets schon die folgende Generation eine
grundverschiedene Ansicht. o
□ Und was setzte man an die Stelle? Stilechte Stücke,
nach aller Kraft wissenschaftlich und technisch so stilecht,
daß niemand möglichst sie als Erzeugnisse des 19. Jahr-
hunderts erkennen kann. Also ganz einfach Fälschungen.
Für Restaurierungen wie für Neubauten schreibt Schäfer
»Eingehen auf alle Eigenheiten der alten Technik«, »mittel-
alterliche Manier« vor (Aufs. S. 149). Auf diesem Wege
kam er dann dazu, einen Joh. Klein als den idealen Glas-
maler hinzustellen (Aufs. S. 235). Wenngleich »ein Zug
von Familienähnlichkeit durch diese Gestalten einer idealen
Welt geht und nicht selten sich sogar Motive in Stellung
und Gewandung in einem Grade wiederholen, wie ihn der
moderne Maler zu vermeiden sucht«. Aber! »wie die
Zeichnung, so ist auch Technik und Färbung stets stilistisch
echt und vortrefflich«. Wir haben da die ganze Traurig-
keit dieser Richtung. — Fast schlimmer ist es noch, wenn
 
Annotationen