DER KUNSTMARKT
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HAMBURG UND DIE GRÖNVOLD - SAMMLUNG?)
Von DR. HEINRICH EHL.
Motto: „Warum verkannten die Deutschen ihr Geblüt."
G. Pauli. — Fr. Wasmann.
Bücher haben, von Hand zu Hand wandernd, ihre Schicksale. Bilder haben ihre Bestimmung, Sie ver-
wachsen mit dem Ort, an dem sie haften. Sie verlangen nach dem Platze, an den sie gehören. Da strömen sie
Seele aus, aber sie leiden unter der Verweisung. Bilder besitzen einen natürlichen Anspruch auf Bodenbeständig-
keit. Es ist undenkbar, sich die Sixtina in Piacenza vorzustellen, vergraben in einem Kloster, für das sie gemalt
war. Die Sixtina gehört nach Dresden und kann nur in Dresden leben. Grünewalds Altar gehört nach Kolmar,
so schwer uns dieser Stadt und dieses Werkes Schicksal treffen, über das uns der Gedanke tröstet, daß, wo Grü-
newald ist, Deutschland ist und bleiben wird.
Die Sammlung Grönvold gehört nach Hamburg. Hamburg ist ihre natürliche Bestimmung. Im Rahmen
der Berliner Nationalgalerie bedeutete sie wissenschaftliche Vollständigkeit. In der Hamburger Kunsthalle
allein findet sie Heimat. Ein norwegischer Liebhaber hat sie gesammelt, weil diese Bilder ihm eine seelische Er-
gänzung, ein Bedürfnis seines Lebens sind. Mit der Wärme des fühlenden Herzens versteht er die Wünsche dieser
stillen Lebewesen zu deuten. Unausgesprochen fühlt er ihre Bitte, miteinander in dem Lande zu verbleiben, das
ihre Schöpfer Vaterland und Heimat nannten.
Bernt Grönvold empfindet Pflichten, die heute nicht alltäglich sind. Dies verpflichtende Bewußtsein ist
es, das seine Bilder Deutschland zu erhalten sucht. Uns entbindet dieser Zusammenhang nicht von der Pflicht
des Dankes gegen diesen Sammler oder meinetwegen für das gütige Schicksal, das diese schönen Geschöpfe
deutscher Kunstgesinnung in die behutsame Hand eines 'verständnisvollen Menschen legte, der die Gabe der
schenkenden Tugend besitzt.
Alan verweilt in diesen Tagen gern in dem hellen und ruhigen Lichtsaale der Kunsthalle, der die Grön-
voldbilder beherbergt. Es ist nicht nur die unbefleckte Reinheit, die heimliche Schönheit und empfindungsvolle
Stille ihrer seelenvollen Linien und gemütreichen Farbenharmonien, die in die schnöde Unrast dieser Zeit und die
allgemeine Verleugnung und Vergiftung der deutschen Seele das beruhigende Spiegelbild einer Vergangenheit
fallen lassen, die klar, einfach und aufrichtig war. Es ist auch der wohltuende Gedanke, als Deutscher nicht
ganz verkannt und entwürdigt zu sein, Bernt Grönvold ist Norweger und setzt mit seiner Sammlung ein Werk
fort, an dem das Bewußtsein deutscher Rassengemeinschaft der nordischen Völker seit einem langen Jahr-
hundert arbeitet. Hamburg und sein norddeutsches Uniland sind durch hundert geistige Beziehungen mit dem
Norden Europas verbunden, die nirgendwo sinnfälliger zu fassen sind als in der Kunsthalle unserer Stadt. Sie
ist das gegebene und vorbestimmte Milieu, das nach dieser Sammlung und nach dem diese Sammlung verlangt.
In unmittelbarer Nachbarschaft der Grönvoldmeister hängen die Bilder Ph. Otto Runges, Caspar David Friedrichs
und Asmus Carstens. Runge stammt aus dem zu seiner Zeit noch schwedischen Wolgast, Friedrich aus dem
ebenfalls schwedischen Greifswald, Carstens aus Schleswig. Alle drei, auf denen die Kunst des 19. Jahrhundert
beruht, haben, der eine mehr, der andere weniger, ihre '.starken Beziehungen zu Hamburg gehabt und nie bereut.
