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Der Kunstmarkt: Halbmonatsschrift für den gesamten Kunsthandel — 1.1925

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Ehl, Heinrich: Hamburg und die Grönvold-Sammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.48678#0009
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DER KUNSTMARKT


und Lehrer. Hamburgisch sind die Anfänge neuer deutscher Kunst. Hamburger waren die a’ten Meister Ber-
tram und Franke, die den stolzen Reigen der altdeutschen Maler eröffneten. Jene neuen Anfänge sind in jeder Be-
ziehung mit dem europäischen Norden verbunden, wie auch Bertram und Frankes Kunst und die Hansagotik bis in
das hohe Schweden und Finnland hinaufreicht. Im Bewußtsein der Stammeszugehörigkeit und im Dienste der
Völkerversöhnung pflegt die Hamburger Kunsthalle mit schönem Erfolge diese uralten Beziehungen, die dem
Wege des Hamburger Handels stets gefolgt sind. Was zu Anfang des vorigen Jahrhunderts von Hamburg aus in
München und Rom weitergebildet wurde, schließt das Bild der Hamburger Kunsthalle in Morgenstern, Catel
und Koch, in Fries, Reinhold und Olivier, in Overbeck, Heß und Kobell, in Schadow, Rottmann und Martin von
Rohden zusammen, von dem die Grönvoldsammlung einige der schönsten Landschaften besitzt. In wundervoller
Geschlossenheit führt diese Linie über Bürckel und Hermann Kauffmann bis in die Gegenwart hinein, Im großen
wie im kleinen ergänzen sich Kunsthalle und Grönvoldsammlung. Besitzt diese, was jener fehlt, so fehlt dieser,
was jene besitzt. „Fehlt“, nicht im Sinne des Mangels, sondern ihres einheitlichen Charakters wegen, dessen
Stärke und Ausprägsamkeit aus der weisen und eindrucksvollen Beschränkung auf einen bestimmten Aus-
schnitt deutscher Kunstentwicklung beruht. Es hängen da beispielsweise unter den reizvollen Wasmannbildchen
zwei miniaturartig feine, fast geschliffen saubere Stücke von Leibi, die eine vorzügliche Ergänzung in unserem
Leiblbestande finden und eine der eigentümlichsten Seiften deutscher Kunstbegabung bezeichnen, jene natür-
liche Jreue und Echtheit der Wirklichkeitsauffassung, die von Dürer und Holbein bis Menzel, Thoma und Leibi
sich hinzieht. Die noch immer nicht gebührend gekannte und anerkannte Bedeutung und Schönheit der frühham-
burgischen Malerei beruht nicht zuletzt auf eben dieser Naturtreue, die es versteht, sich in das Bildhafte umzu-
setzen, das aus dem Abbild der Natur ein Kunstwerk von Rang macht. Vor allem aber rundet die Grönvold-
sammlung das künstlerische Bild Wasmanns und seiner Zeitgenossen ab, die in bescheidenerem Ausmaße, und
zwar mit weniger absoluter Geltung, darum aber nicht minder deutlich und der Aufgabe bewußt auf demselben
Wege wanderten wie der große Ingres, der Ausgangspunkt einer neuen Kunst von europäisch-klassischem Ge-
präge werden zu sollen scheint. Aus der Enge in die Weite öffnet die Grönvoldsammlung dem Blick Zu-
sammenhänge, die vorzüglich von Hamburg aus perspektivisch richtig gesehen werden können. Das europäische
Relief, das die Sammlung Behrens der Kunsthalle gibt, verlangt nach dem deutschen Gegengewicht, das ihr
diese Sammlung eines mit Deutschland verwachsenen Norwegers verleihen könnte.
Es ist aber nicht der historische, kulturelle und sammlungstechnische Wert allein, der den in der Sache
selbst begründeten Wunsch erweckt, die Grönvoldsammlung dauernd an Hamburg zu binden, sondern vorzüglich

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