Alle drei sind Kopenhagen als der kulturellen Hauptstadt des Nordens verpflichtet. Runge und Friedrich haben
hier und in Dresden den Grundstein zu ihrem Künstlertum gelegt. In Dresden waren sie mit dem Deutsch-Nor-
weger Claussen Dahl in Freundschaft verbunden, und Hamburg besitzt von ihm wie von Carus, dem Schüler
Friedrichs und Dahls, Bilder, in denen die linde Atmosphäre der Grönvoldsammlung eingefangen ist. Auf Car-
stens endlich baut sich das Lebenswerk des Dänen Thorvaldsen auf, der mit zu jenem edlen Kreise der Deutsch-
Römer gehörte, der in der Hamburger Kunsthalle reich und ansprechend vertreten ist. Ein Norweger war es
ebenfalls, der in treuer wissenschaftlicher Arbeit dem deutschen Volke Runge und Friedrich schenkte: Andreas
Aubert, Friedrich Wasmann aber, der Eckpfeiler dieser Grönvoldsammlung, war ein Hamburger Kind und in
jenes sonnige Meran verschlagen, in dem auch ein Nachkomme unseres Malers Morgenstern, der Dichter
Christian Morgenstern, seine todverklärten Tage verlebte. In derselben Zeit, da Lichtwark seine geliebten Früh-
hamburger wiederentdeckte und damit der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts eine neue Grundlage schuf, fand
der glückliche Grönvold in Tirol, dem südlichsten deutschenLande, diesen liebenswertenKünstler seiner nordischen
Hansestadt. In einer von edlem Eifer für den Wiedergeiundenen angeregten Ausgabe seiner Tagebücher hat
Grönvold dem deutschen Volke das Leben und das Werk eines feinen und großen deutschen Malers zum Ge-
schenk gemacht. Es ist an der Zeit, diesem uneigennützigen Manne besser zu danken, als er es bisher er-
fahren hat.
Im Rahmen der Hamburger Kunsthalle sammeln sich die milden Strahlen, die die deutsche Kunst vor hundert
Jahren aussandte, wie in einem Brennpunkte, Die verehrungswürdige Schar der- Oldag, Gröger, Gensler, der
Speckter, Janssen, Asher und Bendixen grüßen in Wasmann und den anderen Grönvoldmeistern ihre Brüder
und Gesinnungsverwandten. Jens Juel, der Däne, in Hamburg durch glänzende Bildnisse vertreten, ist ihr Ahne
*) Mit 2 Reproduktionen nach Werken von Fr. Wasmann aus dem Besitz der Kunsthalle Hamburg.
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HAMBURG UND DIE GRÖNVOLD - SAMMLUNG?)
Von DR. HEINRICH EHL.
Motto: „Warum verkannten die Deutschen ihr Geblüt."
G. Pauli. — Fr. Wasmann.
Bücher haben, von Hand zu Hand wandernd, ihre Schicksale. Bilder haben ihre Bestimmung, Sie ver-
wachsen mit dem Ort, an dem sie haften. Sie verlangen nach dem Platze, an den sie gehören. Da strömen sie
Seele aus, aber sie leiden unter der Verweisung. Bilder besitzen einen natürlichen Anspruch auf Bodenbeständig-
keit. Es ist undenkbar, sich die Sixtina in Piacenza vorzustellen, vergraben in einem Kloster, für das sie gemalt
war. Die Sixtina gehört nach Dresden und kann nur in Dresden leben. Grünewalds Altar gehört nach Kolmar,
so schwer uns dieser Stadt und dieses Werkes Schicksal treffen, über das uns der Gedanke tröstet, daß, wo Grü-
newald ist, Deutschland ist und bleiben wird.
Die Sammlung Grönvold gehört nach Hamburg. Hamburg ist ihre natürliche Bestimmung. Im Rahmen
der Berliner Nationalgalerie bedeutete sie wissenschaftliche Vollständigkeit. In der Hamburger Kunsthalle
allein findet sie Heimat. Ein norwegischer Liebhaber hat sie gesammelt, weil diese Bilder ihm eine seelische Er-
gänzung, ein Bedürfnis seines Lebens sind. Mit der Wärme des fühlenden Herzens versteht er die Wünsche dieser
stillen Lebewesen zu deuten. Unausgesprochen fühlt er ihre Bitte, miteinander in dem Lande zu verbleiben, das
ihre Schöpfer Vaterland und Heimat nannten.
Bernt Grönvold empfindet Pflichten, die heute nicht alltäglich sind. Dies verpflichtende Bewußtsein ist
es, das seine Bilder Deutschland zu erhalten sucht. Uns entbindet dieser Zusammenhang nicht von der Pflicht
des Dankes gegen diesen Sammler oder meinetwegen für das gütige Schicksal, das diese schönen Geschöpfe
deutscher Kunstgesinnung in die behutsame Hand eines 'verständnisvollen Menschen legte, der die Gabe der
schenkenden Tugend besitzt.
Alan verweilt in diesen Tagen gern in dem hellen und ruhigen Lichtsaale der Kunsthalle, der die Grön-
voldbilder beherbergt. Es ist nicht nur die unbefleckte Reinheit, die heimliche Schönheit und empfindungsvolle
Stille ihrer seelenvollen Linien und gemütreichen Farbenharmonien, die in die schnöde Unrast dieser Zeit und die
allgemeine Verleugnung und Vergiftung der deutschen Seele das beruhigende Spiegelbild einer Vergangenheit
fallen lassen, die klar, einfach und aufrichtig war. Es ist auch der wohltuende Gedanke, als Deutscher nicht
ganz verkannt und entwürdigt zu sein, Bernt Grönvold ist Norweger und setzt mit seiner Sammlung ein Werk
fort, an dem das Bewußtsein deutscher Rassengemeinschaft der nordischen Völker seit einem langen Jahr-
hundert arbeitet. Hamburg und sein norddeutsches Uniland sind durch hundert geistige Beziehungen mit dem
Norden Europas verbunden, die nirgendwo sinnfälliger zu fassen sind als in der Kunsthalle unserer Stadt. Sie
ist das gegebene und vorbestimmte Milieu, das nach dieser Sammlung und nach dem diese Sammlung verlangt.
In unmittelbarer Nachbarschaft der Grönvoldmeister hängen die Bilder Ph. Otto Runges, Caspar David Friedrichs
und Asmus Carstens. Runge stammt aus dem zu seiner Zeit noch schwedischen Wolgast, Friedrich aus dem
ebenfalls schwedischen Greifswald, Carstens aus Schleswig. Alle drei, auf denen die Kunst des 19. Jahrhundert
beruht, haben, der eine mehr, der andere weniger, ihre '.starken Beziehungen zu Hamburg gehabt und nie bereut.
Alle drei sind Kopenhagen als der kulturellen Hauptstadt des Nordens verpflichtet. Runge und Friedrich haben
hier und in Dresden den Grundstein zu ihrem Künstlertum gelegt. In Dresden waren sie mit dem Deutsch-Nor-
weger Claussen Dahl in Freundschaft verbunden, und Hamburg besitzt von ihm wie von Carus, dem Schüler
Friedrichs und Dahls, Bilder, in denen die linde Atmosphäre der Grönvoldsammlung eingefangen ist. Auf Car-
stens endlich baut sich das Lebenswerk des Dänen Thorvaldsen auf, der mit zu jenem edlen Kreise der Deutsch-
Römer gehörte, der in der Hamburger Kunsthalle reich und ansprechend vertreten ist. Ein Norweger war es
ebenfalls, der in treuer wissenschaftlicher Arbeit dem deutschen Volke Runge und Friedrich schenkte: Andreas
Aubert, Friedrich Wasmann aber, der Eckpfeiler dieser Grönvoldsammlung, war ein Hamburger Kind und in
jenes sonnige Meran verschlagen, in dem auch ein Nachkomme unseres Malers Morgenstern, der Dichter
Christian Morgenstern, seine todverklärten Tage verlebte. In derselben Zeit, da Lichtwark seine geliebten Früh-
hamburger wiederentdeckte und damit der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts eine neue Grundlage schuf, fand
der glückliche Grönvold in Tirol, dem südlichsten deutschenLande, diesen liebenswertenKünstler seiner nordischen
Hansestadt. In einer von edlem Eifer für den Wiedergeiundenen angeregten Ausgabe seiner Tagebücher hat
Grönvold dem deutschen Volke das Leben und das Werk eines feinen und großen deutschen Malers zum Ge-
schenk gemacht. Es ist an der Zeit, diesem uneigennützigen Manne besser zu danken, als er es bisher er-
fahren hat.
Im Rahmen der Hamburger Kunsthalle sammeln sich die milden Strahlen, die die deutsche Kunst vor hundert
Jahren aussandte, wie in einem Brennpunkte, Die verehrungswürdige Schar der- Oldag, Gröger, Gensler, der
Speckter, Janssen, Asher und Bendixen grüßen in Wasmann und den anderen Grönvoldmeistern ihre Brüder
und Gesinnungsverwandten. Jens Juel, der Däne, in Hamburg durch glänzende Bildnisse vertreten, ist ihr Ahne
*) Mit 2 Reproduktionen nach Werken von Fr. Wasmann aus dem Besitz der Kunsthalle Hamburg.
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